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Title:
AUTOMATIC MICROFLUIDIC PROCESSOR
Document Type and Number:
WIPO Patent Application WO/2008/049413
Kind Code:
A3
Abstract:
An automatic microfluidic processor with integrated active elements (1, 2, 5, 14, 15, 17, 22, 25) can process a defined procedure by virtue of the fact that the corresponding partial tasks are combined by logical interconnection of the active individual elements to form a task sequence and the activation instants and further parameters of the individual elements are defined by the processor design. The individual elements act through changes in specific properties such as e.g. volume or strength in the case of non-specific action of particular ambient variables such as presence of solvent or temperature.

Inventors:
RICHTER ANDREAS (DE)
KLATT STEPHAN (DE)
WAGE TOBIAS (DE)
Application Number:
PCT/DE2007/001905
Publication Date:
June 19, 2008
Filing Date:
October 23, 2007
Export Citation:
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Assignee:
RICHTER ANDREAS (DE)
International Classes:
B01L3/00; F04B19/00
Foreign References:
DE10157317A12003-06-05
DE102004062893A12006-06-29
US20060102483A12006-05-18
Other References:
BALDI A ET AL: "A hydrogel-actuated environmentally sensitive microvalve for active flow control", JOURNAL OF MICROELECTROMECHANICAL SYSTEMS, IEEE SERVICE CENTER, PISCATAWAY, NJ, US, vol. 12, no. 5, October 2003 (2003-10-01), pages 613 - 621, XP011102672, ISSN: 1057-7157
MING LEI ET AL: "A hydrogel-actuated microvalve for smart flow control", SAN FRANCISCO, CA, USA 1-5 SEPT. 2004, PISCATAWAY, NJ, USA,IEEE, US, 1 September 2004 (2004-09-01), pages 2041 - 2044Vol3, XP010775371, ISBN: 0-7803-8439-3
MELIN J ET AL: "A liquid-triggered liquid microvalve for on-chip flow control", SENSORS AND ACTUATORS B, ELSEVIER SEQUOIA S.A., LAUSANNE, CH, vol. 100, no. 3, 15 May 2004 (2004-05-15), pages 475 - 480, XP004509117, ISSN: 0925-4005
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Claims:

Patentansprüche

1. Mikrofluidik-Prozessor mit integrierten aktiven Elementen zur Handhabung von Prozessmedien, gekennzeichnet dadurch, dass a) die aktiven Elemente (1,2,5,14,15,17,22,25) durch änderungen ihres Volumens, Quellungsgrades, des stofflichen Zusammenhaltes, ihrer Festigkeit und/oder Viskosität agieren, b) die abzuarbeitenden Prozeduren

- durch entsprechende logische Zusammenschaltung der in ihrer Funktion definierten aktiven Einzelelemente durch die Reihenfolge der zeitlichen Aktivierung der Einzelelemente und

- hinsichtlich ihrer Arbeitsgeschwindigkeit und ihrer Präzision

schon durch die konstruktive Gestaltung des Mikrofluidik-Prozessors definiert sind, c) der Prozess durch Einwirken einer im Wesentlichen ungerichteten, ' gesamtheitlich wirkenden Umgebungsgröße, insbesondere Lösungsmittelgegenwa'rt und/oder Umgebungstemperatur, ermöglicht wird.

2. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die aktiven Elemente (1,2,5,14,15,17,22,25) aus Hydrogelen bestehen, die chemisch vernetzt und physikalisch vernetzbar sein können.

3. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Hydrogele temperatursensitiv bzw. thermoreversibel sind.

4. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die aktiven Elemente aus chemisch vernetzten, temperatursensitiven Hydrogelen mit Lower Cri- tical Solution Temperature - Charakteristik bestehen, insbesondere Hydrogele auf Basis von I\7-Isopropylacrylamid und PoIy (Methylvinylether) . i

5. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die aktiven Elemente aus chemisch vernetzten temperatursensitiven Hydrogelen mit Upper Criti- cal Solution Temperature - Charakteristik bestehen, insbesondere Hydrogele auf Basis von Hydroxyethyl Meth- acrylat und Acetoacetoxyethyl Methacrylat.

6. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die aktiven Elemente aus physikalisch vernetzten Hydrogelen bzw. Polymerlösungen bestehen, die durch änderungen , der Temperatur gelieren oder sich auflösen, insbesondere Gelatinen oder Polysaccharide wie Pektine und Agarose.

7. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1,. dadurch gekennzeichnet, dass für aktive Elemente mit der Funktion einer Arretierung, Sperrung, Quellmittelbarriere, Trägermatrix u'.ä. lösliche Materialien wie Saccharide, Salze verwendet werden.

8. ' Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die aktiven Elemente aus Stoffen mit niedriger Schmelztemperatur, wie z.B. öle und Fette, Wachse, Paraffine oder Alkane, bestehen.

9. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch mindestens zwei fluidische Sequenzen, wobei a) jede Sequenz über Pumpen (Ia-Id) verfügt, welche die verschiedenen Prozessmedien entsprechend ihrer jeweils vorgegebenen Fördervolumina durch entsprechende aus- gangsseitige Zusammenschaltung vormischen und diese für Mischpumpen (2a-2f) vorlegen, b) mindestens zwei Mischpumpen (2a-2f) aus unterschiedlichen Sequenzen an ihrem Ausgang zusammengeschaltet sind, c) die zusammengeschalteten Mischpumpen (2a-2f) ein durch ihre jeweils vorgegebenen Fördervolumina bestimmtes Mischverhältnis repräsentieren, und d) die entstandene Mischung über Ausgänge (6a-6d) bereitstellen oder in Analyse- bzw. Reaktionseinheiten (3a- 3c, 23a, 23b) befördern.

10. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch mindestens eine fluidische Sequenz, welche über Pumpen (Ia-Id) verfügt, die die verschiedenen Prozessmedien entsprechend ihrer jeweils vorgegebenen Fördervolumina durch entsprechende ausgangsseitige Zusammenschaltung vormischen und die entstandene Mischung in Reaktions- bzw. Analyseeinheiten (3a-3c, 23a, 23b) befördern.

11. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 9 oder 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Mischungsverhältnisse der aus- gangsseitig zusammengeschalteten Pumpen (Ia-Id; 2a-2f) durch die jeweiligen Größen bzw. Volumina der Pumpenkammern

(13) konstruktiv vorgegeben sind.

12. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 9 oder 10, dadurch gekennzeichnet, dass er über mehrere Misch- bzw. Vorlegstu-

fen verfügt, die auf einer entsprechenden Zusammenschaltung von Pumpen (Ia-Id; 2a-2f) beruhen.

13. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass er die Enzymaktivität eines biochemischen Prozesses detektiert.

14. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass er Prozesse auf Basis einer Polymeraseket- tenreaktion kontrolliert und/oder detektiert.

15. Mikrofluidik-Proze-ssor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass er Prozesse auf Basis der Kulturmethode durchführt.

16. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch ' 1, dadurch gekennzeichnet, dass er Prozesse auf Basis von Antigen- Anti'körper-Reaktionen durchführt .

17. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die aktiven Elemente über zumindest teilweise verschiedene Aktivierungstemperaturen verfügen.

18. Mikrofluidik-Prozessor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass er aus einem Kanalstrukturträger (8), einer zumindest örtlich flexiblen Membran (9), einem Aktorstrukturträger (10) sowie einem Strukturträger (11) besteht.

Description:

Bezeichnung der Erfindung

Automatischer Mikrofluidik-Prozessor

Technisches Gebiet

Die Erfindung betrifft einen automatischen Mikrofluidik- Prozessor mit integrierten aktiven Elementen.

In der (bio-) chemischen, pharmazeutischen und biomedizinischen Industrie gibt es einen wachsenden Bedarf an Miniaturisierung der fluidischen Prozesstechnik. Diesem Wunsch entsprechen mikrofluidische Geräte. Realisieren diese Geräte durch Funktionen-Integration mehr oder minder aufwändige biologische, biochemische oder chemische Prozesse, so spricht man von Mikrofluidikprozesspren oder auch von „Labs on a Chip" (LOC) , „Chip-Labore" bzw. „Micro Total Analysis Systems" (μTAS) .

Das LOC-Konzept offeriert mannigfaltige Vorteile. Die Verringerung der Fluidvolumina ermöglicht das Analysieren ' kleinster Probenmengen und einen sparsamen Umgang mit Reagenzien und Proben, die oft wertvoll, selten, schädlich oder gefährlich sind. Dadurch sind auch höhere, Durchsätze erreichbar, da aufgrund der geringen Mengen verkürzte Be- reitstellungs-, Misch- und Reaktionszeiten bei minimiertem Energiebedarf benötigt werden. Aufgrund geringerer System- Antwortzeiten kann sich auch die Prozesskontrolle erleichtern .

Insgesamt ermöglichen LOC-Aufbauten bedeutende Prozessrationalisierungen, indem sie die Prozesszeit erheblich verkürzen und damit den möglichen Durchsatz erhöhen sowie die Mengen der benötigten Medien (Probanden, Analyte, Reagenzien, Hilfsmedien) reduzieren. Darüber hinaus sollen sie auch Nicht-Fachleuten das Ausführen komplizierter Untersuchungen gestatten, um z.B. Polizisten, Allgemeinär ' zten oder

Kontrollorganen wie Lebensmittelkontrolleuren schnellen Zugang zu wichtigen Ergebnissen zu gewähren.

Trotz der offensichtlichen Vorteile gibt es nur in Ausnahmefällen realisierte LOC-Anwendungen . Die Ursachen sind vornehmlich wirtschaftlicher Natur, da die bislang erzielten Rationalisierungen den technologischen Mehraufwand nicht aufwiegen. Um eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen, ist zu analysieren, welche Teil-Prozesse das entsprechende Rationalisierungspotenzial besitzen.

Stand der Technik

Die typische Struktur biologischer, biochemischer oder chemischer Prozesse umfasst die Aufgaben der Probenpräparation, -Handhabung und -Reaktion bzw. -Analyse in jeweils spezifischen Formen und Kombinationen. Derzeit erfolgt hauptsächlich eine On-chip-Integration der Probenvorbereitung sowie der Reaktion bzw. Analyse. Die aus der Rationalisierung dieser Teil-Prozesse resultierenden wirtschaftlichen Vorteile erwiesen sich jedoch im Regelfall als nicht tragfähig.

Enormes Rationalisierungspotential bietet die Probenhandhabung, weil sie besonders zeit- und arbeitsintensiv ist. Aufgrund ihrer problematischen on-chip-Integration wird die Probenhandhabung derzeit manuell oder mit bestimmten Sonderapparaturen, wie Dilutern, Spritzenpumpen, Pipettierge- räten u.a., außerhalb der Chips durchgeführt. Aufgrund ihres vorwiegend manuellen Charakters sind diese Tätigkeiten in der Praxis die Fehlerquelle Nummer eins .

Die durchaus vielfältig verfügbaren miniaturisierbaren elektronisch steuerbaren fluidischen Antriebe (Pumpen) und Schaltelemente (Ventile) besitzen solche Nachteile, dass sie entweder nicht wirtschaftlich in einen Lab-on-a-Chip-

Aufbau integrierbar sind oder über unzulängliche Gebrauchseigenschaften verfügen.

Aktive fluidische Elemente auf Basis von Festkörperaktoren, wie Piezoaktoren [US 5,224,843, US 2003/0143122] und Formgedächtnisaktoren [US 5,659,171], sind zwar als Einzelelemente gut miniaturisierbar, besitzen aber einen komplizierten Aufbau, sind auf bestimmte, meist nicht kunststoffbasierte, Materialien festgelegt und müssen deshalb separat gefertigt werden. Eine mögliche Hybrid-Integration (z. B. Aufkleben der Elemente auf das LOC) ist im Regelfall unwirtschaftlich .

Wandlerelemente, die auf änderungen des Aggregatzustandes beruhen, lassen sich mit zum Teil geringfügigen Eingriffen in das Layout der Kanalstrukturträger integrieren und sind deshalb meist zum Fertigungsprozess der Kunststoffformteile des Kanalstrukturträgers kompatibel. Es sind beispielsweise Schmelzelemente [R. Pal et al.', Anal. Chem. 16 (2004) 13, S. 3740-3748] und Gefrierelemente [US 6,536,476] sowie thermische Blasengeneratoren [US 6,283,718] bekannt.

Allerdings besitzen aggregatzustandsveränderliche Wandler einige unzulängliche Gebrauchseigenschaften. Mit Ausnahme der Blasengeneratoren lassen sich die Wandler nicht aktorisch nutzen, so dass ihre Anwendung auf Schaltelemente beschränkt ist. Durch die notwendigen WärmeSchwankungen sind die Prozessmedien erheblichem thermischen Stress, bei Gefrierelementen auch mechanischem Stress ausgesetzt.

Wandler mit Gasbildung eignen sich für viele mikrofluidi- sche Prozesse nicht, weil die meisten gasblasenempfindlich sind.

Darstellung der Erfindung

Aufgabe der Erfindung ist es, eine LOC-Vorrichtung zu

schaffen, die mit einem wirtschaftlich vertretbaren Fertigungsaufwand herstellbar ist und welche bestimmte chemische, biochemische oder andere Prozesse, insbesondere Standardprozesse, automatisch durchführt.

Erfindungsgemäß wird die Aufgabe durch die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Ansprüchen 2 bis 18 angegeben.

Der Grundgedanke der Erfindung besteht darin, mit dem Mikrofluidik-Prozessor alle notwendigen aktiven Prozess- Schritte in einer zeitlich, qualitativ und quantitativ vordefinierten Reihenfolge im Wesentlichen automatisch und . hilfsenergiefrei. abzuarbeiten ' . Dazu werden die Schritte, welche die Verrichtung -mechanischer Arbeit erfordern, durch Bauelemente automatisch durchgeführt, die auf aktorisch oder festigkeitswirksamen Eigenschaftsänderungen bestimmter Materialien beruhen. Dabei sind diese Bauelemente in ihren Grundfunktionen, dem zeitlichen und aktoris'chen Verhalten definiert und untereinander zu den entsprechenden logischen Funktionen zusammengeschalten.

Durch weitgehenden Verzicht auf Hilfsenergie, einen automatischen Prozeßablauf, eine Vorkonfektionierung mit notwendigen Materialien (zJB. Analyte, Reagenzien, Hilfsme- dien) sowie eine gut handhabbare Größe des LOC läuft der Prozess im Wesentlichen unabhängig vom Benutzer in der durch die LOC-Herstellung vordefinierten Qualität ab und kann nahezu an jedem Ort durchgeführt werden. Die Benutzertätigkeit beschränkt sich auf das Probeneinbringen, den Prozeßstart sowie evtl. das Ablesen des Resultates. Deshalb erlauben die erfindungsgemäßen LOC auch Nicht-Fachleuten das Ausführen komplizierter Untersuchungen. Da die LOC- Aufbauten sehr einfach und auf Basis weniger Materialien (meist ' Polymere) aufgebaut sind, können sie kostengünstig

gefertigt werden und als Einmal-Produkte zum Einsatz kommen.

Die stoffliche Grundlage der Erfindung bilden Materialien, die durch änderungen ihres Quellungszustandes oder ihrer mechanischen Eigenschaften (Festigkeit, Viskosität) aktive Funktionen bewirken können und welche mit einfach realisierbaren Umgebungsgrößen aktivierbar sind.' Besonders einfach beeinflussbare Umgebungsgrößen sind die Lösungsmittelgegenwart sowie die Temperatur, welche deshalb für die Erfindung von besonderer Bedeutung sind. Stoffe, die durch Temperatureinwirkung in ihren Festigkeits- bzw. viskoti- schen Eigenschaften beeinflußt werden können, sind beispielsweise öle und Fette, Wachse, Paraffine bzw. Alka- ne . Halbfeste Paraffine bzw. Weichparaffin besitzen z.B. Schmelztemperaturen zwischen 45°C und 65 0 C, Petrolatum bzw. Vaseline besitzen Schmelztemperaturen im Bereich von 38 °C und 60 0 C.

Durch Lösungsmittelgegenwart beeinflussbar sind lösliche Materialien, welche beispielsweise unvernetzte Polymere, Salze und organische Naturstoffe wie Saccharide sein können.

Sowohl durch Temperatur 'als auch durch Lösungsmittelgegen- wart beeinflussbar sind Hydrogele. Aufgrund der Vielfalt der mit diesen Materialien realisierbaren Funktionen wird die Erfindung stellvertretend für die anderen Materialien im Wesentlichen anhand von Hydrogelen erläutert. Hydrogele sind Polymernetzwerke, die bei Einwirkung wässriger Quellmittel ihr Volumen, ihre Festigkeit und andere Eigenschaften ändern. Diese Polymernetzwerke lassen sich nach der Art der Polymerketten-Verknüpfung untereinander in chemisch und physikalisch vernetzte Polymernetzwerke bzw. Hydrogele unterteilen. Bei chemisch vernetzten Polymernetz-

werken sind die einzelnen Polymerketten durch kovalente (chemische) Verbindungen irreversibel miteinander ver- < knüpft. Bei physikalisch vernetzten Polymernetzwerken sind die Polymerketten durch physikalische Wechselwirkungen miteinander verbunden, die meist wieder gelöst werden können.

Wenn Hydrogele aus dem trockenen oder entquollenen Zustand quellen, ändern sie nicht nur ihr Volumen, sondern können unter Aufbringung eines Quellungsdruckes gleichzeitig mechanische Arbeit verrichten. Diese Quelleigenschaften besitzen physikalisch und chemisch vernetzte Hydrogele. Bestimmte chemisch vernetzte Hydrogele, die sogenannten stimuli-responsiven Hydrogele, können zudem bei Einwirken bestimmter Umgebungsgrößen in reversibler Weise wieder in den entquollenen Zustand überführt werden. Diese Eigenschaft beruht auf ihrem Volumenphasenübergangsverhalten. Besonders interessant sind temperatursensitive Hydrogele, wie z.B. PoIy (N-Isopropylacrylamid) und Po- Iy (Methylvinylether) , die durch entsprechende Absorption auch „lichtsensitiv" sein können. Die meisten temperatursensitiven stimuli-responsiven Hydrogele besitzen eine Lower Critical Solution Temperature (LCST) - Charakteristik, d.h., sie sind bei niedrigen Temperaturen gequollen und entquellen bei überschreiten der Phasenübergangstempe- ratύr. Das bekannteste Hydrogel' mit LCST-Charakteristik, PoIy (λ7-Isopropylacrylamid) (PNIPAAm), besitzt eine Volumen- phasenübergangstemperatur von 32,8 0 C. Die Lage der Phasenübergangs- bzw. Schalttemperatur von NIPAAm-basierten Hydrogelen kann durch Copolymerisation und Variation der Syntheseparameter in einem Bereich von +5 0 C und ca. 60 °C eingestellt werden. Mögliche Synthese- und Strukturierüngs- verfahren von PNIPAAm-basierten Hydrogelen sind z.B. in [A. Richter et al., J. Microelectromech. Syst. 12 (2003) 5, S.

748 - 753] beschrieben.

Auch physikalisch vernetzte Hydrogele können temperatursensitiv sein. Derartige „thermoreversible" Gele besitzen ein Sol-Gel-übergangsverhalten, d.h., bei Erreichen kritischer Temperaturen gelieren (vernetzen) sie oder lösen sich durch Entnetzung auf. Typische temperaturschaltbare physikalisch vernetzbare Hydrogele sind z.B. Gelatine, Pektin und Agaro- se. Ihre Sol-Gel-übergangstemperatureh lassen sich durch verschiedene Maßnahmen zwischen etwa 15 0 C und 95 0 C einstellen. Zu diesen und weiteren physikalisch vernetzbaren Polymernetzwerken bietet [K. te Nijenhuis, Thermoreversible Networks, Adv. Polym. Sei. 130, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1997] einen überblick.

Das Zeitverhalten aktiver hydrogelbasierter Elemente lässt sich durch entsprechende Wahl der Synthese-' und Vernetzungsparameter (damit letztlich durch Wahl des Hydrogels) , durch Limitationen der Quellmittelzufuhr sowie Kräfte, die dem Quellvorgang entgegenwirken, beeinflussen. Besonders einfach lassen- sich Beschränkungen der Quellmittelzufuhr realisieren. Dies kann durch Festlegen eines entsprechenden Strömungswiderstandes, beispielsweise durch die Wahl eines entsprechenden effektiven Strömungsquerschnittes über eine Materialporosität, erfolgen. In diesem Fall verläuft der Quellvorgang verlangsamt ab. Eine zeitliche Verzögerung des Einsetzens des Quellvorganges ist durch den Einsatz von Quellmittelbarrieren erreichbar, welche sich nach bestimmten Standzeiten auflösen. Die Verzögerungszeit lässt sich durch Variation der Schichtdicke sowie durch Materialwahl definieren. Typische Materialien für Quellmittel- bzw. Diffusionsbarrieren sind Saccharide.

Ein erster Vorteil von Hydrogelen gegenüber anderen Wandlern besteht in der enormen Vielfalt von aktiven Funktio-

nen, die mit ihnen realisierbar sind. Sie können als aktive fluidische Elemente in Form von Schaltelementen, fluidischen Antrieben, Aufnahme- sowie Abgabesystemen von Wirk- und anderen Stoffen, aber auch zum Einschließen / Fixieren bzw. Freigeben von Objekten (z. B. durch Gelieren oder Auflösen) Verwendung finden. Ein weiterer Vorteil dieser Effektträger ist ihre einfache Herstellbarkeit. Hydrogele als Kunststoffe sind mit den für diese Stoffklasse typischen Verfahren realisierbar. Da die meisten Funktionselemente auch gleiche oder ähnliche Grundstrukturen besitzen, lassen sich die aktiven Hydrogelele- mente mit einem oder nur wenigen zusätzlichen Fertigungsschritten direkt auf den Kanalstrukturträgern herstellen.

Wege zur Ausführung der Erfindung

Die Erfindung soll anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert werden, wobei den verwendeten Bezugszeichen gleich bleibende Bedeutung zukommt. In den zugehörigen Zeichnungen zeigen:

Fig. 1 das Schaltbild des Kanalstrukturträgers eines automatischen hydrogelbasierten Mikrofluidik-Prozessors, der beispielsweise bei der Kontrolle von Bioreaktoren anhand des Expressionslevels ausgewählter Wachstumsmarker Anwendung finden kann,

Fig. 2 den prinzipiellen Aufbau eines automatischen Mikrofluidik-Prozessors in Schnittdarstellung,

Fig. 3a bis Fig. 3c die prinzipielle Funktionsweise eines zeit- und ereignisgesteuerten Ventils,

Fig. 4a bis Fig. 4c die prinzipielle Funktionsweise eines zeit- und ereignisgesteuerten Ventils auf Basis eines ther- moreversiblen physikalischen Polymernetzwerks,

Fig. 5a und Fig. 5b die Funktionsweise einer Wirkstoffabga- beeinheit auf Basis eines löslichen Elementes,

Fig. 6a und Fig. 6b die Funktionsweise eines Bauelementes, welches als Sperre eines Federkraftspeichers dient,

Fig. 7 ein mögliches Schaltbild eines LOC-Aufbaus für biochemische und medizinische Standardanwendungen, die auf Polymerase-Kettenreaktionen beruhen

Fig. 8 ein mögliches LOC-Schaltbild für biochemische und medizinische Standardanwendungen, die auf der Kulturmethode beruhen.

Anhand von Fig. 1 wird zunächst beispielhaft eine Prozedur erläutert, welche mit den erfindungsgemäßen Mikrofluidik- Prozessoren realisiert werden kann. Mit Fig. 2 wird ein mögliches Aufbauprinzip sowie einige Fertigungsmöglichkeiten vorgestellt und die prinzipielle Funktionsweise erläutert. Fig. 4 bis Fig. 6 verdeutlichen die Funktionsweise einiger automatischer aktiver Hydrogele- lemente . Fig. 7 demonstriert weitere typische Anwendungsfälle der erfindungsgemäßen LOC.

Das in Fig. 1 dargestellte Schaltbild einer LOC-Kanalstruk- turi ist für eine ganze Reihe von chemischen, biotechnologi- sehen und medizinischen Standardanwendungen geeignet. Seine Funktionalität wird anhand der Bestimmung der 'Enzym- aktivität (Laccaseaktivität) eines Bioreaktors erläutert. In zwei Pumpen Ia und Ib befinden sich 0,05M Malonatpuffer des pH 5,0. Eine wertere Pumpe Ic enthält eine als Substrat fungierende 2mM 2, 2 '-Azino-Bis (3-Ethylbenzothiazolin-6-Sul- fonsäure) (ABTS) -Lösung in einem 0,05M Malonatpuffer des pH 5,0. In einer anderen Pumpe Id befindet sich eine Probe eines Bioreaktorproduktes Laccase, welche z. B. dem laufenden Reaktorbetrieb entnommen wurde.

Durch gleichzeitiges Pumpen der Pumpen Ia und Ic sowie der Pumpen Ib und Id werden Puffer und Substrat (Pumpe Ia mit Pumpe Ic) sowie Puffer und Probe (Pumpe Ib mit Pumpe Id) durch Mischmäander 4a, 4b gemischt und auf Pumpen 2a bis 2f verteilt, wobei in den Pumpen 2a bis 2c jeweils ein Puffer- Probegemisch und in den Pumpen 2d bis 2f ein Puffer- Substratgemisch vorgelegt wird. Die Pumpen Ia-Id und 2a-2f können jeweils ausgangsseitig über nicht näher dargestellte Ventile verfügen, die bei Anliegen der Flüssigkeit (welches bei vollständig gefüllter Pumpenkammer der Fall ist) selbstständig schließen und später bei Einsetzen der Pumptätigkeit wieder öffnen.

Durch gleichzeitiges Betätigen der Pumpen: 2a und 2f (Mischungsverhältnis 2 : 1) 2b und 2e (Mischungsverhältnis 1 : 2) 2d und 2c (Mischungsverhältnis 1 : 1) werden Puffer-Substrat und Puffer-Probe durch weitere Mischmäander 4c bis 4e gemischt und in Reaktions- bzw. Analyseeinheiten 3a bis 3c transportiert. In diesen lässt sich die Enzymreaktion mit optischen Analysenmethoden verfolgen. Als einfachste optische Analyseeinheit kann ein nicht näher dargestellter lichtempfindlicher Widerstand (LDR - light dependent resistor) dienen, der eine einfache Ja-Nein- Antwort (Enzymaktivität vorhanden bzw. nicht vorhanden) gibt. Enzymkinetische Parameter lassen sich mit lichtspekt- roskopischen Methoden (z. B. UV-VIS Spektroskopie) ermitteln.

Die Basismedien wie Puffer und Substrat können in einem letzten Fertigungsschritt bei der LOC-Herstellung eingebracht werden. Nach vorschriftsmäßiger Lagerung braucht der Nutzer nur noch die Probe in das LOC einzubringen und die-

sen zu aktivieren. Die gesamte Prozedur läuft dann automatisch ab.

Durch Parallelisierung mehrerer solcher LOG kann eine kürzere Taktung der Enzymaktivitätskontrolle, welche der Enzymproduktionskontrolle entspricht, erreicht werden.

Fig. 2 stellt eine mögliche LOC-Bauform dar. Der vierlagige Aufbau besteht aus einem Kanalstrukturträger 8, der von einer zumindest örtlich flexiblen Membran 9 abgedeckt wird. Darüber befindet sich der Aktorstrukturträger 10, welcher einen Großteil der aktiven Hydrogelelemente 14 enthält. über dem Aktorstrukturträger 10 befindet sich ein Strukturträger 11, welcher die Bauelemente 12, 15 trägt, mit denen die zeitliche Abfolge sowie das' Zeitverhalten der aktiven Hydrogelelemente 14 festgelegt werden.

Die Fertigung der erfindungsgemäßen Mikrofluidik-Prozesso- ren kann für die Strukturträger 8, 10, 11 mit den üblichen Verfahren der Massenfertigung von Kunststoffformteilen, wie Spritzguss, Heißäbformung oder ähnlichem erfolgen. Als Materialien eignen sich die für die Mikrofluidik üblichen, z. B. Polycarbonat (PC), Cycloolefine (COC) ' , Polyamide (PA) , Polyester (PES) , Polystyrol (PS) , Polyvinylchlorid (PVC), Polydimethylsiloxan (PDMS), Polymethylmethacrylat (PMMA) oder auch Polytetrafluorethylen (PTFE) . '

Zur Fertigung kleiner Serien, oder von Unikaten eignen sich Verfahren des Rapid Prototyping, z.B. das Fräsen der Kanalstrukturen. Eine recht einfache Variante zur Fertigung kleiner Serien ist das Mas,terabformen von PDMS. Dazu werden Negativstrukturen der Strukturträger 8, 10, 11 fotolitho- grafisch in Siliziumwafern erzeugt und diese anschließend mit Teflon durch Sputtern beschichtet, um eine gute Abform- barkeit zu erhalten. Danach wird das PDMS auf die Formen gebracht und für eine Stunde bei 100 0 C ausgehärtet.

Die flexiblen Membranen 9 lassen sich ebenfalls in PDMS durch Rotationsbeschichten herstellen. Die Schichtdicken können mit diesem Verfahren sehr gut zwischen ca. 15 μm bis 100 μm eingestellt werden. Folien der erforderlichen Dicken lassen sich aber auch kommerziell erwerben.

Die einzelnen Lagen des LOC können miteinander verklebt, verschweißt oder kraftschlüssig gefügt werden. PDMS- Formteile lassen sich beispielsweise nach einer Niederdruck-Sauerstoff-Plasma-Behandlung sehr gut mit PDMS als Klebstoff und anschließender Temperaturhärtung verkleben.

Die aktiven Hydrogelelemente 14 sind mit verschiedenen Verfahren herstellbar. Zum Strukturieren von Hydrogelschichten können die vernetzende Fotopolymerisation und die Fotovernetzung [A. Richter et al . , J. Microelectromech. Syst. 12 (2003)5, S. 748 - 753] verwendet werden ' . Weiterhin sind das Formgießen mit anschließender Polymerisation sowie das Erzeugen von Hydrogelpartikeln [K. -F. Arndt et al . , Polym. ädv. Technol. 11 (2000), S. 496 - 505] möglich.

Fig. 2 zeigt einen LOC-Ausschnitt mit zwei aktiven Hydroge- lelementen 14a, 14b, anhand dessen sich die prinzipielle Funktionsweise der erfindungsgemäßen LOC beschreiben lasst. Die Hydrogelelemente 14a, 14b verrichten ihre Aufgabe durch Expansion infolge Quellung in die Kanalstruktur des Strukturträgers 8. Das dazu notwendige Quellmittel nehmen sie über den Strukturträger 11 auf. Der Strukturträger 11 enthält Bauelemente, welche die Festlegung des zeitlichen Verhaltens der Hydrogelelemente 14 ermöglichen. Die Quellmittelbarrieren 15a, 15b bestimmen den Zeitpunkt, an dem das Quellmittel das Hydrogelelement 14 erreichen kann. Bestehen die Diffusionsbarrieren beispielsweise aus dem gleichen Material, wobei jedoch 15b dünner als 15a ist, so wird sich 15b schneller als 15a aufgelöst haben, und das

Hydrogelelement 14b fängt vor 14a an zu wirken. Die semipermeablen Wandungen 12a und 12b dienen den Hydrogelelementen 14 einerseits als festes Lager, andererseits lässt sich durch Variation des effektiven Zuleitungsquerschnittes auch die maximal mögliche Volumenexpansion der Elemente 14 pro Zeiteinheit definieren. Die Anordnung kann z.B. als Probeaufnahmeeinheit dienen. über die Seite des Elementes 14b kann die Pumpenkammer 13 mit Probenflüssigkeit gefüllt werden. Nach Ablauf einer bestimmten Füll'zeit ist die Diffusionsbarriere 15b aufgelöst, so dass das Quellmittel das Hydrogelelement 14b erreicht und dieses quillt. 14b verschließt die Kanalstruktur infolge der Auslenkung der Membran 9. Nach Auflösung der Barriere 15a verdrängt das Element 14a über die flexible Membran 9 die Flüssigkeit aus der Pumpenkammer 13 des Strukturträgers 8 in Richtung des unverschlossenen Ausgangs .

Neben der zu Fig. 2 erläuterten zeitlichen Steuerung kann die gesamte Aufgabensequenz des LOC oder einzelne Aufgaben auch ereignisbasiert aktiviert bzw. abgearbeitet werden. Dabei ist es möglich, dass einzelne Bauelemente mehrfach aktiviert werden müssen. Fig. 3 stellt beispielhaft ein Ventil vor, welches zunächst ereignis-, dann zeitgesteuert betätigt wird. Eine häufige Aufgabe ist es, eine Speicheroder Kanalstruktur eines LOC nach vollständiger Befüllung mit dem Prozessmedium zu verschließen. Erreicht das im Kanal 16 befindliche Medium den ungequollenen Hydrogelaktor 17a (Fig. 3a), so fängt dieser unter Aufnahme des Prossmediums an zu quellen, bis er die Kanalstruktur 16 vollständig verschlossen hat (gequollener Hydrogelaktor 17b in Fig. 3b) . Die Aufnahme des Prozeßmediums durch 17b infolge von dessen Quellung kann so rasch erfolgen, dass kein

Medium an dem Ventilsitz vorbeifließen kann. Der öffnungsprozeß des Ventils ist zeitgesteuert. Wie Fig. 3c illustriert, ist nach der voreingestellten Zeit die Sperrschicht 15 aufgelöst bzw. in ihrer Festigkeit so beeinträchtigt, dass sich die flexible Membran 9 am Ventilsitz ausbiegen und damit den Ventilsitz öffnen kann.

Adäquate Resultate lassen sich mit vielfältigen Mechanismen, welche auf der änderung des Quellungsgrades, der Festigkeit bzw. Viskosität oder der Vernetzungseigenschaften der Funktionselemente beruhen, erzielen. Selbstverständlich ist es auch möglich, dass bestimmte Bauelemente mehrfach nur zeit- oder nur ereignisabhängig' ausgelöst werden.

So lässt sich die in Fig. 3 geschilderte Bauelementefunkti- on auch mit dem in Fig. 4 dargestellten Funktionsprinzip realisieren. Als Material wird hier. ein thermoreversibles physikalisches Polymernetzwerk genutzt, während als den öffnungsvorgang auslösende Größe die Temperatur dient.

Wenn das Prozeßmedium 19 innerhalb des Kanals 16 auf den ungequollenen Hydrogelaktor 17a (siehe Fig. 4a) trifft, dann quillt dieser unter Aufnahme des Prozeßmediums 19 so lange, bis er den Kanal 16 vollständig verschließt (Fig. 4b) . Nach Erreichen einer bestimmten Temperatur (dies kann ereignis- oder zeitabhängig realisiert werden) entnetzt das physikalische Polymernetzwerk und löst sich auf (17c in Fig. 4c) . Damit ist der Kanal 16 freigeschalten und das Medium kann weiter transportiert werden. Diese Temperatur kann unter Umständen auch durch Fieber oder Entzündungen hervorgerufen werden.

Fig. 5 stellt eine Einrichtung, vor, die Wirkstoffe abgeben kann. In einer Kammer des Strukturträgers 8 befindet sich ein Wirkstoff 20, welcher in einer Matrix aus geliertem

Hydrogel 17d eingeschlossen ist (Fig. 5a) . Kanalstrukturträger 8 und die Kammer mit 17d und 20 wird durch eine elastische Folie abgedeckt, die über der Kammer vorgespannt ist und deshalb als Federkraftspeicher dient. Das gelierte Hydrogel 17d mag thermoreversibel sein. Der Wirkstoff 20 wird dann freigesetzt, wenn die Geliertemperatur des Hydro- gels erreicht wird und dieses sich auflöst (17c in Fig. 5b) . Durch Auflösen des mechanischen Widerstandes entlädt sich der Federkraftspeicher 21 und drückt die gelösten Substanzen durch den Auslass 6 aus der Kammer.

Fig. 6 zeigt, dass auch eine Aktivierung von Federkraftspeichern durch eine Programmiereinheit 11 einfach möglich ist. Ein vorgespannter, Federkraftspeicher 21 wird in dieser Stellung durch eine Sperrschicht 15 arretiert (Fig. 6a) . Wird die Sperrschicht 15 durch Lösungsmittelgegenwart aufgelöst oder in ihrer Festigkeit vermindert, kann sich der Federkraftspeicher entladen, indem er in die Kammer 13 einlenkt und das dort befindliche Medium verdrängt (Fig. 6b) .

Die Zeit-, aber auch ereignisabhängige Steuerung der LOC- Prozesse kann neben' der Quellmittelgegenwart auch durch änderung der Umgebungs- bzw. LOC-Temperatur erfolgen.

So kann z.B. die steuernd wirkende Temperatur stetig mit einer definierten Heizrate erhöht werden. Verfügen die einzelnen Bauelemente über verschiedene Aktivierungstemperaturen (z.B. Geliertemperatur, Phasenübergangstemperatur), werden diese in einer entsprechenden temperaturgestaffelten Reihenfolge aktiviert. Darüber hinaus lässt sich mit entsprechender Einstellung der Temperatur auch die Kinetik im Sinne der Geschwindigkeit, mit der die eigenschaftsverän- dernden Prozesse ablaufen, beeinflussen.

Da die Variation der Aktivierungstemperaturen der einzelnen

Bauelemente unter Umständen zu einer unerwünscht hohen Materialvielfalt führt, kann die Reihenfolge von Bauelementen mit gleicher Aktivierungstemperatur durch eine entsprechende thermische Dimensionierung des LOC-Aufbaus erfolgen, indem als Vorwiderstände wirkende Wärmewiderstände (Variation der Wärmeleitfähigkeit, der Materialdicke usw.) sowie die Wärmekapazitäten festgelegt werden. Dabei werden die Bauelemente, welche mit einem vergleichsweise geringen Wärmewiderstand versehen sind, zuerst ausgelöst, da sie ihre Aktivierungstemperaturen zuerst erreichen.

Eine ereignisabhängige Temperatursteuerung des LOC bzw. bestimmter Funktionen empfiehlt sich dann, wenn ohnehin temperierende Geräte benutzt werden müssen, wie dies beispielsweise bei den Polymerasekettenreaktionen (PCR - Polymerase chain reaction) der Fall ist. Nach Abschluß der PCR können so die erforderlichen Bauelemente mit einer kurzen Heizleistungserhöhung durch die PCR-Temperiereinheit angesteuert werden. Solche Geräte können beispielsweise entsprechend modifizierte PCR-Thermogeräte, Thermostaten, Thermocycler, Wärmeschränke oder Wärmebäder sein, die zum Realisieren vorgegebener Temperaturprogramme befähigt sind.

In der Medizin und mit anderer Wichtung in der Biochemie gibt es vier diagnostisch-analytische Schwerpunkte: Blutchemie, Antigen-Antikörper-Reaktionen, Nukleinsäure- Verstärkungstests und die Zytometrie. Nukleinsäureverstär- kungstests wie die, PCR sind im Regelfall hinsichtlich Sensitivität und Selektivität den beiden anderen verbreite- ten Möglichkeiten zur Identifikation von Mikroorganismen, Immunoassays und Kulturmethoden, überlegen. Die beiden Letztgenannten sind aber viel einfacher zu realisieren und damit für die Erfindung besonders interessant. Im folgenden wird zunächst ein PCR-basiertes LOC, danach ein LOC nach

der Kulturmethode vorgestellt.

Fig. 7 zeigt das Schaltbild eines LOC-Aufbaus für biochemische und medizinische Standardanwendungen, die auf PoIy- merasekettenreaktionen beruhen. Für die

Polymerasekettenreaktion wird ein Mastermix, eine Templat- DNA für die Kontrollreaktion (Templat-DNAl) und eine Templat-DNA für die eigentliche PCR-Reaktion (Templat-DNA2 ) vorgelegt .

Der Mastermix kann beispielsweise folgende Zusammensetzung besitzen:

- 4μl 1Ox Puffer mit 25mM MgSO 4 (IOx Pfu-

Polymerasereaktionspuffer, Fermentas Life Science) 0,2μl Forward Primer (FP) Endkonzentration iμM 0,2μl Reverse Primer (RP) Endkonzentration lμM 3,2μl dNTP (Desoxyribonucleosid Triphosphat Mischung; Fermentas Life Science) Endkonzentration 0,4mM each 0,8μl Pfu-DNA-Polymerase (2,5 U/μl; Fermentas Life Science) und ll,6μl H 2 O {molecular biology grade) .

Bei Bedarf kann das H 2 O auch anteilig durch Zusätze wie DMSO, Glycerin u.a. (z.B. bei hohem GC-Gehalt) substituiert werden.

Für mehrfache Anwendungen werden die Volumenangaben für den Mastermix mit der Anzahl der Anwendungen multipliziert. Der so vorbereitete Mastermix kann in einem gekühlten Vorratsgefäß (4 0 C) außerhalb des LOCs bereitgestellt werden. Gleiches gilt für die Templat-DNA' s .

Die Pumpen If und Ig werden mit jeweils lOμl eines Master- mixes beladen. In Pumpe Ih befinden sich lOμl Templat-DNAl (Plasmid, ca. lOOng in H 2 O - molecular biology grade) für die PCR-Kontrollreaktion. Pumpe Ie enthält lOμl Templat- DNA2 (Plasmid, ca. lOOng in H 2 O - molecular biology grade)

für die PCR- Reaktion .

Durch gleichzeitiges Pumpen der Pumpen Ie, If, Ig, Ih I "' werden 10μl Mastermix mit lOμl Templat-DNAl (Pumpe Ih mit Pumpe Ig) und lOμl Mastermix mit lOμl Templat-DNA2 (Pumpe Ie mit Pumpe If) durch die Mischmäander 4f und 4g gemischt und nach öffnen der Hydrogelventile 22a und .22b zu PCR- Kammern 23a bzw. 23b transportiert. In den Kammern 23a und 23b finden die Polymerasekettenreaktionen statt, wobei die Temperaturprogramme von einem externen Thermocycler realisiert werden können. Ein mögliches PCR-Temperaturprogramm kann wie folgt ablaufen:

5min bei 94 0 C (initiale Templat-Denaturierung) - 30 Zyklen mit jeweils 30s bei 94 0 C (Templat- Denaturierung) und 30s bei 55°C (Primer-Annealing) 4min bei 72°C (Primer-Elongation) .

Abschließend erfolgt eine Inkubation von 5min bei 72 0 C zum vervollständigen der Primer—Elongation.

Nach der PCR werden durch gleichzeitiges Pumpen der Pumpen Ie bis Ih und öffnen der Hydrogelventile 22c und 22d die PCR-Produkte in Gelelektrophoresekammern 24a, 24b (meist Agarosegelelektrophorese) transportiert, wobei auf das Gel von 24a die PCR-Produkte der Kontrollreaktion und auf das Gel von 24b die PCR-Produkte der eigentlichen PCR aufgetragen werden.

Wahlweise können die PCR-Produkte auch an dem Ausgang 10a bzw. Ausgang 10b zur externen Weiterverarbeitung entnommen werden.

Durch Anlegen einer Spannung (Feldstärke 10 V/cm) werden die PCR-Produkte in den Kammern 24a bzw. 24b elektropho- retisch getrennt und können an dem Ausgang 10c bzw. Ausgang 10d z.B. für die externe Fluoreszenzanalyse bereitgestellt

werden. 11 bezeichnet wiederum die Eingänge zu den Pumpen- kammern Ie - Ih.

Durch die Anpassung der Masterrαixzusammensetzung (mehrere Primer) und der Templat-DNA (Proben-DNA) lässt sich dieser

I prinzipielle Aufbau auf vielfältige DNA-Analysemethoden übertragen. Es sind alle Anwendungen, z.B. DNA-Fingerprint (Vaterschaftstest), Virenanalyse u.a, die auf dem Prinzip der PCR-DNA-Analyse basieren, auf einem LOC realisierbar.

Durch die Anpassung der Architektur (z.B. zusätzliche Pumpen, Misehkämmern, Reaktionskammern usw.) können auch komplexere Abläufe, wie sie zum Beispiel für die Reverse Tran- skriptase - PCR (RT-PCR) benötigt werden, auf einem LOC realisiert werden. Dazu ist lediglich ein RT-Mastermix zusammenstellen und ein weiteres Temperaturprogramm vor der PCR zu integrieren (two-step RT-PCR-Methode) . Alternativ kann selbstverständlich auch der in Figur 5 beschriebene Aufbau mit einer one-step RT-PCR-Methode Verwendung finden.

Die prinzipielle Zusammensetzung eines RT-Mastermix für eine two-step RT-PCR-Methode zeigt folgendes Beispiel:

Total RNA oder mRNA (prokaryontisch oder eukaryon- tisch) mit der Targetsequenz Reverse Transkriptase (n)

- dNTPs (vgl. PCR) t oligo (dT) -Primer (alternativ: sequenzspezifische- oder random-hexamer Primer) und

- , RNase-Inhibitor in dem zugehörigen Transkriptasepuf- fer.

Die cDNA-Synthese findet bei 37 0 C bis 50 0 C statt.

Fig. 8 zeigt einen LOC-Aufbau, mit dem in einfacher Weise nach der Kulturmethode Mikroorganismen einfach identifiziert oder ausgeschlossen werden können. Ein Abstrichstab

wird über den Probenkanal 28 in die sterile Probenaufnahmekammer 27 gesteckt. Dort wird das Abstrichgut abgestreift, so dass vorhandene Mikroorganismen in 27 verbleiben. Gleichzeitig wird durch einen nicht näher dargestellten Mechanismus die Pumpe 25 aktiviert, so dass das Kulturmedium über den Kanal 26 unter Mitnahme des Abstrichgutes in die Analysekämmern 29a bis 29c strömt. In den Analysenkammern 29 befinden sich selektive Kulturmedien, die das Wachstum bestimmter Organismen fördern bzw. hemmen oder sich aufgrund ihrer Zusammensetzung in Abhängigkeit der darauf wachsenden Mikroorganismen ihre Eigenschaften ändern (z.B. färben) . Nach einer festgelegten Zeit sind bei einem positiven Test gewachsene Kulturen bzw. Einfärbungen sichtbar, die der Benutzer ablesen kann. Die Beschriftung 30 dient dem Nutzer zur eindeutigen Zuordnung des Analyseergebnisses .

Ein entsprechendes Resultat kann auch mit Antigen- Antikörper-Reaktionen, durch spezifische Enzyme oder mit anderen molekularspezifischen Reaktionen erzielt werden.

Anwendungsgebiete in der Medizin ist z.B. Abstriche zur Differenzierung von Pilz- und Bakterieninfektionen. Eine erweiterte Differenzierung ist beispielsweise sinnvoll bei bei häufig auftretenden Krankheitsklassen wie sexuell über- tagbare Krankheiten STI (sexually transmitted infections) wie Gonorrhoe {Neisserϊa gonorrhoeae) , Syphilis (Treponema pallidum) , Ulcus molle {Haemophilus ducreyi) ' , Chlamydien (Chlamydia trachomatis) oder regional typischen Krankheiten (z.B. Malaria, Hepatitis, HIV, Typhus, Masern, Influenza, Denguefieber) . Im Bereich Hygiene lässt sich z.B. Escherichia coli in Toiletten, Krankenhausbetten, Duschen usw. nachweisen. Auch mikrobielle Belastungen von Lebensmitteln und Umwelt, beispielsweise Legionellen (Legionella pneu-

mophila) im Trinkwasser oder Salmonellen in Lebensmitteln, lassen sich mit den LOC einfach nachweisen.

Die geschilderten Beispiele repräsentieren eine Vielzahl möglicher weiterer Anwendungen der erfindungsgemäßen Mikro- fluidik-Prozessoren. Durch die Anpassung der Prozessor-Architektur (z.B. zusätzliche Pumpen, Mischkammern, Reaktionskammern usw.) können auch komplexere Abläufe auf einem LOC realisiert werden. Es lassen sich vielfältige Pipettier- und Analyseaufgaben miniaturisieren und automatisieren, was nicht nur eine deutliche Kosten- und Zeitreduktion bewirkt, sondern auch die Prozessqualität z. B. durch Vermindern des Pipettierfehlers deutlich verbessert. Die LOC sind bevorzugt für einmalige (Wegwerfartikel) Prozeduren geeignet, können bei entsprechender Ausführung, aber auch für kontinuierliche oder online-Aufgaben verwendet werden. Durch die Miniaturisierung und Automatisierung ist ein ' mobiler, (energie-) autarker und ortsunabhängiger Einsatz der LOCs möglich. Bei gut beobachtbaren Eigenschaftsänderungen werden auch keine zusätzlichen Analyse- bzw. Leseeinheiten benötigt.

Im Bereich Biotechnologie sind sie beispielsweise für die Enzymreaktor- bzw. ' Bioreaktorüberwachung u.a. für Prokary- onten,. Eukaryonten, Hefen und Pilze geeignet. Es ist ein Rapid-Screening der Aktivität von Enzymen unterschiedlicher Enzymklassen realisierbar. Durch Kombination mehrerer LOCs kann ein'Multi Rapid Screening ermöglicht werden.

In der Umwelt- bzw. Wasseranalytik lassen sich z. B. Mikroorganismenanalysen durch die Ermittlung und Zuordnung eines Aktivitätsprofils, aber auch Sehnelltests zum Ermitteln der Wasserqualität [CSB (chemischer Sauerstoffbedarf) , BSB (biologischer Sauerstoffbedarf) , Schwermetalle, Nitrat, Nitrit usw.] realisieren.

Im medizintechnischen Bereich lässt sich die erfindungsgemäße LOC-Technologie beispielsweise zur Zellkulturkontrolle (Eukaryonten, humane. Zelllinien u.a.) durch Viabilitätstests [z.B. WST-I- und MTT- Test (Umwandlung eines Tetrazoliumsalzes in Formazan, z.B. 4- [3- (4-Jodphenyl) - 2- (4-Nitrophenyl) -2H-5-Tetrazolium] -1, 3-Benzendisulfonat ) oder LDH-Test (Laktatdehydrogenase- Test)] usw. einsetzen.

Damit ist eine Zellgüte-, Chargen- und Passagenkontrolle für humane Zelllinien u.a. möglich.

Auch Auf-Chip-Bluttests zum Ermitteln eines Teils der wichtigsten Blutbildparameter, z.B. Blutzucker, pH-Wert, Laktat, Mineralien, Creatin, Hormone, Enzyme, Leukocyten, Erythrozyten u.a., Krankheitsmarker, der Nachweis von Re- aktiv-Oxigeh-Toxischen-Substanzen (ROTS- oxidativer Stress) u.s.w. sind realisierbar. Bei Urin- und Fäkaltests können z.B. Blut-, Zucker-, Leukozyten- und Proteingegenwart untersucht werden.

Bezugszeichenliste

1, Ia-Ih Pumpeinheit zur Flüssigkeitsaufnahme

2, 2a-2f Pumpeinheit zur Variation von Mischverhältnissen

3, 3a-3c Reaktions- bzw. Analyseeinheiten

4, 4a-.4g Mischmäander

5, 5a-5c Ventileinhe.it

6, 6a-6d Ausgang/ Auslass

7 Eingang/ Einlass

8 Kanalstrukturträger

9 ' flexible Membran

10 Aktorstrukturträger

11 Strukturträger der Programmiereinheit 12, 12a-12b Semipermeable Wandung

13 Pumpenkammer

14, 14a-14b aktives Hydrogelelement ,'

15, 15a-15b Quellmittel- bzw. Diffusionsbarriere,

Sperrschicht 1 ' 6 Kanal im Kanalstrukturträger

17 Hydrogelaktor

17a ungequollener Hydrogelaktor

17b gequollener Hydrogelaktor

17c aufgelöster Hydrogelaktor

17d gelierter Hydrogelaktor

18 , Abdeckung

19 Prozessmedium

20 Wirkstoff

21 Federkraftspeicher

22, 22a-22d Hydrogelventil

23, 23a, 23b PCR-Kammer

24, 24a, 24b Gelelektrophoresekammer

25 Pumpenkammer mit Kulturmedium

26 Kanal

27 sterile Probenaufnahmekairaner mit Abstreifmechanismus und Ausloser 28 Probenkanal

29a, 29b, 29c Analysenkammer mit Selektionsmedium 30 Beschriftung