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Title:
METHOD FOR STABILIZING TECHNICAL PROCESSES
Document Type and Number:
WIPO Patent Application WO/2005/071504
Kind Code:
A2
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Inventors:
OTTE RALF (DE)
MUELLER HARTMUT (DE)
Application Number:
PCT/CH2005/000013
Publication Date:
August 04, 2005
Filing Date:
January 14, 2005
Export Citation:
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Assignee:
GLOBAL SCALING TECHNOLOGIES AG (CH)
OTTE RALF (DE)
MUELLER HARTMUT (DE)
International Classes:
G05B5/01; G05B13/02; G05B13/04; (IPC1-7): G05B13/04
Other References:
Keine Recherche
Attorney, Agent or Firm:
BÜHLER AG (Uzwil, CH)
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Claims:
Patentansprüche
1. Verfahren zur Stabilisierung von technischen Prozessen, gekennzeichnet durch die nachstehenden Schritte: a) Aufnahme und Auswahl der Daten und Aufbereitung der Daten, b) GS Analyse des Zielwertes innerhalb des vorgegebenen Toleranzbandes c) Automatische Prozessmodellierung und Sensitivitätsanalyse zur Bestimmung der für die gewählten Zielgrössen Vj wichtigsten Einflussgrössen Xj, d) Auswahl der im Toleranzband GS optimalen Zielgrössenwerte und Rück¬ rechnung auf die dazugehörigen Eingangsgrössenwerte, Nennwerte, aller Einflussgrössen durch gängige Optimierungsverfahren e) GS Analyse der unter d) berechneten Nennwerte der Einflussgrössen und f) Wiederholung der Verfahrensschritte d) und e) bis zu einem GS optimalen Zielgrössenwert aus dem vorgegebenen Toleranzband alle wichtigen GS op¬ timalen Nennwerte der Einflussgrössen und Stellgrössen gefunden wurden g) Ausgabe der GS optimalen Stellgrössen an den Prozess .
2. Verfahren zur Stabilisierung von technischen Prozessen, dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Zielgrössen gleichzeitig und zusammenhängend nach Global Sca ling (GS) optimiert werden, indem die ausgewählten Zielgrössen durch eine belie¬ bige mathematische Funktion miteinander verknüpft werden und die resultierende Gütefunktion (G) GSoptimiert wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, bei dem alle für die Optimierung relevanten Grossen durch eine Analyse auf Grundlage von Global Scaling Verfahren hinsichtlich Flexi¬ bilität und Stabilität optimiert werden, indem eine Global Scaling Analyse von Da¬ ten der relevanten Parameter und die dazugehörigen Zielgrössen realisiert wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Prozess selbst optimiert wird.
5. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Produkte die durch einen Prozess hergestellt werden optimiert werden.
6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche 2 bis 5, dadurch gekenn¬ zeichnet, dass zur GS Optimierung einer Zielgrösse auch die Einflussgrössen des Prozesses einer GS Analyse und Optimierung unterzogen werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass Pro¬ zesse resp. Produkte des Maschinenbaus oder der chemischen Industrie stabili¬ siert bzw. optimiert werden.
Description:
Verfahren zur Stabilisierung von technischen Prozessen

Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Stabilisierung von technischen Prozes¬ sen resp. technischen Anlagen und ist geeignet zur Stabilisierung einer Verfahrens- und fertigungstechnischen Anlage.

Es ist allgemein bekannt, für die Qualitätsgrössen eines Prozesses Toleranzbänder vor¬ zugeben, in denen ein Produktionsprozess ein gewünschtes Produkt produzieren soll.

Weiterhin ist bekannt, wichtige Qualitätsgrössen eines Prozesses durch Anwendung mathematischer, Statistischer oder neuronaler Algorithmen zu modellieren und vorher¬ zusagen, um damit im voraus die Auswirkungen von Stellgrössenveränderungen auf den Produktionsprozess zu simulieren und nur bei gewünschten Resultaten für die Qua¬ litätsgrössen die Einstellungen am Prozess real durchzuführen.

Es ist ebenso bekannt, mittels spezieller mathematischer Optimierungsverfahren, die optimalen Werte der wichtigsten Einflussgrössen für einen vorgegebenen Qualitätsziel¬ wertes zu berechnen, siehe E. Schöneburg et al., Genetische Algorithmen und Evoluti¬ onsstrategien, Addison-Wesley, Deutschland, 1994, S. 286-291 und S. 366-378 und US 6.314.413 B1.

Dennoch gibt es in technischen Prozessen sehr häufig Fälle, wo der vorgegebene nu¬ merische Qualitätswert der Zielgrösse nur mit sehr grossen Aufwand oder auch gar nicht stabil realisiert werden kann, da der Produktionsprozess und mit ihm die Einfluss¬ grössen stets gewissen Schwankungen bzw. Störungen unterliegen. Deshalb gibt es sehr viele Produktionsprozesse bei dem das zu produzierende Produkt nicht mit ausrei¬ chender Stabilität in der vorgegebenen Qualität hergestellt werden kann.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Stabilisierung von techni¬ schen Prozessen anzugeben, das für die Qualitätsmerkmale eines technischen Produk¬ tes innerhalb der vorgegebenen Toleranzgrenzen denjenigen numerischen Zielwert vorgeben kann, bei dem dieses Produkt maximal stabil (oder auch flexibel) produziert wird und für den zusätzlich alle einzustellenden Werte der jeweiligen Stellgrössen vor¬ geben werden können.

Diese Aufgabe wird gelöst durch ein im Anspruch 1 angegebenes Verfahren zur Opti¬ mierung der Produktion, bei dem mittels einer Global Scaling Kettenbruchanalyse die superflexiblen und superstabilen Werte der Qualitäts- und Einflussgrössen berechnet und dem Produktionsprozess vorgegeben werden können.

Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in weiteren Ansprüchen angegeben.

Global Scaling (GS) ist ein eingeführter physikalischer Begriff, der verdeutlicht, dass die Verhältnisse physikalischer Grossen wie Massen, Temperaturen, Gewichte bei realen Systemen grösseninvariant sind und sich regelmässig logarithmisch wiederholen, siehe H. Müller, Global Scaling, Special 1 , Ehlers Verlag 2001 , S. 161/162.

Erstmals aufgezeigt wurde dieser grösseninvariante Zusammenhang in biologischen Prozessen von Cislenko, der die Verteilung der Artenvielfalt der Flora und Fauna in Ab¬ hängigkeit ihrer Grosse und des Gewichtes über eine logarithmische Gerade darstellte, siehe L. Cislenko, Die Struktur der Fauna und Flora im Zusammenhang mit der Körper- grösse der Organismen, Moskau, 1981 , S. 89-98. Dabei wurde gezeigt, dass die biolo¬ gischen Systeme nicht beliebig auf der logarithmischen Grössenachse verteilt sind, sondern ihr Vorkommen in stets gleichen periodischen Abständen auf der logarithmi¬ schen Geraden ihr Maximum bzw. Minimum haben. In technischen Systemen äussert sich dieser Zusammenhang darin, dass in einem technischen Prozess niemals alle durch den Prozess möglichen Prozesswerte gleichwahrscheinlich eingenommen wer¬ den können.

Betrachtet man das Histogramm einer beliebigen technischen Messgrösse eines Inter¬ valls Zu bis Z 0 ungeglättet, so erkennt man neben der prozessabhängigen Hauptstruktur

des aufgenommenen Histogrammes, z.B. einer Gauss-, Poisson- oder Gleichvertei¬ lung, dass in der Feinstruktur dieses Histogrammes gewisse Messwerte häufiger auftre¬ ten, andere weniger häufiger. Mit bisher bestehenden Verfahren werden diese Uneben¬ heiten weggefiltert, da sie als zufällige Störungen interpretiert werden. In der GS- Theorie gelten diese verschiedenen Ausprägungen einer Messgrösse als wesentlich, da sie reproduzierbar sind.

Mit Hilfe des GS lassen sich damit insbesondere diejenigen physikalischen Werte be¬ rechnen, die durch technische Prozesse bevorzugt eingenommen werden, denn nach GS können die von einem technischen oder natürlichen Prozess bevorzugten Werte durch eine Kettenbruchzerlegung nach Leonard Euler, Über Kettenbrüche, 1737, Leo¬ nard Euler, Über Schwingungen einer Saite, 1748, L. Euler, Leonhard Euler und Chris¬ tian Goldbach: Briefwechsel 1729 - 1764 (eds.: A. P. Juskevic, E. Winter), Abh. Deut¬ sche Akad. Wiss. Berlin, Akademie-Verlag 1965, ermittelt werden, denn nach Euler ist bekannt, dass jede reelle Zahl x durch ihren Kettenbruch entsprechend Gleichung (1) dargestellt werden kann:

x = n o + z / (ni + z / (n 2 + z / (n3 + z / (n4 + z / (n 5 + ..) )))) (1)

Die Grosse z stellt dabei den sog. Teilzähler dar, dessen Wert nach GS für technische Optimierungen auf den Wert 2 festgelegt wird.

Da die Skaleninvarianz in logarithmischen Massstäben auftritt, siehe Cislenko, werden im GS-Verfahren alle Analysen von zur Basis e logarithmierten Grossen durchgeführt. Damit entsteht Gleichung (2)

ln x = n o + 2 / (ni + 2 / (n2 + 2 / (n3 + 2 / (n 4 + 2 / (n5 + ..) )))) (2)

Die jeweiligen Zahlenwerte hängen von den zugrundeliegenden Masseinheiten ab, deshalb sind in GS für alle gängigen Masse sog. Eichmasse y eingeführt, zu denen die auszuwertenden Grossen ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Dadurch entsteht die Gleichung (3) als spezielle Grundgleichung des GS, siehe H. Müller, Global Scaling, Special 1 , Ehlers Verlag 2001 , S. 157:

In (x/y) = n 0 + 2 / (m + 2 / (n 2 + 2 / (n 3 + 2 / (n 4 + 2 / (n 5 + ..) )))) (3)

In Anwendungen von GS wird diese Grundgleichung (3) durch einen Winkel φ erweitert, mit φ = 0 bzw. φ = 3/2, um den das logarithmische Verhältnis In (x/y) vor einer Ketten- bruchzerlegung verschobenen werden kann.

Dadurch entsteht die allgemeine Grundgleichung (4) des Global Scaling, nach der jede beliebige technische Messgrösse x zerlegt werden kann:

In (x/y) - φ = n 0 + 2 / (n-, + 2 / (n 2 + 2 / (n 3 + 2 / (n 4 + 2 / (n 5 + ..) )))) (4)

mit x ist die technische Messgrösse, gemessen in ihrer jeweiligen Einheit, y ist das na¬ türliche Eichmass dieser Grosse, und φ= 0 bzw. φ= 3/2.

Die Koeffizienten [no,n-ι,n2... ] müssen aufgrund der Konvergenzbedingung für Ketten¬ brüche ihrem absoluten Betrag nach stets grösser als der Zähler sein, siehe O. Perron, Die Lehre von den Kettenbrüchen, Teubner Verlag Leipzig, 1950, S. 62 und sind stets durch 3 teilbare ganze Zahlen.

Diese Koeffizienten entscheiden über die charakteristischen Eigenschaften der Mess¬ grösse x, deshalb stellen sie einen sog. Kettenbruch-Code dar. Messgrössen deren Kettenbruchzerlegung nur einen Wert für [no] ergibt, befinden sich in einem Hauptkno¬ ten (Knoten der Ebene n 0 ), Messgrössen mit Werten von [n 0 , n-i] in einem Subknoten der Ebene ni usw. Kernbereich eines Knotens nι ist der Bereich in unmittelbarer Nähe eines Knotens, d.h. Subknoten nj liegt im Bereich -9 bis 9, mit j=i+1. Nach der GS- Theorie sind nun folgende physikalischen Eigenschaften in Abhängigkeit des Ketten¬ bruch-Codes [no, ni, n 2 , n 3 ...] bekannt:

Damit kann für jede beliebige technische Messgrösse nach einer GS-Analyse erkannt werden, ob diese Grosse stabil ist, grossen Schwankungen unterliegt, flexibel auf Stö¬ rungen reagiert oder in einem Bereich relativer Fluktuationsarmut ist. Alle weiteren Kombinationen ergeben sich aus diesen Überlegungen.

Beim erfindungsgemässen Verfahren wird das Ziel verfolgt, nicht nur die optimalen Werte des Produktes, z.B. das Drehmoment eines Maschinenteils, die optimale Glanz¬ charakteristik eines Lackes oder die optimale Haftung eines Reifens zu ermitteln, son¬ dern gleichzeitig diejenigen Werte der Einflussgrössen zu berechnen, die letztendlich zu dem jeweiligen Produktwert führen und die gleichzeitig einen besonders robusten, stabi¬ len bzw. flexiblen Produktionsprozess bedingen.

Die Aufgabe wird erfindungsgemäss mit folgenden Verfahrensschritten gelöst:

1. Bestimmung der vorhandenen Qualitätsgrössen und ihrer zulässigen Toleranzen (Eingabe der Toleranzen für Zielgrössen)

2. Global Scaling Analyse innerhalb der vorgegebenen Toleranzen für jede Quali- tätsgrösse zum Ermitteln aller GS-optimalen Werte dieser Qualitätsgrösse

3. Aufnahme der Prozessdaten

4. Prozessmodellierung und Sensitivitätsanalyse der vorhandenen Einflüsse zur Er¬ mittlung der lokalen Prozesseinflüsse, die letztendlich zur Produktion mit diesem

Qualitätswert geführt haben und damit zur Bestimmung der wichtigsten Einfluss- grössen

5. Prozessoptimierung für den bzw. für alle vorgegebenen GS-optimalen Zielgrös- senwerte durch Rückrechnung auf die Werte der wichtigsten Einflussgrössen

6. Durchführung einer Global Scaling Analyse der wichtigsten Einflussgrössen für die Auswahl des GS optimalen Zielgrössenwertes, wenn es aus Produktsicht im vor¬ gegebenen Intervall mehrere gleichberechtigte GS-Werte für das Produkt gibt.

7. Bestimmung des optimalen Prozesszustandes und Rückrechnung der dazugehö¬ rigen Einflussgrössen, insbesondere der Stellgrössen (Auswahl des GS-optimalen Zielgrössenwertes)

8. Ausgabe der Stellgrössen an den Prozess und ggf. Rückkopplung zu Schritt 3 (und Rückrechnung)

Jeder einzelne Verfahrensschritt wird im weiteren detailliert am Beispiel der Herstellung von Scharnieren eines Automobilzulieferers an Hand einer Zeichnung beschrieben:

In der Zeichnung zeigen die:

Fig. 1 Gemessenes Drehmoment MD eines produzierten Scharnieres über die Zeit (Zeitachse in 10 Sekunden-Takt)

Fig. 2 Histogramm des Drehmomentes MD mit dem Messbereich O Nm bis 2,5 Nm auf der X-Achse

Fig. 3 Ein Histogramm des Drehmomentes MD mit dem Messbereich 1,0 Nm bis 1 ,5 NM auf der X-Achse

Fig. 4 Feinstruktur von Histogrammen zweier Produktionslinien für rechte und linke Scharniere, die 3 Tage lang zeitgleich produziert wurden a), Scharniere links MDL b) Scharniere rechts MDR

Fig. 5 Werkzeug GSC3000 zur GS-Analyse von physikalischen und technischen Grossen

Fig. 6 GS-Analyse des Drehmomentes (In Ncm) von Kfz-Scharnieren

Fig. 7 Histogramm der erzeugten Drehmomente im Bereich 0,87 bis 0,92 Nm

Fig. 8 Sensitivätsanalyse einer Scharnierproduktion (Sensitivity der Inputs zur Out¬ put-Variablen MD)

Fig. 9 Prozessoptimierung miteis Self-Organizing Maps durch automatische Rück¬ rechnung von der Zielgrösse MD auf die einzustsellenden Eingangswerte

Fig. 10 Darstellung von möglichen Eingangsgrössen für Scharniere mit Zielgrösse Drehmoment MD = 1 ,392 Nm

Fig. 11 Histogramm der Temperatur TW einer Produktionslinie für die Fertigung von Scharnieren

1. Aufnahme der Qualitätsgrössen und der zulässigen Toleranzen Die wesentliche Qualitätsgrösse eines Scharniers ist neben seinen geometrischen Ab- massen das sogenannte Drehmoment oder Schwenkmoment MD. Durch die Anwen¬ dungen des Scharniers im hier dargestellten Anwendungsfall muss das Drehmoment in einem engen Toleranzband, im dargestellten Beispiel 0,50 - 2 Nm, produziert werden. Welche Werte es innerhalb des Toleranzbands einnehmen soll, ist durch die Anwen¬ dung nicht explizit vorgegeben. Im vorliegenden Montageprozess ist durch eine 100%- Qualitätskontrolle nach der Montage für jedes einzelne Scharnier das Drehmoment MD ausgemessen worden und beispielhaft über einen Zeitraum von mehreren Tagen in Fig. 1 dargestellt:

Die Figuren 2 und 3 stellen das Histogramm des aufgenommenen Drehmomentes MD mit der Intervallbreite 1 Ncm einmal für den gesamten Messbereich von 0 -2,50 Nm und einmal für den Teilbereich 1 ,0 - 1 ,50 Nm dar.

Die Feinstruktur der Histogramme in beiden Darstellungen zeigt die unterschiedliche Ausprägung der realisierten Drehmomentwerte im realen Prozess. Beispielsweise wird der Wert 1 ,26 Nm (126 Ncm) im dargestellten Zeitraum 70 Mal, der Wert 1 ,27 Nm (127 Ncm) dagegen nur 30 Mal realisiert. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Extremwerte dieser Häufigkeitsverteilung:

Diese Feinstruktur ist kein Zufall, da sie sich bei jedem anderen Zeitraum in einer ähnli¬ chen Struktur stets reproduzieren lässt und für zeitgleich produzierte Scharniere sogar ähnlich ist wie Fig. 4 zeigt.

Man erkennt, dass für beide Produktionslinien eine Feinstruktur der Histogramme exis¬ tiert und diese eine gewisse Ähnlichkeit besitzen. Untersucht man die Produktionslinien über mehrere Monate so stellt man fest, dass es auf jeder Produktionslinie und an je¬ dem Tag Drehmomente gibt, die besonders häufig produziert werden und Drehmomen¬ te, die besonders selten produziert werden. Da die GS-Theorie genau eine solche Ver¬ teilung und Histogrammstruktur von physikalischen und technischen Messgrössen vor¬ aussagt und sich die Produktionslinien von Scharnieren damit GS-konform verhalten, wird eine GS-Optimierung durchgeführt, um eine GS-optimale Produktionslinie aufzu¬ bauen.

Im weiteren wird beispielhaft die GS-Analyse des Drehmomentes beschrieben, um die stabilen bzw. flexiblen Drehmomentenwerte zu berechnen.

2. Global Scaling Analyse der Zielgrösse Drehmoment

2.1. Kettenbruchzerlegung des Drehmomentes

Gegeben ist ein Drehmoment MD in einem Toleranzbereich zwischen 50 Ncm und 200

Ncm. Gesucht ist der nach GS-optimale Wert innerhalb des Toleranzbereiches. Das

Eichmass y für das Drehmoment ist 1 ,503277E- 1 O Nm = Protonenmasse * c 2 , siehe

Absatz Eichmasse in H. Müller, Global Scaling, Speciali , Ehlers Verlag 2001 , S. 129.

Nach Gleichung (4) mit φ = 3/2 ergibt sich eine Kettenbruchzerlegung und die Berech¬ nung der Koeffizienten n 0 , n-i, n 2 usw. Der Wertebereich 50 Ncm - 200 Ncm entspricht dem Knotenbereich [24+1], also 50 Ncm = [24; -3] und 200 Ncm = [24; +3].

Die Berechnung der Drehmomentenwerte durch Kettenbrüche nach Gleichung (4) wur¬ de beispielhaft mit dem Werkzeug GSC3000 des Institutes für Raum-Energie- Forschung, München (IREF) durchgeführt und ist in Fig. 5 exemplarisch für den Dreh¬ momentwert MD = 1,27 Nm dargestellt.

Die lineare Mitte des Toleranzbereiches 0,5 Nm und 200 Nm und vorgegebene Ziel- grösse einer Steuerung für MD ist 125 Ncm = [24; +6, -3, +3, ...] was die Dominanz des Wertes 125 Ncm erklärt. Der Wert 127 Ncm ist nach GS gleich [24; +6, -5]. In den Randbereichen [24; -3] bzw. [24; +3] bzw. in den Sublücken, z.B. zwischen [24; +5] = 133 Ncm und [24; +4] = 146 Ncm, sind die Fluktuationen minimal ausgeprägt. Maximale Fluktuationen sind innerhalb des Kernbereichs von [24; -10] = 73 Ncm bis [24; +10] = 109 Ncm zu erwarten.

Die graphische Darstellung in Fig. 6 der Drehmomentwerte in Abhängigkeit von no und ni und der Phase φ verdeutlicht die Zusammenhänge für die Werte φ = 0 bzw. φ = 3/2, n o =24 und ni =-3 bis -∞ bzw. ni =+3 bis + ∞ . Die durch den Kettenbruch nach Glei¬ chung (4) berechneten Werte des Drehmomentes von 33 Ncm bis 1082 Ncm sind dabei über die Längsachse der Fig. 6 aufgetragen.

Wäre der Prozess der Scharnierherstellung weder geregelt noch gesteuert, so würde sich die Häufigkeit der technisch produzierten Drehmomentwerte nach Fig. 6 verteilen. Die weissen Flächen in Fig. 6 verdeutlichen Drehmomentwerte, die relativ selten auftre¬ ten (sog. Lückenbereiche), die grauen Flächen verdeutlichen Bereiche mit häufigen Drehmomenten und die dunkelgrauen Flächen stellen sog. Knotenbereiche des Dreh¬ momentes dar.

Da aber im vorliegenden Produktionsfall der Produktionssteuerung der Zielwert MD SO LL=125 Ncm vorgegeben wurde, weicht die Verteilung der technisch realisierten Drehmomente von dieser theoretischen Verteilung ab und stellt sich nach Fig. 2 dar.

Nach GS können Werte in den Knotenbereichen, hier um 89 Ncm, 124 Ncm und 173 Ncm, technisch nicht stabil produziert werden, da in Knotennähe stets Fluktuationen und Störungen auftreten werden, siehe Tabelle, Seite 5 und exemplarisch Fig. 7.

In Fig. 7 erkennt man, dass es um den Bereich 0,88 Nm bis 0,92 Nm zu grossen Fluk¬ tuationen der tatsächlich produzierten Drehmomente von Scharnieren kommt, was be¬ deutet, dass der Wert 0,89 Nm in der Praxis nicht stabil produziert werden kann.

Für die Global Scaling Optimierung der Produktion von Scharnieren gibt es im wesentli¬ chen zwei Ziele:

Das erste Ziel besteht in der Einhaltung der zu produzierenden Produktqualität. Das Drehmoment MD jedes Scharniers soll möglichst in der Mitte des Toleranzintervalls mit minimalen Toleranzschwankungen ΔMD produziert werden. Optimal sind deshalb Nenngrössenbereiche mit minimalen Fluktuationen, also Werte zwischen

MD SU bi = 133 Ncm = [24; +5] und MD sub 2 = 146 Ncm = [24; +4].

Der optimale Nennwert für die Produktion von Scharnieren im Toleranzband 50 bis 200 Ncm liegt damit in der logarithmischen Mitte von 133 Ncm und 146 Ncm, also bei 139,2 Ncm.

Das zweite Ziel bei der Produktion von Scharnieren ist es, den Prozess der Scharnier¬ herstellung möglichst robust (also flexibel) gegenüber Störungen zu realisieren. Das Drehmoment MD entsteht im Produktionsprozess im wesentlichen durch das sog. Übermass. Das Übermass ist der Bolzendurchmesser des Scharniers plus zweimal die Buchsenwandstärke, es ist grösser als Schamierlochdurchmesser, in den der Bolzen gepresst wird.

Die Einzelteile des Scharniers unterliegen in diesem Anwendungsbeispiel Toleranzen, die aus Kostengründen, wegen der mechanischen Fertigung, nicht weiter reduziert wer¬ den können, deshalb kommt es darauf an, die Nenngrössen auch der Einzelteile inner¬ halb jedes Toleranzbandes nach GS optimal zu bestimmen. Scharnierbolzen und

Scharnierlochdurchmesser liegen im Bereich um 12 mm, die Buchsenwandstärke bei 0,48 mm. Um die Abhängigkeiten des Drehmomentes MD von den Einzelteilen zu mo¬ dellieren, sind verschiedene empirische Modellierungsverfahren bekannt.

In diesem Anwendungsfall wird ein empirisches Data Mining Verfahren zur Modellierung beschrieben, da es auf grösstmögliche Präzision des funktionalen Zusammenhanges zwischen Drehmoment und Einflussgrössen ankommt. Jede andere Modellierung, zum Beispiel eine lineare Modellierung zwischen Übermass und Drehmoment funktioniert entsprechend, hat aber geringere Modellgenauigkeiten.

3. Aufnahme der Prozessdaten

Es ist Stand der Technik, dass mittels verschiedener Messaufnehmer und Leittechnik die Prozessdaten im vorgegebenen Prozesstakt, im Anwendungsbeispiel 10 Sekunden, mitgeschrieben und archiviert werden.

4. Prozessmodellierung und Sensitivitätsanalyse für die Zielgrösse

Es ist Stand der Technik zur Prozessmodellierung verschiedene Verfahren, analytische (wie Differentialgleichungen) oder empirische (wie lineare und nicht lineare Regressio¬ nen oder neuronale Netze einzusetzen, je nachdem wie gut der Prozess analytisch be¬ schrieben werden kann. Für fertigungstechnische Prozesse, wie z.B. komplexe Monta¬ gen, werden auch wissensbasierte Verfahren verwendet, bei denen das Verhalten des Prozesses anhand seiner Prozessdaten gelernt wird, siehe M. Polke, Prozessleittech- nik, Oldenbourg verlag, München/Wien 1994, S. 813-817.

Im vorliegenden Beispiel wurde die Prozessmodellierung durch eine neuronale Netz¬ modellierung realisiert. Die erreichte Genauigkeit liegt bei knapp 88%, d.h. mit knapp 88%iger Genauigkeit bezogen auf den Messbereich der Drehmomentmessung kann mit dem Modell aus 10 Eingangsgrössen der Drehmomentwert geschätzt werden:

Es ist weiterhin bekannt, die quantitative Abhängigkeit einer Qualitätsgrösse, im vorlie¬ genden Beispiel das Drehmoment MD, von seinen Einflussgrössen durch eine modell¬ basierte Sensitivitätsanalyse zu realisieren, siehe R. Otte, Selbstorganisierende Merk¬ malskarten zur multivariaten Datenanalyse komplexer technischer Prozesse, Shaker Verlag, Aachen, 1999 und R. Otte et al., Data Mining für die industrielle Praxis, Carl Hanser Verlag, 2004. Die Fig. 8 zeigt das Ergebnis einer Sensitivitätsanalyse basierend auf den oben genannten neuronalen Modell der Scharnierproduktion.

Die Fig. 8 zeigt, dass die wichtigste Einflussgrösse für das Drehmoment MD der Bolzen DB1 , dann der Bolzen DB2, dann der Kalibrierdorn DK ist. Die Temperaturen TW und TU haben den geringsten Prozesseinfluss auf das Drehmoment. Das bedeutet, dass die Änderungen der Temperatur im Mittel zu relativ geringeren Änderungen des Drehmo¬ mentes führen werden.

Durch den Verfahrenschritt 4 werden automatisch diejenigen Eingangsgrössen identifi¬ ziert, die einen Einfluss auf den Wert der Zielgrösse, im Beispiel das Drehmoment MD, haben.

5. Prozessoptimierung für einen GS-optimalen Wert der Zielgrösse Im Verfahrenschritt 5 werden für die wichtigsten Einflussgrössen bzw. Stellgrössen des Verfahrensschrittes 4 die konkreten quantitativen Nennwerte bestimmt, um den vorge¬ gebenen Zielgrössenwert zu erreichen.

Es ist Stand der Technik empirisch gelernte Modelle für Aufgaben der Optimierung zu invertieren, um für gegebene Zielwerte, die dazugehörigen Werte der Einflussgrössen zu berechnen. Beispielsweise kann das Verhalten des Prozesses durch Self-Organizing Maps abgebildet werden, siehe EP 0 845 720 B1 und R. Otte, Selbstorganisierende

Merkmalskarten zur multivariaten Datenanalyse komplexer technischer Prozesse, Sha- ker Verlag, Aachen, 1999. Die Fig. 9 zeigt eine derartige modellbasierte Datenanalyse, die auf dem Verfahren der Self-Organizing Maps beruht.

Durch Verwendung eines Prozessmodells zu Optimierungsaufgaben kann für jeden vorgegebenen, GS-optimalen Wert der Zielgrösse, im Beispiel MD, berechnet werden, welche Eingangsgrössen letztendlich zu dem Zielwert führen. Damit werden erfin- dungsgemäss für jede GS-Berechnung des Zielgrössenwertes die dazugehörigen Wer¬ te der Einflussgrössen zurückberechnet.

Die Fig. 10 zeigt beispielhaft die Werte ausgewählter Eingangsgrössen Kalibrierdorn DK, Temperaturen, TW und TU, Scharnierhälftendurchmesser DS, Buchsenwandstärke BW und Bolzendurchmesser DB1 , DB2, DB3 für die GS-optimale Zielgrösse MD = 139,2 Ncm = 1 ,392 Nm.

Damit sind die Eingangsgrössen bestimmt, die zu einem GS-optimalen Zielgrössenwert Y GS , im Beispiel MD = 1 ,392 Ncm, führen.

6. Global Scaling Analyse der wichtigsten Einflussgrössen

Durch Anwendung des Verfahrensschrittes 1 und 2 ist die Bestimmung aller GS optima¬ len Werte y G si der Zielgrösse im vorgegebenen Toleranzband y min und y max durchge¬ führt. Durch Anwendung der Verfahrensschritte 3, 4 und 5 sind die dazugehörigen Ein- gangsgrössenwerte des Prozesses ermittelt.

Wenn es im Intervall aus Produktsicht nur einen einzigen optimalen GS-Wert yβs gibt, dann wird der hier beschriebene Verfahrensschritt 6 übersprungen und die zu dem GS- Wert y G s zugehörigen Stellgrössen nach Verfahrensschritt 5 und 7 berechnet. Sind mehrere gleichberechtigte GS optimale Werte y Gs i vorhanden, dann folgt die Auswahl durch die GS-Analyse der Eingangsgrössen durch mehrmalige Anwendung des Verfah¬ rensschrittes 5, d.h. der Rückrechnung der zu einem Optimum y Gs i führenden Ein¬ gangsgrössen.

Damit sind die Zahlenwerte der Eingangsgrössen bestimmt. Auch diese Zahlenwerte unterliegen der GS-Struktur, wie die Fig. 11 am Beispiel der Temperatur TW zeigt.

Nach der Ermittlung der konkreten Eingangsgrössenwerte nach Verfahrensschritt 5 wird für jeden der gefundenen Eingangswerte X n , die GS-Analyse nach Verfahrensschritt 2 durchgeführt. Damit werden für die wichtigsten Eingangsgrössen die GS optimalen Werte ermittelt. Die GS- optimalen Eingangswerte hängen von dem Typ der Eingangs- grösse ab.

Die Eingangsgrössen sind für folgende Typen GS-optimal:

a) Eingangsmessgrössen: Optimum nach GS durch Ermittlung der maximalen Auf¬ trittswahrscheinlichkeit, da diese Wertrealisierungen auch in Zukunft am häufigs¬ ten auftreten werden. b) Sind die Eingangsmessgrössen Messwerte von technischen Produkten so können die Nenngrössen für diese Werte nach GS optimiert werden.

Im vorliegenden Fall ist beispielsweise die Buchsenwandstärke BW im Bereich

0,46 mm bis 0,5 mm zu optimieren.

BWu n ten = 0,46mm = [21 3 3 -3 3 5]

BW Ne nn = 0,48mm = [21 3 3 21 6 -9]

BWoben = 0,5mm = [21 3 6 -3 3 -3]

Als Nenngrösse ist damit der Wert BW= 0,471 mm nach GS gleich [21 3 3 -5] und damit optimal, da er in einer Lücke auf n 3 liegt. c) Eingangsstellgrössen: Optimierung nach GS hinsichtlich Superflexibilität, da diese Werte am unempfindlichsten auf Änderungen im Wert selber und im Prozess reagieren.

Im Verfahrenschritt 6 wurde für jeden GS-optimalen Zielgrössenwert, nach Verfahrens¬ schritt 2, und seiner dazugehörigen Eingangsgrössen, nach Verfahrensschritt 4 und 5, eine GS-Analyse durchgeführt, wodurch eine vollständige GS-Analyse des Prozesses realisiert ist.

7. Bestimmung des optimalen Prozesszustandes

Im Verfahrensschritt 7 wird aus der Menge aller nach GS möglichen Prozesszuständen, der GS-optimale Prozesszustand ausgewählt und die dazugehörigen Stellgrössen er¬ mittelt.

Das Prozessoptimum ist für die maximale Anzahl von GS-optimalen Eingangsgrössen erreicht, für die die Zielgrösse y G si gerade GS-optimal ist. Sind mehrere Zielgrössen- werte gleichberechtigt, so ist derjenige Wert y G si der weiter in der logarithmischen Mitte des Intervalls y m j n und y max liegt der optimale.

Aus der Menge der zum gefundenen Optimum VGS gehörenden Eingangsgrössen X-IGS > X2GS. X3GS , X n GS wird die Untermenge der Stellgrössen XsteiiiGs ausgelesen.

Damit ist das Optimum für den fertigungs- oder verfahrenstechnischen Prozess gefun¬ den und die Stellgrössen XsteiiiGs zur Erreichung des Optimums werden über die vor¬ handene Leittechnik an den Prozess ausgegeben.

8. Ausgabe der GS-optimalen Werte an den Prozess

Die GS optimierten Werte der Stellgrössen des optimalen Prozesszustandes nach Verfahrensschritt 7 werden beispielsweise über eine Leittechnik oder eine SPS an den technischen oder chemischen Prozess ausgegeben, womit der Prozess erfindungsgemäss nach GS optimiert ist.