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Title:
CONFIGURABLE HYDROGEL MATERIAL AND METHOD FOR CONFIGURING HYDROGEL MATERIALS FOR SEQUESTRATION AND/OR RELEASE OF BIOACTIVE SUBSTANCES
Document Type and Number:
WIPO Patent Application WO/2022/111756
Kind Code:
A1
Abstract:
The invention relates to a configurable hydrogel material for sequestration of bioactive substances in the hydrogel material and/or release of bioactive substances from the hydrogel material. The invention further relates to a method for determining and making available a configuration for a hydrogel material for sequestration and/or release of bioactive substances.

Inventors:
ATALLAH PASSANT (DE)
FREUDENBERG UWE (DE)
WERNER CARSTEN (DE)
SIEDEL ANNA (DE)
DENNISON NICHOLAS (DE)
Application Number:
PCT/DE2021/100903
Publication Date:
June 02, 2022
Filing Date:
November 11, 2021
Export Citation:
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Assignee:
LEIBNIZ INST POLYMERFORSCHUNG DRESDEN EV (DE)
International Classes:
C08L5/10; C08F220/06
Domestic Patent References:
WO2018162009A22018-09-13
WO2018162009A22018-09-13
Other References:
MIKHAIL V. TSURKAN ET AL: "Defined Polymer-Peptide Conjugates to Form Cell-Instructive starPEG-Heparin Matrices In Situ", ADVANCED MATERIALS, vol. 25, no. 18, 14 May 2013 (2013-05-14), DE, pages 2606 - 2610, XP055393137, ISSN: 0935-9648, DOI: 10.1002/adma.201300691
WEBER HEATHER M ET AL: "Heparin-based hydrogels induce human renal tubulogenesisin vitro", ACTA BIOMATERIALIA, ELSEVIER, AMSTERDAM, NL, vol. 57, 17 May 2017 (2017-05-17), pages 59 - 69, XP085092736, ISSN: 1742-7061, DOI: 10.1016/J.ACTBIO.2017.05.035
THOMPSON, K. ET AL., J. POLYM. SCI. PART A POLYM. CHEM., vol. 44, 2006, pages 126 - 136
Attorney, Agent or Firm:
SPERLING, FISCHER & HEYNER (DE)
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Claims:
Patentansprüche

1. Konfigurierbares Hydrogelmaterial zur Sequestrierung von Substanzen in das Hydrogelmaterial und Abreicherung der Substanzen in einem Biofluid und/oder Freisetzung von Substanzen aus dem Hydrogelmaterial in das Biofluid und Abreicherung der Substanzen in dem Hydrogelmaterial, das Hydrogelmaterial basierend auf mindestens drei nukleophile Gruppen tragende, unter physiologischen Bedingungen anionisch geladene Bausteine, sowie ungeladenen Bausteinen, welche mindestens zwei zur Reaktion mit den nukleophilen Gruppen geeignete elektrophile Gruppen aufweisen, wobei die geladenen und ungeladenen Bausteine vernetzt sind zu einem Polymernetzwerk, erhältlich durch Reaktion der nukleophilen und der elektrophilen Gruppen, wobei die Zusammensetzung des Hydrogelmaterials anhand von drei die anionischen Bausteine definierende Parameter, ausgewählt aus einer Gruppe von Parametern P0 , P1, P2, P3, konfigurierbar ist, wobei der Parameter P0 einem Wert aus der Anzahl der ionisierten, anionischen Gruppen, unter Annahme einer 30%igen Ionisierung aller anionischen Gruppen, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P1 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P2 einem Wert aus der Anzahl stark anionischer Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Wiederholeinheit geteilt durch die Molmasse der Wiederholeinheit entspricht und der Parameter P3, der einem Wert zur Beschreibung der Amphiphilie der anionisch geladenen Bausteine entspricht.

2. Konfigurierbares Hydrogelmaterial zur Sequestrierung von Substanzen in das Hydrogelmaterial und Abreicherung der Substanzen in einem Biofluid und/oder Freisetzung von Substanzen aus dem Hydrogelmaterial in das Biofluid und Abreicherung der Substanzen in dem Hydrogelmaterial, das Hydrogelmaterial basierend auf geladenen Bausteinen in Form von Poly(Acrylsäure-co-4- acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethanhydrogensulfat) sowie ungeladenen Bausteinen in Form von Amino- oder Thiolgruppen enthaltenden Polymeren oder Vernetzermolekülen mit mindestens zwei Amino- oder Thiolgruppen, wobei die geladenen und ungeladenen Bausteine vernetzt sind zu einem Polymernetzwerk, erhältlich durch die Aktivierung der Carboxylgruppen der Poly(Acrylsäure-co-4-acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder der Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder der Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethanhydrogensulfat) mit EDC/Sulfo- NHS und entweder eine direkte Vernetzung mit den Aminogruppen enthaltenden Polymeren oder den Vernetzermolekülen mit den mindestens zwei Aminogruppen jeweils unter Amidbildung oder eine Funktionalisierung der aktivierten Carboxylgruppen mittels bifunktionellen Vernetzermolekülen, welche jeweils eine Aminogruppe und eine zu einer Michael-Typ-Addition fähige Gruppe enthalten, und die anschließende Vernetzung mit den Thiolgruppen enthaltenden Polymeren oder den Vernetzermolekülen mit den mindestens zwei Thiolgruppen jeweils über eine Michael-Typ-Addition, wobei die Zusammensetzung des Hydrogelmaterials anhand von drei die geladenen Gruppen tragenden Bausteine definierende Parameter, ausgewählt aus einer Gruppe von Parametern P0 , P1, P2, P3, konfigurierbar ist, wobei der Parameter P0 einem Wert aus der Anzahl der ionisierten, anionischen Gruppen, unter Annahme einer 30%igen Ionisierung aller anionischen Gruppen, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P1 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P2 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Wiederholeinheit geteilt durch die Molmasse der Wiederholeinheit entspricht und der Parameter P3, der einem Wert zur Beschreibung der Amphiphilie der anionischen geladenen Bausteine entspricht.

3. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die zur Michael-Typ-Addition fähige Gruppe ausgewählt ist aus Maleimid-, Vinylsulfon- oder Acrylatgruppen.

4. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Amin- und Thiolgruppen enthaltenden Polymere als ungeladene Bausteine ausgewählt sind aus der Klasse der Polyethylenglykole (PEG), Poly(2-oxazoline) (POX), Polyvinylpyrrolidone (PVP), Polyvinylalkohole (PVA) und/oder Polyarylamide (PAM) und dass die Amin- oder Thiolgruppen enthaltenden Vernetzermoleküle nichtpolymere, bifunktionelle Vernetzermoleküle sind.

5. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass als geladener Baustein Poly(Acrylsäure-co-4-acrylamidomethylbenzensulfonsäure) mit variablen Molverhältnissen von Acrylsäure zu 4- Acrylamidomethylbenzensulfonsäure im Bereich von 9:1 bis 1:9 und Molmassen im Bereich von 5.000 bis 100.000 g/mol, und/oder als geladener Baustein Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethansulfonsäure) mit variablen Molverhältnissen von Acrylsäure zu Acrylamidoethansulfonsäure im Bereich von 9:1 bis 1 :9 und Molmassen im Bereich von 5.000 bis 100.000 g/mol, und/oder als geladener Baustein Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethanhydrogensulfat) mit variablen Molverhältnissen von Acrylsäure zu Acrylamidoethanhydrogensulfat im Bereich von 9:1 bis 1:9 und Molmassen im Bereich von 5.000 bis 100.000 g/mol ausgewählt wird.

6. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass als ungeladene Bausteine Polymere mit konjugierten enzymatisch spaltbaren Peptiden, die entweder Lysin oder Cystein als reaktive Aminosäure in der Peptidsequenz aufweisen, für die Polymernetzwerkbildung genutzt werden.

7. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die enzymatisch spaltbaren Peptide durch humane oder bakterielle Proteasen spaltbar sind, insbesondere MMPs, Cathepsine, Elastasen, Aureolysin und/oder Blutgerinnungsenzyme.

8. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach Anspruch 2 bis 7 dadurch gekennzeichnet, dass bioaktive und/oder antiadhäsive Moleküle mit einer Amino- oder Carboxylgruppe und/oder zellinstruktive Peptide über Lysin oder Cystein in der Sequenz an den geladenen Bausteinen Poly(Acrylsäure-co-4-acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder

Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethanhydrogensulfat) oder an deren Derivaten mit zur Michael-Typ-Addition fähigen Gruppen unter Ausbildung einer kovalenten Bindung an das Hydrogelnetzwerk angebunden sind.

9. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die bioaktiven Moleküle antimikrobielle Substanzen, zum Beispiel Antibiotika oder Antiseptika, oder pharmazeutische Wirkstoffe sind.

10. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass die antiadhäsiven Moleküle Polyethylenglykole (PEG) oder Poly(2-oxazoline) (POX) sind.

11. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach einem der Ansprüche 8 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die zellinstruktiven Peptide von Struktur- und Funktionsproteinen der Extrazellulären Matrix, wie zum Beispiel von Kollagen, Laminin, Tenascin, Fibronektin und Vitronektin, abgeleitete Peptide sind.

12. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die bioaktiven und/oder antiadhäsiven Moleküle und/oder zellinstruktiven Peptide über enzymatisch spaltbare Peptidsequenzen kovalent an die Hydrogelnetzwerke gekoppelt sind.

13. Konfigurierbares Hydrogelmaterial nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Hydrogelmaterial ein Speichermodul von 0,2 kPa bis 22 kPa aufweist.

14. Konfigurierbares physikalisch vernetztes Hydrogelmaterial, basierend auf physikalischen Wechselwirkungen zwischen geladenen Bausteinen in Form von Poly(Acrylsäure-co-4-acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethanhydrogensulfat) und ungeladenen Bausteinen in Form von Polymeren, wobei an die Polymere stark positiv geladene Peptidsequenzen konjugiert sind, wobei die Zusammensetzung des Hydrogelmaterials anhand von drei die geladenen Gruppen tragenden Bausteine definierende Parameter, ausgewählt aus einer Gruppe von Parametern P0 , P1, P2, P3, konfigurierbar ist, wobei der Parameter P0 einem Wert aus der Anzahl der ionisierten, anionischen Gruppen, unter Annahme einer 30%igen Ionisierung aller anionischen Gruppen, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P1 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P2 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Wiederholeinheit geteilt durch die Molmasse der Wiederholeinheit entspricht und der Parameter P3 einem Wert zur Beschreibung der Amphiphilie der die anionischen Gruppen umgebenden Molekülstruktur entspricht.

15. Konfigurierbares physikalisch vernetztes Hydrogelmaterial nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die stark positiv geladenen Peptidsequenzen mindestens zehn Wiederholungen von Lysin oder Arginin oder mindestens fünf Wiederholungen von Dipeptidmotiven mit Lysin und Alanin oder Arginin und Alanin umfassen.

16. Verfahren zur Ermittlung und Bereitstellung einer Konfiguration für ein

Hydrogelmaterial zur Sequestrierung von bioaktiven Substanzen in das Hydrogelmaterial und Abreicherung der Substanzen in einem Biofluid und/oder Freisetzung von Substanzen aus dem Hydrogelmaterial in das Biofluid und Abreicherung der Substanzen in dem Hydrogelmaterial, unter Verwendung eines Hydrogelmaterials nach einem der Ansprüche 1 bis 15, bei dem Verfahren

- Substanzen gemäß einem Wert PP, welcher aus dem Verhältnis der Nettoladung einer Substanz und der für Wasser zugänglichen Oberfläche der Substanz berechnet wird, in mindestens zwei Kategorien eingeteilt werden,

- für jede Kategorie für zumindest zwei verschiedene Werte eines Parameters einer vorgegeben Hydrogelkonfiguration jeweils ein Substanzaufnahmewert anhand einer prozentualen Substanzaufnahme einer der Kategorie zugeordneten Testsubstanz in das Hydrogel und/oder ein Substanzfreigabewert anhand einer prozentualen Substanzfreigabe der Testsubstanz aus dem Hydrogel in das Biofluid experimentell ermittelt wird/werden und anhand von mindestens zwei experimentell ermittelten Substanzaufnahmewerten und/oder anhand von mindestens zwei experimentell ermittelten Substanzfreigabewerten jeweils eine kategoriespezifische Funktion gebildet wird, anhand welcher weitere Substanzaufnahmewerte und/oder Substanzfreigabewerte von weiteren vorgegebenen Hydrogelkonfigurationen mit vorgegeben Parametern bestimmt werden, wobei zur Beeinflussung der Konzentration eines beliebigen, einer Kategorie zuordenbaren Substanz in dem Biofluid diejenigen Hydrogelkonfigurationen des Hydrogels mit vorgegebenen Werten für die Parameter als geeignet ausgewählt werden, für welche eine aus den experimentell ermittelten Substanzaufnahmewerten und den bestimmten Substanzaufnahmewerten und/oder den experimentell ermittelten Substanzfreigabewerten und den berechneten Substanzfreigabewerten gebildete kategoriespezifische Regressionsfunktion ein Bestimmtheitsmaß R2 von mindestens 0,6, vorzugsweise mindestens 0,7, aufweist.

17. Verfahren nach Anspruch 16 dadurch gekennzeichnet, dass die vorgegebene Hydrogelkonfiguration mit den Parametern P0 , P2, P3 oder P1, P2, P3 gebildet wird.

18. Verfahren nach einem der Ansprüche 16 oder 17, dadurch gekennzeichnet, dass Substanzen anhand ihres PP-Wertes in vier Kategorien A, B, C und D eingeteilt werden, wobei der Kategorie A Substanzen mit einem PP-Wert größer als 940, der Kategorie B Substanzen mit einem PP-Wert in einem Bereich von 940 bis 128, der Kategorie C Substanzen mit einem PP-Wert in einem Bereich von 128 bis -128 und der Kategorie D Substanzen mit einem PP-Wert kleiner als -128 zugeordnet werden.

19. Verfahren nach einem der Ansprüche 16 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass zur experimentellen Bestimmung der Substanzaufnahmewerte und/oder der Substanzfreigabewerte für den Parameter P0 ein Wert in einem Bereich von 0 bis 80 μmol/ml, für den Parameter P1 ein Wert in einem Bereich von 0 bis 150 μmol/ml, für den Parameter P2 ein Wert in einem Bereich von 0 bis 10 mmol/(g/mol) und für den Parameter P3 ein Wert in einem Bereich von -7 *103 bis 7 *103A-2 vorgegeben wird.

20. Verfahren nach einem der Ansprüche 16 bis 19, dadurch gekennzeichnet, dass anhand der kategoriespezifischen Regressionsfunktion für rechnerisch ermittelte Substanzaufnahmewerte und/oder Substanzfreigabewerte ein Wertebereich für mindestens einen Parameter P0 , P1 , P2 oder P3 einer Hydrogelkonfiguration ermittelt wird.

21. Verfahren nach einem der Ansprüche 16 bis 20, dadurch gekennzeichnet, dass die Werte der Parameter für die Hydrogelkonfiguration P0P1P2 und/oder für die Hydrogelkonfiguration P1P2P3 derart ausgewählt werden, dass in dem resultierenden Hydrogel zumindest eine Substanz einer Kategorie nur bis zu 50 % einer initialen Konzentration in dem Hydrogel gebunden oder aus diesem freigesetzt wird.

22. Verwendung eines Hydrogelmaterials nach einem der Ansprüche 1 bis 16, zum Faktormanagement in vivo zur Kontrolle der Angiogenese, bei Immunerkrankungen, Krebserkrankungen, Diabetis, neurodegenerativen Erkrankungen, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Multiple Sklerose, Asthma, Rheumatoide Arthritis oder der kutanen Wundheilung und der Knochenregeneration.

23. Verwendung eines Hydrogelmaterials nach einem der Ansprüche 1 bis 16, zur gezielten Aufreinigung von Proteinen aus Zelllysaten mikrobieller oder eukaryotischer Herkunft.

24. Verwendung eines Hydrogelmaterials nach einem der Ansprüche 1 bis 16, zur in vitro Zellkultur und Organkultur von induziert pluripotenten Stammzellen (iPS-), sowie weiteren nicht iPS zuzuordnenden Stammzellen und Vorläuferzellen, primären, von Patienten gewonnen Zellen, immortalisierten Zelllinien, sowie Herzgewebe, Muskelgewebe, Nierengewebe, Lebergewebe und Nervengewebe.

Description:
Konfigurierbares Hydrogelmaterial und Verfahren zur Konfiguration von Hydrogelmaterialien für die Sequestrierung und/oder Freigabe von bioaktiven Substanzen

Die Erfindung betrifft ein konfigurierbares Hydrogelmaterial zur Sequestrierung von bioaktiven Substanzen in das Hydrogelmaterial und/oder Freisetzung von bioaktiven Substanzen aus dem Hydrogelmaterial. Die Erfindung betrifft ferner ein Verfahren zur Ermittlung und Bereitstellung einer Konfiguration für ein Hydrogelmaterial zur Sequestrierung und/oder Freigabe von bioaktiven Substanzen.

Aufgrund ihrer Biokompatibilität für viele Anwendungen und gewebeähnlichen mechanischen Eigenschaften werden Hydrogele sowohl in der Medizin als auch in der Biotechnologie vielfältig verwendet und dabei auch als Substanzaufnahmesysteme oder Substanzfreigabesysteme genutzt. Bei Hydrogelen handelt es sich definitionsgemäß um stark hydratisierte, kovalent oder physikalisch vernetzte Polymere. Neben der Kontrolle verschiedener biologisch relevanter Signale wie Steifigkeit, Wassergehalt und strukturelle Umbaubarkeit sowie der Präsentation von kovalent gebundenen Zelladhäsionsproteinen oder Peptiden, ermöglichen es Hydrogele bioaktive Substanzen über nichtkovalente Wechselwirkungen reversibel zu binden und somit entweder Substanzen aus Biofluiden oder lebenden Geweben zu binden, das heißt im Hydrogel zu sequestrieren, oder Substanzen aus den Hydrogelen an die Umgebung freizusetzen. Solche bioaktive Substanzen können proteinbasierte Signalmoleküle, wie beispielsweise Zytokine, Chemokine, Hormone, Neurotransmitter, Wachstumsfaktoren oder Enzyme, sein, welche eine oder mehrere biologische Funktionen erfüllen und aufgrund von Ladungswechselwirkungen und/oder weiteren Wechselwirkungen wie beispielsweise hydrophoben Wechselwirkungen oder Wasserbrückenbindungen, reversibel an die die Affinität vermittelnden Komponenten des Hydrogels anbinden können. Darüber hinaus sind auch nicht-proteinbasierte bioaktive chemische Substanzen, Wirkstoffe oder „Small Molecules“ bekannt, die die oben genannten zellinstruktiven Signaleigenschaften der Zytokine, Chemokine, Hormone, Neurotransmitter oder Wachstumsfaktoren ebenfalls übernehmen können sowie weitere biologische Wirkungen verursachen und von Hydrogelen reversibel gebunden und freigesetzt werden. Weiterhin können die bioaktiven Substanzen pharmazeutische Wirkstoffe sein. Alle zuvor genannten bioaktiven Substanzen weisen als übergreifendes Merkmal ein Molekulargewicht von kleiner gleich 70kDa auf und können daher aufgrund ihrer Molekülgröße ladungsabhängig in die Maschen der erfindungsgemäßen Hydrogelnetzwerke eindringen und somit sequestriert beziehungsweise aus diesen freigesetzt werden. Derartige bioaktive Substanzen werden im nachfolgenden der Einfachheit halber als Substanzen bezeichnet. Dem Stand der Technik, beispielsweise WO 2018/162009 A2 sind Hydrogelsysteme zu entnehmen, bei denen die Kontrolle der Sequestrierung oder der Freisetzung von Substanzen und somit ihre Affinität zu diesen über die globale und lokale Ladungsdichte der Hydrogelnetzwerke beschrieben werden. Nachteilig an den bekannten Lösungen ist eine geringe Spezifität der Hydrogelnetzwerke für eine Bindung oder Freigabe von bestimmten bioaktiven Substanzen, so dass eine kontrollierte Freigabe oder Anbindung solcher Substanzen nicht im gewünschten Maß realisiert werden kann.

Zwar besteht die Möglichkeit Hydrogelnetzwerke in ihrer Zusammensetzung substanzspezifisch anzupassen beziehungsweise zu konfigurieren - allerdings ist eine Entwicklung von substanzspezifischen Hydrogelen angesichts der Anzahl existierender oder denkbarer Substanzstrukturen und der damit einhergehenden erforderlichen Anzahl an experimentellen Versuchen, mit einem nicht vertretbaren wirtschaftlichen Aufwand verbunden. Gefordert wird daher eine Möglichkeit, Hydrogele mit spezifischen physikochemischen Eigenschaften zur differenzierten Aufnahme von Substanzen aus einem Biofluid oder Lebendgewebe und/oder zur differenzierten Freisetzung von Substanzen in ein Biofluid oder Lebendgewebe bereitzustellen.

Die Aufgabe der Erfindung besteht somit darin, ein konfigurierbares Hydrogelmaterial vorzuschlagen, welches hinsichtlich einer gewünschten Affinität für bestimmte bioaktive Substanzen konfiguriert werden kann. Ferner ist es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren bereitzustellen, welches eine erleichterte Ermittlung einer für eine Sequestrierung und/oder Freigabe von bestimmten bioaktiven Substanzen geeignete Konfiguration eines Hydrogelmaterials ermöglicht.

Die Aufgabe wird durch ein konfigurierbares Hydrogelmaterial mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 und einem Verfahren gemäß Patentanspruch 16 gelöst. Weiterbildungen der Erfindung sind in den jeweils abhängigen Patentansprüchen angegeben.

Die Erfindung umfasst ein erstes Hydrogelmaterial, welches auf mindestens drei nukleophile Gruppen tragende, unter physiologischen Bedingungen anionisch geladene Bausteine, vorzugsweise Sulfat-, Sulfonat-, Phosphat- oder Carboxylgruppen tragende Bausteine, sowie ungeladene Bausteine, welche mindestens zwei zur Reaktion mit den nukleophilen Gruppen geeignete elektrophile Gruppen aufweisen, basiert, wobei die geladenen und ungeladenen Bausteine vernetzt sind zu einem Polymernetzwerk, erhältlich durch Reaktion der nukleophilen und der elektrophilen Gruppen. Dabei ist die Zusammensetzung des Hydrogelmaterials anhand von drei die anionischen Bausteine definierende Parameter, ausgewählt aus einer Gruppe von Parametern P0, P1 , P2, P3, konfigurierbar, wobei der Parameter P0 einem Wert aus der Anzahl der ionisierten, anionischen Gruppen, unter Annahme einer 30%igen Ionisierung aller anionischen Gruppen, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P1 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials entspricht, der Parameter P2 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Wiederholeinheit geteilt durch die Molmasse der Wiederholeinheit entspricht und der Parameter P3 einem Wert zur Beschreibung der Amphiphilie der anionischen Bausteine entspricht.

Das aus anionisch geladenen Bausteinen und ungeladenen Bausteinen gebildete Polymernetzwerk ist ein anionisch geladenes Polymernetzwerk. Das anionisch geladene Polymernetzwerk ist anhand von Parametern, welche die anionisch geladenen Bausteine definiert, konfigurierbar.

Weiterhin umfasst die Erfindung ein zweites Hydrogelmaterial, welches auf geladenen Bausteinen in Form von Poly(Acrylsäure-co-4- acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co-

Acrylamidoethanhydrogensulfat) sowie ungeladenen Bausteinen in Form von Amino- oderThiolgruppen enthaltenden Polymeren oder Vernetzermolekülen mit mindestens zwei Amino- oder Thiolgruppen basiert, wobei die geladenen und ungeladenen Bausteine vernetzt sind zu einem Polymernetzwerk, erhältlich durch die Aktivierung der Carboxylgruppen der Poly(Acrylsäure-co-4- acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder der Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder der Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethanhydrogensulfat) mit EDC/Sulfo-NHS und entweder eine direkte Vernetzung mit den Aminogruppen enthaltenden Polymeren oder den Vernetzermolekülen mit den mindestens zwei Aminogruppen jeweils unter Amidbildung oder eine Funktionalisierung der aktivierten Carboxylgruppen mittels bifunktionellen Vernetzermolekülen, welche jeweils eine Aminogruppe und eine zu einer Michael-Typ-Addition fähige Gruppe enthalten, und die anschließende Vernetzung mit den Thiolgruppen enthaltenden Polymeren oder den Vernetzermolekülen mit den mindestens zwei Thiolgruppen jeweils über eine Michael-Typ-Addition. Dabei ist die Zusammensetzung des Hydrogelmaterials anhand von drei die geladenen Gruppen tragende Bausteine definierende Parameter, ausgewählt aus einer Gruppe von Parametern P0, P 1 , P2, P3 konfigurierbar. Dabei entsprechen der Parameter P0 einem Wert aus der Anzahl der ionisierten, anionischen Gruppen, unter Annahme einer 30%igen Ionisierung aller anionischen Gruppen, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials, der Parameter P1 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials, der Parameter P2 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Wiederholeinheit geteilt durch die Molmasse der Wiederholeinheit und der Parameter P3 einem Wert zur Beschreibung der Amphiphilie der die anionischen Gruppen umgebenden Molekülstruktur.

Im Sinne der Erfindung werden Biofluide oder Gewebe als Synonym für biologisch relevante Kompartments verstanden, in die die bioaktiven Substanzen freigesetzt oder aus denen die Substanzen sequestriert werden.

Als bioaktive Substanzen werden im Sinne der Erfindung proteinbasierte und nicht proteinbasierte bioaktive Substanzen, Wirkstoffe sowie „Small Molecules“, welche Signaleigenschaften von Zytokinen, Chemokinen, Hormonen, Neurotransmittern oder Wachstumsfaktoren aufweisen sowie weitere biologische Wirkungen verursachen, verstanden. Bioaktive Substanzen können insbesondere pharmazeutische Wirkstoffe sein. Für alle zuvor genannten bioaktiven Substanzen gilt als übergreifendes Merkmal ein Molekulargewicht von kleiner gleich 70kDa.

Die erfindungsgemäßen konfigurierbaren Hydrogelmaterialien sind zur Sequestrierung von Substanzen in das Hydrogelmaterial und Abreicherung der Substanzen in einem Biofluid oder Gewebe und/oder Freisetzung von Substanzen aus dem Hydrogelmaterial in das Biofluid oder Gewebe und Abreicherung der Substanzen in dem Hydrogelmaterial vorgesehen.

Unter anionischer Baustein wird ein mehrere anionische und mindestens 3 nukleophile Gruppen tragender polymerer oder oligomerer Hydrogelbaustein verstanden.

Die ParametePr 0 bis P3 sind anhand der nachfolgenden Festlegungen und Bildungsvorschriften näher definiert:

Parameter P0: der Wert für P0, welcher in μmol/ml angegeben werden kann, entspricht 30 % der Gesamtanzahl anionischer Gruppen bezogen auf das unter physiologischen Bedingungen (0,154 mmol/l NaCI, pH gepuffert auf 7,4) gequollene Hydrogelvolumen. Die Berechnung kann beispielsweise aus der Polymerkonzentration der Hydrogelbausteine unter Quellung in physiologischer Lösung berechnet werden.

Parameter P1 : der Wert für P1 , welcher in μmol/ml angegeben werden kann, entspricht der Anzahl der stark anionischen Gruppen, welche einen pKs-Wert kleiner als 2,5, aufweisen, bezogen auf das unter physiologischen Bedingungen (0,154 mmol/l NaCI, pH gepuffert auf 7,4) gequolle Hydrogelvolumen.

Parameter P2: der Wert für P2, welcher in mmol/(g/mol) angegeben werden kann, entspricht der Anzahl der stark anionischen Gruppen mit einem pKs-Wert kleiner als 2,5 je anionisch geladenem Baustein geteilt durch das jeweilige Molekulargewicht des anionischen Bausteins.

Parameter P3: Der Parameter P3, welcher die Amphiphilie der anionischen Bausteine beschreibt, wird durch Division des Verteilungskoeffizienten Oktanol/Wasser (LogP-Wert) des anionischen Bausteins durch die dem

Lösungsmittel Wasser zugängliche Oberfläche des anionischen Bausteins berechnet. Dies kann unter Zuhilfenahme der Software ChemDraw19.0 und ChemAxon MarvinSketch 19.21 wie folgt erfolgen: Unter Nutzung der Software ChemDraw19.0 wird jeder anionische Baustein mit einer Länge des

Polymerrückrates von 22 Kohlenstoffatomen beziehungsweise bei zuckerbasierten Strukturen mit insgesamt 2 Disaccharideinheiten als komplette chemische Struktur dargestellt. Anschließend wird durch Nutzung der Softwareanwendung ChemAxon MarvinSketch 19.21 der Verteilungskoeffizient Oktanol/Wasser (LogP-Werte) über einiesen der durch ChemDraw 19.0 dargestellten Strukturformeln berechnet und die durch das Lösungsmittel Wasser zugängliche Oberfläche mit einem Lösungsmittelradius von 1 .4 A berechnet. Der erhaltene Wert wird mit einem Faktor von 1000 multipliziert um die Einheit 10 -3 x [1/A 2 bzw. A -2 ] zu erhalten. Bei dem zweiten erfindungsgemäßen Hydrogelmaterial kann vorgesehen sein, dass die zur Michael-Typ-Addition fähige Gruppe aus Maleimid-, Vinylsulfon- oder Acrylatgruppen ausgewählt ist.

Weiterhin kann bei dem zweiten erfindungsgemäßen Hydrogelmaterial vorgesehen sein, dass die Amin- und Thiolgruppen enthaltenden Polymere als ungeladene Bausteine aus der Klasse der Polyethylenglykole (PEG), Poly(2- oxazoline) (POX), Polyvinylpyrrolidone (PVP), Polyvinylalkohole (PVA) und/oder Polyarylamide (PAM) ausgewählt sind und dass die Amin- oder Thiolgruppen enthaltenden Vernetzermoleküle nichtpolymere, bifunktionelle Vernetzermoleküle sind.

Für das erste erfindungsgemäße Hydrogelmaterial und das zweite erfindungsgemäße Hydrogelmaterial kann vorgesehen sein, dass als geladener Baustein Poly(Acrylsäure-co-4-acrylamidomethylbenzensulfonsäure) mit variablen Molverhältnissen von Acrylsäure zu 4- Acrylamidomethylbenzensulfonsäure im Bereich von 9:1 bis 1 :9 und Molmassen im Bereich von 5.000 bis 100.000 g/mol, und/oder als geladener Baustein Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethansulfonsäure) mit variablen Molverhältnissen von Acrylsäure zu Acrylamidoethansulfonsäure im Bereich von 9:1 bis 1 :9 und Molmassen im Bereich von 5.000 bis 100.000 g/mol, und/oder als geladener Baustein Poly(Acrylsäure-co-Acrylamidoethanhydrogensulfat) mit variablen Molverhältnissen von Acrylsäure zu Acrylamidoethanhydrogensulfat im Bereich von 9:1 bis 1 :9 und Molmassen im Bereich von 5.000 bis 100.000 g/mol ausgewählt wird.

Als ungeladene Bausteine können Polymere mit konjugierten enzymatisch spaltbaren Peptiden, die entweder Lysin oder Cystein als reaktive Aminosäure in der Peptidsequenz aufweisen, für die Polymernetzwerkbildung genutzt werden. In diesem Zusammenhang kann weiter vorgesehen sein, dass die enzymatisch spaltbaren Peptide durch humane oder bakterielle Proteasen spaltbar sind, insbesondere MMPs, Cathepsine, Elastasen, Aureolysin und/oder Blutgerinnungsenzyme.

Gemäß einer Weiterbildung des zweiten erfindungsgemäßen Hydrogels können bioaktive und/oder antiadhäsive Moleküle mit einer Am ino- oder Carboxylgruppe und/oder zellinstruktive Peptide über Lysin oder Cystein in der Sequenz an den geladenen Bausteinen Poly(Acrylsäure-co-4- acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co-

Acrylamidoethanhydrogensulfat) oder an deren Derivaten mit zur Michael-Typ- Addition fähigen Gruppen unter Ausbildung einer kovalenten Bindung an das Hydrogelnetzwerk angebunden sein. Gemäß dieser Weiterbildung können die bioaktiven Moleküle antimikrobielle Substanzen, zum Beispiel Antibiotika oder Antiseptika, oder pharmazeutische Wirkstoffe sein. Ferner können die antiadhäsiven Moleküle Polyethylenglykole (PEG) oder Poly(2-oxazoline) (POX) sein.

Weiter in Bezug auf die vorstehende Weiterbildung des zweiten erfindungsgemäßen Hydrogels kann vorgesehen sein, dass die zellinstruktiven Peptide von Struktur- und Funktionsproteinen der extrazellulären Matrix, wie zum Beispiel von Kollagen, Laminin, Tenascin, Fibronektin und Vitronektin, abgeleitete Peptide sind. Die bioaktiven und/oder antiadhäsiven Moleküle und/oder zellinstruktiven Peptide können über enzymatisch spaltbare Peptidsequenzen kovalent an die Hydrogelnetzwerke gekoppelt sein.

Beide erfindungsgemäße Hydrogelmaterialien können ein Speichermodul von vorzugsweise 0,2 kPa bis 22 kPa aufweisen.

Die Erfindung umfasst weiterhin ein konfigurierbares physikalisch vernetztes Hydrogelmaterial, welches auf physikalischen Wechselwirkungen zwischen geladenen Bausteinen in Form von Poly(Acrylsäure-co-4 acrylamidomethylbenzensulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co- Acrylamidoethansulfonsäure) und/oder Poly(Acrylsäure-co-

Acrylamidoethanhydrogensulfat) und ungeladenen Bausteinen in Form von Polymeren basiert, wobei an die Polymere stark positiv geladene

Peptidsequenzen konjugiert sind, wobei die Zusammensetzung des Hydrogelmaterials anhand von drei die geladenen Gruppen tragenden Bausteine definierende Parameter, ausgewählt aus einer Gruppe von ParameterPn0 , P1 , P2, P3, konfigurierbar ist. Dabei entsprechen der ParametePr0 einem Wert aus der Anzahl der ionisierten, anionischen Gruppen, unter Annahme einer 30%igen Ionisierung aller anionischen Gruppen, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials, der Parameter P1 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Volumeneinheit des unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterials, der Parameter P2 einem Wert aus der Anzahl der stark anionischen Gruppen, mit einem intrinsischen pKs-Wert kleiner als 2,5, je Wiederholeinheit geteilt durch die Molmasse der Wiederholeinheit und der Parameter P3 einem Wert zur Beschreibung der Amphiphilie der die anionischen Gruppen umgebenden Molekülstruktur.

Bei dem physikalisch vernetzten Hydrogelmaterial kann vorgesehen sein, dass die stark positiv geladenen Peptidsequenzen mindestens zehn Wiederholungen von Lysin oder Arginin oder mindestens fünf Wiederholungen von Dipeptidmotiven mit Lysin und Alanin oder Arginin und Alanin umfassen.

Die Erfindung betrifft weiter ein Verfahren zur Ermittlung und Bereitstellung einer Konfiguration für ein Hydrogelmaterial zur Sequestrierung von bioaktiven Substanzen in das Hydrogelmaterial und Abreicherung der Substanzen in einem Biofluid und/oder Freisetzung von Substanzen aus dem Hydrogelmaterial in das Biofluid und Abreicherung der Substanzen in dem Hydrogelmaterial, unter Verwendung eines der erfindungsgemäßen Hydrogelmaterialien.

Bei dem Verfahren werden Substanzen gemäß einem Wert PP, welcher aus dem Verhältnis der Nettoladung einer Substanz und der für Wasser zugänglichen Oberfläche der Substanz berechnet wird, in mindesten zwei Kategorien eingeteilt und für jede Kategorie für zumindest zwei verschiedene Werte eines Parameters einer vorgegeben Hydrogelkonfiguration jeweils ein Substanzaufnahmewert anhand einer prozentualen Substanzaufnahme einer der Kategorie zugeordneten Testsubstanz in das Hydrogelmaterial und/oder ein Substanzfreigabewert anhand einer prozentualen Substanzfreigabe der Testsubstanz aus dem Hydrogelmaterial in das Biofluid experimentell ermittelt. Anhand von mindestens zwei experimentell ermittelten Substanzaufnahmewerten und/oder anhand von mindestens zwei experimentell ermittelten Substanzfreigabewerten wird jeweils eine kategoriespezifische Funktion gebildet, anhand welcher weitere Substanzaufnahmewerte und/oder Substanzfreigabewerte von weiteren vorgegebenen Hydrogelkonfigurationen mit vorgegeben Parametern bestimmt werden, wobei zur Beeinflussung der Konzentration einer beliebigen, einer Kategorie zuordenbaren Substanz in dem Biofluid diejenigen Hydrogelkonfigurationen des Hydrogelmaterials mit vorgegebenen Werten für die Parameter als geeignet ausgewählt werden, für welche eine aus den experimentell ermittelten Substanzaufnahmewerten und den bestimmten Substanzaufnahmewerten und/oder den experimentell ermittelten Substanzfreigabewerten und den berechneten Substanzfreigabewerten gebildete kategoriespezifische Regressionsfunktion ein Bestimmtheitsmaß R 2 von mindestens 0,6, vorzugsweise mindestens 0,7, aufweist.

Durch das erfindungsgemäße Verfahren ist es möglich, eine geeignete Hydrogelkonfiguration gemäß den Parametern P0, P1 , P2, P3 mit vorgegeben Parameterwerten für eine beliebige Substanz, welche gemäß ihrem PP-Wert einer Kategorie zuordenbar ist, für einen vorgegebenen Substanzaufnahmewert oder einen vorgegebenen Substanzfreigabewert anzugeben, ohne dass eine experimentelle Bestimmung des Substanzfreigabewertes oder des Substanzaufnahmewertes erforderlich ist. Unter Verwendung der erfindungsgemäßen Hydrogelmaterialien können somit anwendungsspezifische Hydrogelkonfigurationen ermittelt und entsprechend der ermittelten Konfiguration für die Anwendung bereitgestellt werden. Die Berechnung/Bestimmung des PP-Wertes für eine bioaktive Substanz wird aus der Nettoladung der Substanz dividiert durch die dem Lösungsmittel Wasser zugängliche Substanzoberfläche berechnet.

Für proteinbasierte Substanzen ist eine beliebige Proteinstruktur in der Protein Data Bank (PDB, http://www.rcsb.org/) verfügbar. Die Nettoladung der ausgewählten Proteinstruktur wird mit dem Delphi Web Server (http://compbio.clemson.edu/sapp/delphi webserver/) mit

Standardeinstellungen bei pH 7 berechnet. Die dem Lösungsmittel Wasser zugängliche Proteinoberfläche wird mit der PyMol-Software (www.pymol.org) unter Nutzung von einem Lösungsmittelradius von Wasser von 1.4 A berechnet. Dann erfolgt die Berechnung von PP aus der Nettoladung dividiert durch die dem Lösungsmittel Wasser zugängliche Proteinoberfläche multipliziert mit einem Faktor von 1000000, um die Einheit 10 -6 x [1/A 2 bzw. A -2 ] zu erhalten. Für nicht-proteinbasierte Substanzen wird die aus der chemischen Struktur ableitbare Nettoladung, welche dem Überschuss anionischer oder kationischer Gruppen entspricht, und die durch das Lösungsmittel Wasser zugängliche Moleküloberfläche, welche in Analogie zur Bildungsvorschrift für den Parameter P3 durch Nutzung der ChemDraw 19.0 und ChemAxon MarvinSketch 19.21 Software abgeleitet wurde, berechnet. Der erhaltene Wert wird mit einem Faktor von 1000000 multipliziert, um die Einheit 10 -6 x [1/A 2 bzw. A -2 ] zu erhalten.

Ein Substanzaufnahmewert beschreibt im Sinne der Erfindung den prozentualen Anteil des in ein Hydrogelmaterial aus einem Biofluid aufgenommenen Substanzanteils aus einer Substanzen enthaltenden Lösung. Der Substanzfreigabewert beschreibt den in ein Biofluid freigegebenen Anteil von in dem Hydrogelmaterial gebundenen Substanzen. Ein vorgegebener Substanzaufnahmewertbereich und ein vorgegebener

Substanzfreigabewertbereich definieren jeweils einen Wertbereich mit einem festzulegenden minimalen Substanzaufnahmewert und einen festzulegenden maximalen Substanzaufnahmewert, beziehungsweise einem festzulegenden minimalen prozentualen Substanzfreigabewert und einem festzulegenden maximalen prozentualen Substanzfreigabewert. Der Erfindung liegt die überraschende Erkenntnis zugrunde, dass Substanzen aufgrund einer spezifischen Substanzeigenschaft, welche erfindungsgemäß durch das Verhältnis der Nettoladung der Substanz und der für Wasser zugänglichen Oberfläche berechnet wird (PP-Wert), kategorisiert werden können, wobei den Substanzen einer Kategorie verschiedene Hydrogelkonfigurationen zugeordnet werden können, welche sich hinsichtlich eines vorgegebenen prozentualen Substanzaufnahmewertes oder eines vorgegebenen prozentualen Substanzfreigabewertes zur Beeinflussung der Konzentration einer Substanz in einem Biofluid eignen. Da die Zuordnung der zutreffenden Hydrogelkonfigurationen für jede Substanz einer Kategorie gilt, reicht es aus, wenn geeignete Hydrogelkonfigurationen für jeweils eine Testsubstanz bestimmt werden. Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren kann somit für eine beliebige Substanz einer Kategorie, mindestens eine Hydrogelkonfiguration für einen vorgegebenen prozentualen Substanzaufnahmewert oder einen prozentualen Substanzfreigabewert angegeben werden, ohne dass eine konkrete Versuchsdurchführung für die betreffende Substanz erfolgen muss.

Vorzugsweise kann die vorgegebene Hydrogelkonfiguration mit den Parametern P0, P2, P3 als P0P2P3 Hydrogelkonfiguration oder P1 , P2, P3 als P1P2P3 Hydrogelkonfiguration gebildet werden.

Gemäß einer Ausführungsvariante des erfindungsgemäßen Verfahrens können Substanzen anhand ihres PP-Wertes in vier Kategorien A, B, C und D eingeteilt werden, wobei der Kategorie A Substanzen mit einen PP-Wert >940 zugeordnet, der Kategorie B Substanzen mit einem PP-Wert in einem Bereich von 940 bis 128 zugeordnet, der Kategorie C Substanzen mit einem PP-Wert in einem Bereich von 128 bis -128 zugeordnet und der Kategorie D Substanzen mit einem PP-Wert <-128 zugeordnet werden.

Zur experimentellen Bestimmung der Substanzaufnahmewerte und/oder zur experimentellen Bestimmung der Substanzfreigabewerte kann/können für den Parameter P0 ein Wert in einem Bereich von 0 bis 50 μmol/ml, für den Parameter P1 ein Wert in einem Bereich von 0 bis 100 pmol/ml, für den Parameter P2 ein Wert in einem Bereich von 0 bis 10 mmol/(g/mol) und für den Parameter P3 ein Wert in einem Bereich von -7 bis 7 A -2 vorgegeben werden.

Als Testsubstanzen können beispielsweise die Proteine Eotaxin, IP10, SDF1, MCP1 , SGF2, Rantes, bNGF, IL-4, IL8, PGGFb, GRO-A, IL6, IL10, TNFa, IFNg, VEGF1 65 MP, IL1b, GMCSF, IGF eingesetzt werden.

Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren kann vorgesehen werden, dass anhand der kategoriespezifischen Regressionsfunktion für nicht experimentell ermittelte, das heißt für zugeordnete Substanzaufnahmewerte und/oder Substanzfreigabewerte ein Wertebereich für mindestens einen Parameter P0, P1, P2 oder P3 einer Hydrogelkonfiguration ermittelt wird. Die Ermittlung von Werten der Parameter erfolgt anhand von mathematischen Modellen.

Weiter kann vorgesehen sein, dass die Werte der Parameter für die Hydrogelkonfiguration P0P1P2 und/oder für die Hydrogelkonfiguration P1P2P3 derart ausgewählt werden, dass in dem resultierenden Hydrogel zumindest eine Substanz einer Kategorie nur bis zu 50 % einer initialen Konzentration in dem Hydrogelmaterial gebunden oder aus diesem freigesetzt wird.

Die erfindungsgemäßen Hydrogelmaterialien sind für eine Verwendung zum Faktormanagement in vivo zur Kontrolle der Angiogenese, bei

Immunerkrankungen, Krebserkrankungen, Diabetis, neurodegenerativen Erkrankungen, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Multiple Sklerose, Asthma, Rheumatoide Arthritis oder der kutanen Wundheilung und der

Knochenregeneration vorgesehen.

Weiterhin sind die erfindungsgemäßen Hydrogelmaterialien zur gezielten Aufreinigung von Proteinen aus Zelllysaten mikrobieller oder eukaryotischer Herkunft verwendbar.

Verwendung des erfindungsgemäßen Hydrogelmaterials zur in vitro Zell- und Organkultur von induziert pluripotenten Stammzellen (iPS-), sowie weiteren nicht iPS zuzuordnenden Stammzellen und Vorläuferzellen, primären, von Patienten gewonnen Zellen, immortalisierten Zelllinien, sowie Herzgewebe, Muskelgewebe, Nierengewebe, Lebergewebe und Nervengewebe bei denen die jeweiligen Zellen/Organe in das Hydrogel einpolymerisiert oder auf der Oberfläche des Hydrogels kultiviert werden.

Zellen können in das erfindungsgemäße Hydrogelmaterial immobilisiert werden.

Weitere Einzelheiten, Merkmale und Vorteile von Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen mit Bezugnahme auf die zugehörigen Zeichnungen und Tabellen. Es zeigen:

Figur 1 : Chemische Strukturen der zur Hydrogelbildung verwendeten anionischen Bausteine, Links: Derivate des Polyacrylates (PAA) mit verschiedenen Resten: R: Maleimidgruppe und R‘ = Am inomethyl-benzen-1 -Sulfonsäure (AMBS, GB1 und GB2) oder Aminoethanesulfonsäure (AES, GB3 und GB4) oder 2-Aminoethylhydrogensulfat (AEHS, GB5 und GB6), Mitte: Styrensulfonat-Maleinsäure-Copolymere mit Rest R: Maleimidgruppe, (GB7 und GB8), Rechts: Heparin (GB9),

Figuren 2A-C: Darstellungen zur Erläuterung des erfindungsgemäßen Verfahrens,

Tabellen 1-1 bis 1-2:: verwendete Hydrogelbausteine: Spalten der Tabelle von links nach rechts: (1 ) chemische Bezeichnung, (2) Abkürzung, (3) Molmasse, (4) Anzahl der Maleimidgruppen pro Molekül, (5) Anzahl der anionischen Gruppen pro Molekül, (6) Anzahl der stark anionischen Gruppen mit pKa<2.5 pro Molekül, (7) Parameter P2 und (8) P3 der Hydrogelbausteine,

Tabelle 2: Ansatzgrößen zur Sulf(at/on)ierung des Polynatriumacrylat mit sulf(at/on)ierten Aminen mittels DMTMM, Spalte (1 ) Bezeichnung des. anionisch geladenen Bausteins, (2) Bezeichnung der Edukte: hinsichtlich der eingesetzten Equivalente (eq) bezogen auf die Stoffmenge des jeweiligen Polymers und der Carbonsäuregruppen, der Stoffmenge, des Volumens an Millipore Wasser als Lösungsmittel und des Feststoffgehalts,

Tabelle 3: Signale im 1 H-NMR-Spektrum (500,13 MHz in D20) für die anionischen geladenen Bausteine GB1 und GB2, GB3 und GB4, GB5 und GB6 sowie GB9 mit der entsprechenden chemischen Verschiebung und Zuordnung der basierenden Protonen,

Tabelle 4: Synthesebedingungen zur Maleimidierung der anionisch geladenen Bausteine GB1 bis GB9, GB* bezeichnen die jeweiligen nicht-maleimidierten anionisch geladenen Bausteine,

Tabellen 5-1 bis 5-5 eine Vorschrift zur Bildung der Hydrogelmaterialien des Typs 1 bis 76 und resultierende physikochemische Eigenschaften der bei physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien, (Spalte 1 ): Name des Hydrogelmaterialtyps: 1 bis 76, (Spalte 2-4): Konzentration der Hydrogelbausteine (GB1 , 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 oder 9, UGB1 , UGB2, UGB3) zur Polymernetzwerkbildung, (Spalte 5 und 6): relativer Quellungsgrad und Standardabweichung bei Quellung der Hydrogelmaterialien bei physiologischen Bedingungen, (Spalte 7 und 8): Speichermodul und Standardabweichung der unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien, (Spalte 10): Konzentration des anionisch geladenen Bausteins nach der Quellung unter physiologischen Bedingungen, (Spalte 11 ): ParameterP0 unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien, (Spalte 12): Parameter P1 der unter physiologischen Bedingungen gequollener Hydrogelmaterialien,

Tabellen 6-1 bis 6-3: die Sequestrierung von bioaktiven Substanzen: Obere 4 Reihen: (1) Stoffmenge der eingesetzten bioaktiven Substanzen (hier Proteine) in 200mI Lösung welche in Kontakt mit dem jeweiligen Hydrogelmaterial gebracht wurde, (2) File der Protein Data Bank (PDB), (3) Name der bioaktiven Substanz, (4) Kategorie A bis D, (5) Parameter PP der bioaktiven Substanzen, (6 bis 25, resultierende Sequestrierung der bioaktiven Substanzen durch die Hydrogelmaterialien, Untere 18 Reihen: Beschreibung der anionischen Hydrogelmaterialien anhand ihrer Namen (Hydrogelmaterialtypen 28-52) und der Parameter P0, P1, P2 und P3), sowie des Substanzaufnahmewerts (in %, Mittelwert ± Standardabweichung, n = 6,

Tabelle 7: lineare Regressionsanalyse der Sequestrierungswerte, (1)

Nummer der Formel, (2) berücksichtigte Hydrogel Parameter, (3) berücksichtigte PP Werte (Substanzen), (4) Bestimmtheitsmaß R 2 der Funktion in Bezug auf die Substanzfreisetzungswerte

Tabellen 8-1 bis 8-2:

Kumulative Freisetzung von VEGF165 als bioaktive Substanz aus Hydrogelmaterialien der Typen 53 bis 62. (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 6), Obere Reihe:

Hydrogelmaterialtypen, Reihe 2 bis 5: Parameter P0, P1, P2, P3, Reihe 7 bis 12: Substanzfreisetzungswerte in % bei 3, 24, 48, 96,168 und 240h,

Tabelle 9: Migration von Immunzellen aus humanem Vollblut und Reaktion von Blutgranulozyten auf IL-8-Lösung, die mit verschiedenen aus anionisch geladenen Bausteinen inkubiert wurde, relativ zur Zahl der in UGB1/UGB3-Negativkontroll-Hydrogelmaterialien eingewanderten Zellen ohne IL-8. (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 5),

Tabelle 10: Zellkultur von HUVECs, Reihe 1: Hydrogeltyp, Reihe 2-4: Parameter P0 bis P3, Reihe 6: Oberfläche röhrenartiger Strukturen als gewünschte Zellmorphologie (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 5) und

Tabelle 11: Zellkultur von HK-2 -Zellen, Reihe 1 : Hydrogeltyp, Reihe 2-4:

Parameter P0 bis P3, Reihe 6: Runde Sphäroide in %, Reihe 7: Stachelige Sphäroide in %, Reihe 8: Röhrenförmige Strukturen in %, (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 5)

Anionisch geladene Hydrogelbausteine sind nachfolgend mit GB abgekürzt, wobei unterschiedliche anionisch geladene Bausteine zusätzlich mit einer Ziffer gekennzeichnet sind. Ungeladene Bausteine des Hydrogelmaterials sind mit UGB abgekürzt, wobei unterschiedliche ungeladene Bausteine mit einer Ziffer gekennzeichnet sind. Der Einfachheit halber und aus Platzgründen sind Hydrogelmaterialien in den Tabellen als Hydrogele bezeichnet. Hydrogelmaterialtypen sind in den Tabellen als Hydrogeltypen bezeichnet.

Die Figur 1 zeigt chemische Strukturen der zur Hydrogelmaterialbildung verwendeten anionischen Bausteine. Auf der linken Seite sind Derivate des Polyacrylates (PAA) mit verschiedenen Resten: R: Maleimidgruppe und R‘ = Am inomethyl-benzen-1 -Sulfonsäure (AMBS, GB1 und GB2) oder Aminoethanesulfonsäure (AES, GB3 und GB4) oder 2-Aminoethylhydrogensulfat (AEHS, GB5 und GB6) dargestellt. In der Mitte sind Styrensulfonat-Maleinsäure- Copolymere mit Rest R: Maleimidgruppe, (GB7 und GB8) dargestellt. Auf der rechten Seite ist Heparin (GB9) dargestellt. Bei den zur Herstellung der Hydrogelmaterialien verwendeten anionischen Bausteinen handelt es sich um sulfatierte oder sulfonierte Polymere auf Basis von Polyacrylat (PAA, siehe Figur 1 ), GB1 bis GB6, um Styrensulfonat-Maleinsäure-Copolymere GB7 und GB8 oder um Heparin (GB9).

Die Tabellen 1 -1 bis 1 -2 zeigen Beispiele von Hydrogelbausteinen zur Herstellung von erfindungsgemäßen Hydrogelmaterialien. Die Spalten 1 bis 8 der Tabellen 1- 1 bis 1-2 zeigen von links nach rechts: Spalte 1 die chemische Bezeichnung der Hydrogelbausteine, Spalte 2 die hierin geltende Abkürzung, Spalte 3 die Molmasse, Spalte 4 die Anzahl der Maleimidgruppen pro Molekül, Spalte 5 die Anzahl der anionischen Gruppen pro Molekül, die Spalte 6 die Anzahl der stark anionischen Gruppen mit pKa<2,5 pro Molekül, die Spalte 7 Parameter P2 und die Spalte 8 den Parameter P3 der Hydrogelbausteine.

Synthese der anionisch geladenen Bausteine GB1 bis GB6

Die anionisch geladenen Hydrogelbausteine basierend auf PAA (GB1 bis GB6) werden durch 4-(4,6-Dimethoxy-1 ,3,5-triazin-2-yl)-4-methylmorpholiniumchlorid (DMTMM) vermittelte Amidbildung nach dem Protokoll von (Thompson, K. et al. J. Polym. Sei. Part A Polym. Chem. 44, 126-136 (2006) synthetisiert. Drei verschiedene sulf(on/at)ierte Amine, 4-Aminomethyl-benzen-1 -Sulfonsäure (AMBS, zur Bildung von GB1 und GB2), Aminoethanesulfonsäure (AES, zur Bildung von GB3 und GB4) und 2-Aminoethylhydrogensulfat (AEHS, zur Bildung von GB5 und GB6), werden zu je 10 % oder 50 %, bezogen auf die Zahl der Carboxylgruppen, an PAA* konjugiert, um die lokale Ladungsverteilung der geladenen Gruppen entlang des Polymerrückgrats zu variieren. Die Amine der GB3-GB6 haben sehr ähnliche Molekülstrukturen mit dem einzigen Unterschied der terminalen Sulfonatgruppe bei GB3 und GB4 gegenüber einer terminalen Sulfatgruppe bei GB5 und GB6. Die Sulfonatgruppe bei 4-Aminomethyl-benzen- 1 -Sulfonsäure ist an eine Phenylgruppe gebunden, was den hydrophoben Charakter der anionischen Bausteine GB1 und GB2 erhöht (siehe Parameter P3, Tabellen 1-1 bis 1-2).

Zur Synthese wurde Polynatriumacrylat (15 kDa, 34,7w% in H20, Sigma-Aldrich, Deutschland) gefriergetrocknet, für die Funktionalisierung 800 mg vorgelegt und in Millipore Wasser gelöst (Tabelle 2). Anschließend wird erst das im Exsikkator aufgetaute DMTMM (TCI Chemicals, Japan), danach das Amin, 4-Aminomethyl- benzen-1 -Sulfonsäure (AMBS, Sigma-Aldrich), Aminoethanesulfonsäure (AES, Sigma-Aldrich, Deutschland) oder 2-Aminoethylhydrogensulfat (AEHS, Sigma- Aldrich, Deutschland) trocken hinzugegeben und jeweils das Gefäß mit dem angegebenen Volumen gespült. Der Reaktionsansatz wird bei Raumtemperatur (RT) über Nacht gerührt. Der zum Teil ausfallende Niederschlag wird mit Millipore Wasser gelöst und die Lösung in einer Dialysemembran mit einer Ausschlussgröße (MWCO) von 2 kDa (ZelluTrans, Roth, Deutschland) 6 h gegen 1 M NaCI-Lösung (NaCI, Fluka, Deutschland) mit zweimaligem Wechsel des Mediums, anschließend 18 h gegen Millipore Wasser mit dreimaligem Wechsel dialysiert und anschließend gefriergetrocknet. Zur Bestimmung des Funktionalisierungsgrads wird das aufgereinigte Produkt mittels 1 H-NMR in D2O (DRX 500 von Bruker bei 500,13 MHz, Signal des Lösungsmittels dient als Referenz für die chemische Verschiebung) analysiert, wobei die Ethyl-Protonen für die Polymere E und H, die Ringprotonen für B als interne Referenz gelten (siehe Tabelle 3). Mit dem Verhältnis zu den drei Protonen des Polymerrückgrats kann der Funktionalisierungsgrad berechnet werden.

Die Tabelle 2 zeigt Ansatzgrößen zur Sulf(at/on)ierung des Polynatriumacrylats mit sulf(at/on)ierten Aminen mittels DMTMM, Spalte 1 Bezeichnung des anionisch geladenen Bausteins, Spalte 2 die Bezeichnung der Edukte: hinsichtlich der eingesetzten Equivalente (eq) bezogen auf die Stoffmenge des jeweiligen Polymers und der Carbonsäuregruppen, der Stoffmenge, des Volumens an Millipore Wasser als Lösungsmittel und des Feststoffgehalts.

Um den Umsatz der Sulf(on/at)ierungsreaktion zu analysieren, wurde eine Protonen-Kernspinresonanz-Spektroskopie-Analyse (1 H-NMR) jedes Polymers durchgeführt (siehe Tabelle 3). Die 1 H-NMR-Spektren der sulf(on/at)ierten Konjugate zeigten charakteristische Signale zwischen 2,9 ppm und 3,70 ppm für GB3*/GB4* und Signale zwischen 3,25 ppm und 4,15 ppm für GB5*/GB6* entsprechend den vier Protonen des Ethyl-Linkers, während für GB1*/GB2* Signale von 7,00-8,00 ppm, basierend auf den Phenylprotonen, zur Berechnung herangezogen wurden. Die Integration der charakteristischen Signale im Verhältnis zur Signalfläche der drei Protonen des PAA-Rückgrats von 0,80- 2,90 ppm ermöglichte die Bestimmung des Funktionalisierungsgrades der PAA mit verschiedenen sulf(on/at)ierten Aminen.

Die Tabelle 3 zeigt Signale im 1 H-NMR-Spektrum (500,13 MHz in D20) für die anionischen geladenen Bausteine GB1 und GB2, GB3 und GB4, GB5 und GB6 sowie GB9 mit der entsprechenden chemischen Verschiebung und Zuordnung der basierenden Protonen.

Maleimidierung der anionischgeladenen Bausteine GB1 bis GB9

Zur Ermöglichung der Netzwerkbildung im Beispiel mit thiolfunktionalisiertem 4- Arm Polyethylenglykol (UGB2, starPEG-SH) werden der jeweilige anionisch geladene Baustein (GB1 bis GB9) mit N-2-Aminoethylmaleimid Trifluoressigsäuresalz (Maleimid) an die mit 1-Ethyl-3-(dimethylaminopropyl)- über 1-Ethyl-3-(dimethylaminopropyl)-carbodiimid/N-Hydroxysulfosu ccinimid (EDC/sulfoNHS) aktivierten Carboxylgruppen gekoppelt, resultierend in rund 12,5 Maleimidgruppen bei GB1 bis GB6, 9 pro GB7 und GB8 und 7 pro GB9 (siehe Tabellen 1-1 bis 1-2, Spalte: Anzahl der Maleimidgruppen).

Hierfür werden 300 mg Polymer in dem entsprechenden Volumen Lösungsmittel gelöst, anschließend sulfo-NHS (Sigma-Aldrich, Deutschland), danach EDC (Iris Biotech, Deutschland) in Lösung zugegeben und 20 min (für GB7 10 min) im Eisbad gerührt, bevor gelöstes N-(2-Aminoethyl)maleimid-trifluoracetat (Maleimid, Sigma-Aldrich, Deutschland) langsam zugetropft wird. Als Lösungsmittel dient jeweils eiskaltes Millipore Wasser. Für weitere 10 min wird der Reaktionsansatz im Eisbad gerührt, weiter über Nacht bei Raumtemperatur. Die Lösung wird in einer 2 kDa MWCO Dialysemembran 6 h gegen 1 M NaCI- Lösung mit zweimaligem Wechsel des Mediums, anschließend 18 h gegen Millipore Wasser mit dreimaligem Wechsel dialysiert und anschließend gefriergetrocknet. Nähere Informationen zu den eingesetzten Reaktionsmischungen sind in Tabelle 4 ersichtlich. Die Bestimmung der Zahl der Maleimidgruppen erfolgt über 1 H-NMR in D20, wobei für die sulf(on/at)ierten Polymere die Zahl der Protonen des Polymerrückgrats, für Heparin die Zahl der Acetylprotonen mit den Maleimidprotonen ins Verhältnis gesetzt werden (siehe Tabelle 3). Die Bestimmung der Funktionalisierungsgrade erfolgt jeweils über 1 H NMR (siehe Tabelle 3). Nur für GB7 und GB8 wird der Grad der Maleimidkonjugation durch die Peptidtitrationsmethode bewertet. (siehe Atallah et al. ,2018 doi:10.1016/j.biomaterials.2018.07.056 ), Die Konjugate werden mit verschiedenen molaren Äquivalenten cysteinhaltiger Peptide umgesetzt und durch Größenausschlusschromatografie analysiert.

Die Tabelle 4 zeigt Synthesebedingungen zur Maleimidierung der anionisch geladenen Bausteine GB1 bis GB9, wobei GB* die jeweiligen nicht- maleimidierten anionisch geladenen Bausteine bezeichnen.

Bildung und Vernetzung der Hydrogelmaterialien der Typen 1 bis 76

Zur Bildung der erfindungsgemäßen Hydrogelmaterialien wird der jeweilige maleimidfunktionalisierte, anionisch geladene Baustein GB1 , GB2, GB3, GB4, GB5, GB6, GB7, GB8 oder GB9 oder eine Mischung aus GB1 , GB2, GB3, GB4, GB5, GB6, GB7, GB8 oder GB9 mit UGB1 entweder mit dem Thiol- funktionalisierten UGB2 (4-Arm Polyethylenglykol, thiolterminiert) oder mit dem thiol-funktionalisierten UGB3 (4-Arm-Polyethylenglykol, terminiert mit einer enzymatisch spaltbaren Peptidsequenz die Cystein enthält) durch Vermischung und Reaktion derThiolgruppen mit den Maleimidgruppen über eine Michael-Typ- Additionsreaktion vernetzt. Als ungeladenes Referenzhydrogel wird das Hydrogelmaterial des Typs 52 aus dem UGB1 und UGB2 gebildet. Die Konzentration der Hydogelbausteine, die zur Bildung des jeweiligen Hydrogelmaterials aus den wässrigen Lösungen der Hydrogelbausteine genutzt werden, sind den Tabellen 5-1 bis 5-5 zu entnehmen. Die Reaktion und kovalente Netzwerkbildung erfolgt innerhalb weniger Sekunden bis zu einer Minute. Die Bildungsvorschriften wurden so gewählt, dass nach Quellung unter physiologischen Bedingungen (0,154 mmol NaCI, gepuffert mit Phosphatpuffer auf pH 7,4) eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Parameterwerte für die Parameter P0 und P1 , bei gleichzeitig über den jeweiligen anionisch geladenen Baustein definiert auch unterschiedlich variable Werte für die Parameter P2 und P3 resultieren (siehe Tabellen 5-1 bis 5-5, Hydrogeltypen 1-76 und Tabellen 1-1 bis 1-2bezüglich der Werte für die Parameter P2 und P3). Zudem werden die physikalischen Eigenschaften der gequollenen Hydrogelmaterialien, der relative Quellungsgrad der Hydrogelmaterialien und das Speichermodul der Hydrogelmaterialien mittels Rheometrie untersucht. Aus dem relativen Quellungsgrad und der Konzentration der anionisch geladenen Bausteine bei der Hydrogelbildung wird die Konzentration der anionisch geladenen Bausteine nach der Quellung ermittelt und daraus die Parameter P0 und P1 der Hydrogelmaterialien entsprechend der Definition der Parameter berechnet. Die physikochemischen Eigenschaften der Hydrogelmaterialien Steifigkeit, Quellung sowie die Werte der Parameter P0, P1 , P2 und P3 können über einen weiten Bereich und damit für die gewünschten Sequestrierungseigenschaften beziehungsweise Aufnahmeeigenschaften und/oder Freisetzungseigenschaften von bioaktiven Substanzen abgestuft werden (siehe Tabellen 5-1 bis 5-5 und Tabellen 1-1 bis 1-2).

Aus den angegebenen Speichermodulen der Hydrogelmaterialien ergeben sich nach dem Gummi-Elastizitätsmodell (Rubinstein et al. , 2003 ISBN:

9780198520597) Maschenweiten zwischen 6,5 und 23 nm nach folgender Gleichung wobei G‘ das Speichermodul in Pa, NA die Avogadro-Konstante, R die universelle Gaskonstante und T die Temperatur in Kelvin ist. Die hier diskutierten bioaktiven Substanzen mit einer Molekülgröße kleiner als 70kDa sollten bei diesen Maschenweiten sterisch keinen Einschränkungen bezüglich einer Penetration des erfindungsgemäßen Hydrogelmaterials unterliegen.

Für die Bildung des Hydrogelmaterials werden die Hydrogelbausteine, geladene und ungeladene Bausteine, in der in den Tabellen 5-1 bis 5-5 angegebenen Konzentration in phosphatgepufferter Kochsalzlösung (0,154 mmol NaCI, gepuffert mit Phosphatpuffer auf pH 7,4) gelöst und anschließend intensiv durch Pipettieren vermischt. Die Hydrogelmaterialien formen sich innerhalb weniger Sekunden bis zu einer Minute.

Für die Bestimmung der physikalischen Hydrogeleigenschaften werden runde 9 mm Deckgläschen hydrophob beschichtet. Die Deckgläschen werden zur Beschichtung für 2 s in Sigmacote®-Lösung (Sigma-Aldrich, Deutschland) getaucht, auf Filterpapier getrocktnet und mit Millipore Wasser abgespült und nochmals getrocknet. Die Lösung mit den anionisch geladenen Bausteinen und die ungeladenen Bausteine werden in phosphatgepufferter Salzlösung bei pH 7,4 (PBS) gelöst und je 33,5 μl der GB-Lösung und der UGB-Lösung gemischt, auf ein Deckgläschen pipettiert und mit einem weiteren Deckgläschen bedeckt, um ein ca. 1 mm hohes Gel zu bilden. Nach einer Zeit von 1 h werden die Deckgläschen entfernt und über Nacht in phosphatgepufferter Salzlösung (im weiteren PBS) gequollen. Rheologische Untersuchungen zur Bestimmung des Speichermoduls (Ares LN2, TA Instruments, Vereinigtes Königreich) wurden mit auf 8 mm ausgestanzten gequollenen Hydrogelen mit einer parallelen Platte- Platte Messanordnung bei RT durchgeführt, wobei die Frequenz von 1 bis 100 rad/s bei einer geringen Deformation (2 %) erhöht wurde. Es wird eine Dreifachbestimmung durchgeführt und der Mittelwert des Speichermoduls je über den gesamten Frequenzbereich gebildet. Das Verlustmodul ist jeweils um mehrere Größenordnungen geringer (Daten nicht gezeigt). Zur Bestimmung der relativen Volumenquellung werden die gequollenen Gelscheiben mit Hilfe eines Laserscanners (Fujifilm FLA-5100) abgebildet und der Durchmesser bestimmt. Mit der nachfolgenden Gleichung wird der relative Quellungsgrad (siehe Tabelle 3) bestimmt, wobei d0 dem anfänglichen Durchmesser der ungequollenen Gelscheibe entspricht und d dem Durchmesser nach 24 h Quellung in PBS.

Die Tabellen 5-1 bis 5-5 zeigen eine Vorschrift zur Bildung der Hydrogelmaterialien des Typs 1 bis 76 und resultierende physikochemische Eigenschaften der bei physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien, Spalte 1 : Name des Hydrogelmaterialtyps: 1 bis 76, Spalten 2-4: Konzentration der Hydrogelbausteine in der Reaktionsmischung (GB1 , 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 oder 9, UGB1 , UGB2, UGB3) zur Polymernetzwerkbildung, Spalte 5 und 6: relativer Quellungsgrad und Standardabweichung bei Quellung der Hydrogelmaterialien bei physiologischen Bedingungen, Spalte 7 und 8: Speichermodul und Standardabweichung der unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien, Spalte 10: Konzentration des anionisch geladenen Bausteins nach der Quellung unter physiologischen Bedingungen, Spalte 11 : Parameter P0 der unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien, Spalte 12: Parameter P1 der unter physiologischen Bedingungen gequollenen Hydrogelmaterialien.

Charakterisierung der Sequestrierung bioaktiver Substanzen in den anionisch geladenen Hydrogelen der Typen 28 bis 52 mittels Multiplex-Immunoassay

Eine definierte Mischung bioaktiver Substanzen, das heißt eine Mischung biomedizinisch wichtiger proteinbasierter Signalmoleküle mit unterschiedlichen Ladungseigenschaften wird in den entsprechenden Bindungsstudien mit einer Reihe verschiedener anionisch geladener Hydrogelmaterialien der Typen 28-51 und dem ungeladenen Referenzgel des Typs 52 (siehe Tabellen 5-1 bis 5-5) verwendet. Die rekombinanten Proteine (rekonstituiert mit mehreren ProcartaPlex Simplex-Proteinstandards, Kat. Nr.: EPX01A-xxxx- 901 Thermo Fisher Scientific, USA) werden in PBS mit 1 % BSA und 0,1 % Proclin (Sigma- Aldrich, Deutschland) in verschiedenen biologisch relevanten Konzentrationen im Bereich von 0,44-12,25 ng/ml gelöst. 10 μl jedes Geltyps (n=3) werden mit 250 mI des Proteingemischs 24 Stunden inkubiert, und die Zytokinkonzentration im Überstand anschließend mit ProcartaPlex Simplex Multiplex-Kits (ThermoFischer, USA) unter Verwendung eines Bioplex 200 (Biorad, USA) analysiert. Als Kontrollexperiment werden Lösungen ohne Hydrogelmaterialien verwendet und die detektierten Proteinmengen mit denen in Lösungen mit Hydrogelmaterialien nach der Inkubation verglichen, um den Prozentsatz an Protein zu bestimmen, der von den Hydrogelmaterialien sequestriert, also aufgenommen wurde. Die Ergebnisse der Sequestrierungsuntersuchungen sind in den Tabellen 6-1 bis 6-3 dargestellt.

Die Tabellen 6-1 bis 6-3 zeigen die Sequestrierung von bioaktiven Substanzen: Obere 4 Reihen: (1 ) Stoffmenge der eingesetzten bioaktiven Substanzen (hier Proteine) in 200 mI Lösung welche in Kontakt mit dem jeweiligen Hydrogelmaterial gebracht wurde, (2) File der Protein Data Bank (PDB), (3) Name der bioaktiven Substanz, (4) Kategorie A bis D, (5) Parameter PP der bioaktiven Substanzen, (6 bis 25) resultierende Sequestrierung der bioaktiven Substanzen durch die Hydrogelmaterialien, Untere 18 Reihen: Beschreibung der anionischen Hydrogelmaterialien anhand ihrer Namen (Hydrogelmaterialtypen 28-52) und der Parameter P0, P1 , P2 und P3), sowie des Substanzaufnahmewerts (in %, Mittelwert ± Standardabweichung, n = 6).

Aus den Ergebnissen den Tabellen 6-1 bis 6-3 werden die Substanzen in Abhängigkeit ihres PP-Wertes in vier Kategorien A, B, C und D eingeteilt, wobei der Kategorie A Substanzen mit einem PP-Wert größer als 940, der Kategorie B Substanzen mit einem PP-Wert in einem Bereich von 940 bis 128, der Kategorie C Substanzen mit einem PP-Wert in einem Bereich von 128 bis -128 und der Kategorie D Substanzen mit einem PP-Wert kleiner als -128 zugeordnet werden. Anschließend wird mittels der statistischen Analysensoftware JMP (SAS Institute) eine lineare Regressionsanalyse nach der Methode der kleinsten Quadrate zwischen dem jeweiligen prozentualen Wert der Substanzaufnahme (als y-Wert) und den Parametern P0 oder P1 und P2 und P3 der Hydrogele und den Werten für PP der Substanzen durchgeführt.

Ziel der linearen Regressionsanalyse ist es, den Einfluss von P0 oder P1 und P2 und P3 und PP auf die Substanzaufnahme in eine mathematische Funktion wie in folgender Gleichung 1 dargelegt ist, zu beschreiben: y = Substanzaufnahme α = Achsenabschnitt C = Koeffizienten Die Ergebnisse der experimentellen Sequestrierungsversuche (bspw. für alle Substanzen oder nur für Substanzen einer Kategorie A oder B oder C oder D) werden als Wertepaare bestehend aus dem jeweiligen Substanzaufnahmewert in % und den zugehörigen Parameterwerten für P0 oder P1 , P2, P3 und PP (siehe Tabellen 6-1 bis 6-3) in die Regressionsanalyse eingeführt, und ein mathematischer Zusammenhang (Funktion), wie oben in Gleichung 1 dargestellt, gebildet. Die Zahlenwerte (als Konstanten) von Achsenabschnitt und den Koeffizienten der Parameterterme werden ermittelt, indem iterativ die basierend auf der Funktionsgleichung ermittelten Substanzaufnahmewerte mit den in den Wertepaaren eingelesenen experimentellen Ergebnissen (Tabellen 6-1 bis 6-3) verglichen werden. Die Unterschiede zwischen vorhergesagtem und gemessenem Wert heißen Residuen. Durch die Nutzung der Methode der kleinsten Quadrate werden die Werte von Achsenabschnitt und die Koeffizienten bestimmt, indem iterativ die basierend auf der Funktionsgleichung ermittelten Substanzaufnahmewerte mit den experimentell bestimmten Substanzaufnahmewerten verglichen und der Abstand zwischen experimentellen und durch die Funktion berechneten Substanzaufnahmewerten quadriert wird und die Summe dieser quadrierten Abstände minimiert wird.

Die Figur 2A zeigt, wie der Ansatz der kleinsten Quadrate in der JMP-Software angezeigt und ausgewertet wird. Die gemessenen Werte (y-Achse) werden gegen die durch die Funktion vorhergesagten Werte (x-Achse) aufgetragen. Jeder Punkt stellt eines der ausgeführten Experimente dar, auf denen das Modell basiert, und im Idealfall sollten alle Punkte auf der roten Linie liegen (y = x). Je weiter jeder Punkt von der roten Linie entfernt ist, desto höher ist der Residuum für diesen bestimmten Versuchspunkt. Rsq (R 2 ) wird verwendet, um die Qualität des Modells zu bewerten. Je genauer das Modell, desto niedriger sind die Residuen und desto höher ist das Bestimmtheitsmaß; Rsq Wert (zwischen 0 und 1 ).

Es wurden insgesamt 10 Regressionsanalysen durchgeführt, die entsprechend der Tabelle 7 entnehmbaren selektierten Parameter und Substanzen die dort dargelegten Bestimmtheitsmaße R 2 aufweisen.

Die Funktionen weisen die entsprechenden Parameter P0 oder P1 und P2 und P3 sowie PP in ihrer Wichtung auf. Für jede Funktion werden sowohl die linearen Beiträge von den einzelnen Parametern als auch quadratische Effekte zwischen den Parametern berücksichtigt. Die dargelegten Formeln zeigen nur die signifikanten Beiträge (p<0.01 ).

Gleichung 2 zeigt beispielhaft die signifikanten Beiträge von P0 , P2 und P3 auf die Aufnahme von Substanzen in Kategorie A. Die dadurch ermittelte Funktion beschreibt den Zusammenhang zwischen Substanzaufnahme und den Parametern und kann demzufolge auch für die Vorhersage neuer Substanzaufnahmewerte in Abhängigkeit vorgegebener Parameterwerte P0 oder P1 , P2, P3 und PP genutzt werden. Bei Vorgabe einer spezifischen bioaktiven Substanz und entsprechend einem diskreten Wert PP können auch unterschiedliche Parameterkombinationen P0 oder P1 und P2 und P3 zur Konfiguration eines speziellen anionisch geladenen Flydrogelmaterials für einen beliebigen Substanzsequestrierungswert beziehungsweise

Substanzaufnahmewert abgeleitet werden. Insgesamt können somit beliebige Sequestrierungseigenschaften vorhergesagt und neue

Eigenschaftskombinationen von Materialien entwickelt und vorhergesagt werden.

Gleichung 2: P0, P2 und P3 der Substanzen in Kategorie A:

Diese Vorhersagen sind anhand der JMP®-Software wie folgt möglich: Für die Gleichung (hier am Beispiel der Gleichung 2 dargestellt) werden vier Fälle dargestellt, bei denen nur noch ein Parameter auf der X-Achse als Variable betrachtet wird und für die anderen Parameter konstante Werte festgelegt werden (siehe Figur 2B). Somit können in Abhängigkeit des einen Parameters alle Substanzaufnahmewerte vom Minimum bis zum Maximum bei gegebenen anderen drei Parametern ermittelt werden. Siehe beispielsweise Figur 2B links für den Wert P0 .

Weiterhin kann auch die Abhängigkeit von 2 variablen Parametern zueinander betrachtet werden. Dies ist dann entsprechend eine zweidimensionale Darstellung der Substanzaufnahmewerte in Abhängigkeit beider Parameter, wie in Figur 2C dargestellt ist. Es werden Linien konstanter Substanzaufnahmewerte (sog. Isolinien) erhalten, wobei eine Fläche zwei konstante Parameter enthält. Bei drei Parametern würde ein Würfel (jeweils ein variabler Parameter entlang der Würfelachse und ein konstanter Parameter resultieren, der aus übereinandergestapelten Flächen von 2 variablen Parametern entsteht. Für eine Substanz mit diskretem PP würde entsprechend ein Würfel mit den variablen Parametern P0 oder P1, und P2 und P3 resultieren.

Gleichung 1: P0 , P2 und P3 der Substanzen in Kategorie A:

Gleichung 2: P0 , P2 und P3 der Substanzen in Kategorie B

Gleichung 3: P0 , P2 und P3 der Substanzen in Kategorie C

Gleichung 4: P0 , P2 und P3 der Substanzen in Kategorie D

Gleichung 5: P0 , P2 und P3 der Substanzen der Kategorien A-D

Gleichung 6: P1 , P2 und P3 der Substanzen der Kategorie A Gleichung 7: P1 , P2 und P3 der Substanzen der Kategorie B

Gleichung 8: P1 , P2 und P3 der Substanzen der Kategorie C

Gleichung 9: P1 , P2 und P3 der Substanzen der Kategorie D

Gleichung 10: P1 , P2 und P3 der Substanzen der Kategorien A-D Freisetzung des Wachstumsfaktors VEGF165 aus den Hydrogelen

Die Hydrogelmaterialien werden entsprechend der in den Tabellen 5-1 bis 5-5 vorgegebenen Mischungen hergestellt. Es wurden je 10 μl der Prekursorlösung mit 100 ng rekombinantem menschlichen VEGF165 (38,2 kDa; Peprotech, Deutschland) in einem Röhrchen mit geringer Proteinbindung gemischt und dabei gleichzeitig vernetzt. Die Hydrogelmaterialien werden bei RT in 300 μl serumfreies Dulbecco's Modified Eagle Medium (DMEM; Gibco Life Technologies, USA) mit 0,1 % BSA und 0,05 % ProClin300 gelegt und nach 3, 6, 24, 96, 168 und 240 h das Medium entfernt, gesammelt und bei -80 °C gelagert und durch frisches Medium ersetzt. Die Menge an freigesetztem Protein VEGF wird für jeden Entnahmezeitpunkt mittels Enzyme-Iinked Immunosorbent Assay (ELISA; DuoSet kit, R&D Systems, USA) nach dem Protokoll des Herstellers quantifiziert.

Der Einfluss der Parameter P0 , P1 , P2 und P3 der anionisch geladen Hydrogelmaterialien auf die Langzeitfreisetzung des Wachstumsfaktors VEGF165 aus dem jeweiligen Hydrogelmaterial wurde über eine Dauer von 240 Stunden (10 Tage) analysiert (siehe Tabelle 7).

Ähnlich wie die in den Bindungsexperimenten verwendeten Hydrogelmaterialien wurde VEGF165 aus Hydrogelmaterialien mit ähnlichen mechanischen Eigenschaften (Speichermodul im Bereich 2-4 kPa) freigesetzt, so dass die Maschenweite groß genug war, um einen freien Proteintransport zu ermöglichen. Die ausgewählten Hydrogelmaterialeigenschaften wurden so ausgelegt, dass sie eine vergleichbar hohe Konzentration der anionisch geladenen Gruppen (nicht Bausteine), ausgedrückt durch den Parameter P0 im Bereich 35-63 μmol/ml und stark variable integrale Sulfatkonzentrationen (P1 ), lokale Sulf(on)atdichten (P2) und Amphiphilie der anionischen Bausteine (P3) aufwiesen. Alle Hydrogelmaterialien zeigten eine anfänglich schnelle Freisetzung des VEGF165 innerhalb der ersten 24 h, gefolgt von nahezu konstanten, langsamen, linearen Freisetzungsprofilen über 240 h. PEG/PEG-Hydrogelmaterialien zeigten aufgrund dem Fehlen anionisch geladener Bausteine die höchste VEGF165- Freisetzung mit 55 % Freisetzung am Ende der zehntägigen Untersuchung.

Die Tabellen 8-1 bis 8-2 zeigt eine kumulative Freisetzung von VEGF165 als bioaktive Substanz aus Hydrogelmaterialien der Typen 53 bis 62. (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 6), Obere Reihe: Hydrogelmaterialtypen, Reihe 2 bis 5: Parameter P0 , P1 , P2, P3, Reihe 7-12: Substanzfreisetzungswerte in % bei 3, 24, 48, 96,168 und 240h.

Die höchste VEGF165-Freisetzung für die anionischen Hydrogelmaterialien wurde für GB2-UGB3 Type 54 mit 32,8 % Proteinfreisetzung erreicht, gefolgt von GB4-UGB3 Typ 56 E50 mit einer Freisetzung von 26,9 % nach 240 Stunden (siehe Tabelle 7). Die Ergebnisse zeigen das invers zur Bindung ein niedriger Parameter P2 (lokale Ladungsdichte, entscheidend für spezifische Ladungswechselwirkungen) und ein niedriger Parameter P3 (und daher hydrophiler anionischer Baustein) die Freisetzung von VEGF165 verstärkt.

Imunzellmigration in Abhängigkeit der abgestuften Sequestrierung der Substanz

IL-8

Die 1 :1 gemischten Prekursorlösungen (siehe Tabellen 5-1 bis 5-5, GB2-UGB3 63 bis UGB1 -UGB366) werden auf dem Boden einer 24 Well-Platte pipettiert und mit Teflonfilm abgeflacht, um eine dünne Gelschicht zu erzeugen, die den Boden der Vertiefung bedeckt. Die Hydrogelschichten werden durch UV-Bestrahlung für 20 min unter der Sterilbank sterilisiert und mit sterilem 1 %igem BSA für eine Stunde inkubiert und danach mit PBS gewaschen. Die Hydrogele werden anschließend für 24 h in 850 μl IL-8-Lösung (0, 10 oder 100 ng/ml IL-8 in RPMI 1640 Medium (Gibco, Life Technologies, USA) mit 0,1 % BSA) inkubiert. Frisches Vollblut wird von gesunden menschlichen Probanden entnommen, und das Blut mit Hirudin (Refludan 1 mM (Celgene München, Deutschland)) antikoaguliert. 200 mI Blut werden nun in hängende Transwell-Einsätze (8 gm, PET, Merck Millipore) mit der Hydrogel-Schicht und der IL-8-Lösung im Boden eingefüllt und bei 37 °C für 2 h inkubiert. Die eingewanderten Zellen werden aus den Vertiefungen entnommen und mit RPMI gewaschen. Für die Durchflusszytometrie werden die Zellen mit PE-markierten anti-humanen CD15- Antikörpern (BioLegend, USA) für 30 min im Dunkeln bei Raumtemperatur gefärbt. Für jede Hydrogelbedingung wird die Menge der CD15+ migrierenden Granulozyten auf ein mit RPMI inkubiertes PEG-Hydrogel normalisiert (-ve Kontrolle).

Eine Strategie zur Behandlung exzessiver Entzündungen, die sich aus vielschichtigen Prozessen ergeben, besteht darin, Effektormoleküle, wie Chemokine, zu stören. Während einer Entzündung rekrutieren und aktivieren Chemokine selektiv Immunzellen, um Krankheitserreger und Verletzungen zu erkennen und zu bekämpfen. Die Überexpression von Chemokinen kann jedoch zu einem unkontrollierten Einstrom von Immunzellen führen, der die Produktion weiterer Entzündungsmediatoren, darunter noch mehr Chemokine, antreibt und schließlich zu einer langanhaltenden oder chronischen Entzündung führt. lnterleukin-8 (IL-8) ist für die Rekrutierung von Imunzellen an Infektionsstellen verantwortlich, trägt zur transendothelialen Migration von Imunzellen bei und ist an vielen Entzündungskrankheiten (Gerard et al. , 2001 , doi: 10.1038/84209) und chronischen Wunden (Kroeze et al. ,2012 doi: 10.1111 /j.1524- 475X.2012.00789.x) beteiligt.

Um eine biologisch relevante Anwendung der parameterabhängigen Sequestrierung von Chemokinen mittels anionisch geladenen Hydrogelmaterialien zu beurteilen, wurde die chermoattraktive Funktion von IL-8 in realistischen Transmigrationsassays unter Verwendung humanen Vollbluts als Biofluid untersucht, bei denen spezielle Immunzellen, sogenannte Granulozyten, bekanntermaßen auf die IL-8-Aktivierung durch Chemotaxis während der Entzündung reagieren (REF). Der Zusatz von IL-8 in Kulturmedium, vorinkubiert mit dünnen Hydrogelfilmen aus UGB2 und GB2 oder GB7 (Typen 63 und 64) zeigte die Wirksamkeit dieser Hydrogele zur Sequestrierung von IL-8, was durch die minimierte Transmigration von Granulozyten belegt wurde (siehe Tabellen 8- 1 bis 8-2). Bei zwei biologisch relevanten Konzentrationen von IL-8 (10 und 100 ng/ml) zeigten diese Hydrogele im Vergleich zu ihren UGB1/UGB3- Positivkontrolle-Hydrogelen (Typ 66) eine signifikante Hemmung der Granulozyten-Migrationsaktivität (Signifikantswert p < 0,0001), siehe Tabellen 8- 1 bis 8-2. Tatsächlich war die Anzahl der migrierenden Granulozyten bei diesen beiden Hydrogelmaterialtypen so niedrig wie bei dem UGB1/UGB2-Hydrogel, das nicht IL-8 ausgesetzt war (Negativkontrolle), was auf eine beispiellose Kapazität beim Auffangen und Zurückhalten des IL-8 innerhalb des Hydrogels über einen hohen IL-8-Konzentrationsbereich hinweist.

Im Gegensatz dazu verringerten GB9-Hydrogelmaterialien die Granulozytenmigration bei 10 ng/ml nur geringfügig (allerdings nicht signifikant) und bei 100 ng/ml wurde keine Migrationshemmung angezeigt. Darüber hinaus zeigte keines der anderen Hydrogelmaterialien basierend auf anionisch geladenen Bausteinen einen signifikanten Einfluss auf das Migrationsverhalten der Granulozyten. Die Chemokin-abfangenden Komponenten GB7 und GB2 innerhalb des sterisch zugänglichen Hydrogel-Netzwerks zeigten eine überlegene IL-8-Bindung und Granulozytenhemmung, nicht nur wegen der hohen anionischen Ladungsdichte (global P1 und lokal P2) innerhalb des Netzwerks, sondern auch wegen der Fähigkeit, die Interaktion des Proteins durch hydrophobe Interaktionen nicht nur elektrostatisch zu stabilisieren, ähnlich der IL-8-lnteraktion mit seinem Rezeptor (IL-8r1 ) (Clubb et al. , 1994 doi: 10.1016/0014-5793(94)80123-1 ). Diese Befunde stimmen mit den Vorhersagewerten der Regressionsanalyse überein.

Die Tabellen 8-1 bis 8-2 zeigen eine Migration von Immunzellen aus humanem Vollblut und die Reaktion von Blutgranulozyten auf eine IL-8-Lösung, die mit verschiedenen aus anionisch geladenen Bausteinen inkubiert wurde, relativ zur Zahl der in UGB1/UGB3-Negativkontroll-Hydrogelmaterialien eingewanderten Zellen ohne IL-8. (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 5).

Zellkultur: HUVEC Morphogenese

Humane Nabelvenen-Endothelzellen (HUVEC) werden, wie zuvor beschrieben (Weis et al., 1991 doi: 10.1016/0049-3848(91 )90245-r) isoliert und in Endothelzell-Wachstumsmedium (ECGM; Promocell, Deutschland), das den Supplement-Mix (Promocell, Deutschland) und 1 % Pen-Strep (Sigma-Aldrich, Deutschland) enthält, in Fibronektin-beschichteten 75-cm2-Kulturflaschen in einem befeuchteten Inkubator bei 5 % CO2 und 37 °C kultiviert. Nach Erreichen von 80 % Konfluenz werden die Zellen mit 0,5 % Trypsin-EDTA-Lösung (Sigma- Aldrich, Deutschland) abgelöst, gesammelt, bei 1000 U/min zentrifugiert und bis zur weiteren Verwendung in geeigneter Dichte wieder ausgesät. Für alle Experimente werden Zellen der Passage 2-6 verwendet. Die HUVEC Zellkulturexperimente werden nach Limasale et al. 2020 (Limasale, et al. , 2020 doi: 10.1002/adfm.202000068) durchgeführt. Zur experimentellen Auswertung werden die HUVEC mit dem zytosolischen Tracer Carboxyfluoresceindiacetat, Succinimidylester (CFDA-SE) (Vybrant® CFDASE Cell Tracer Kit, Thermo Fischer Scientific, USA) nach dem Protokoll des Herstellers angefärbt, bevor sie in das Hydrogel eingebettet werden.

Der Vernetzer UGB3 und die maleimidierten, geladenen Bausteine GB1-GB9 werden in HUVEC-Kulturmedium gelöst (Tabellen 5-1 bis 5-5, GB7-UGB367 bis UGB1-UGB3 69) und anschließend das adhäsive Peptid CWGGRGDSP (cRGD, 990 g/mol) im Molverhältnis 2:1 zum geladenen Baustein hinzugefügt. Danach wird das Polymer-RGD-Gemisch mit VEGF165 (PeproTech, USA) bei einer Endkonzentration von 20 μg/ml funktionalisiert und das gleiche Volumen HUVEC-Suspension zugegeben. Mit dieser Lösung und UGB3 im Volumenverhältnis 1 :1 werden 20 μl Hydrogelmaterialtropfen auf hydrophobe m- Objektträger als 8-Well-Kammern (Ibidi, Deutschland) pipettiert. Nach der ln-situ- Vernetzung werden die Gele sofort in das Zellkulturmedium gelegt und am dritten Tag mit einem konfokalen DragonFly Spinning Disc-Mikroskop (Andor, Oxford Instruments, Vereinigtes Königreich) untersucht. Um das Maß der Bildung röhrenförmiger Strukturen in 3D zu quantifizieren, wurden 100 μm dicke z- Schichten mit der Software Imaris (Version 9.2.1 , Bitplane AG, Schweiz) unter Verwendung des Filament-Tracer-Moduls analysiert. Mit einem Schwellenwertalgorithmus wird ein 3D Bild der röhrenförmigen Strukturen aus der CFDA-SE-Zellfärbung erstellt. Aus diesen Bildern wird die Gesamtfläche der Gefäße berechnet.

Die Ergebnisse der HUVEC-Zellkulturexperimente sind in Tabelle 9 dargestellt. Hydrogelmaterialien ohne anionisch geladene Bausteine (UGB1-UGB3 69) zeigten eine minimale Zelldehnung. Die Gesamtfläche der röhrenförmigen Strukturen war bei Hydrogelen mit GB7 (GB7-UGB3 67) und GB9 (GB9-UGB3 68) höher. Der synergistische Effekt der Wahl der richtigen Hydrogelmaterialparameter ermöglichte eine kontrollierte Freisetzung des VEGF165, um die HUVEC-Morphogenese und die Bildung von Röhren zu stimulieren.

Die Tabelle 10 zeigt die Zellkultur von HUVECs, Reihe 1 : Hydrogeltyp, Reihe 2- 4: Parameter P0 bis P3, Reihe 6: Oberfläche röhrenartiger Strukturen als gewünschte Zellmorphologie (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 5).

Zellkultur: HK-2 Tubulogenese

Die Zellkulturexperimente mit HK-2 (humane Nierenzellen-2) werden auf Grundlage von (Weber et al., 2017 doi: 10.1016/j.actbio.2017.05.035) durchgeführt. Die HK-2 Zellen (American Type Culture Collection, ATCC, #CRL- 2190) werden in DMEM/F-12 Medium (Gibco, Life Technology, USA) mit 10 % fötalem Rinderserum (FBS, Biochrom, Deutschland) und 1 % Pen-Strep (Sigma- Aldrich, Deutschland) kultiviert. Das Medium für die 2D- und 3D-Kulturen wird jeden zweiten Tag gewechselt. Die Zellen der Passagen 11 -20 werden verwendet und 3D-Kulturen für 3 Wochen kultiviert.

Die Hydrogelbauteile werden in PBS mit 1 % Pen-Strep gelöst, wobei zu dem in einem Viertel des Gesamtvolumens gelösten maleimidierten Polymer die HK-2 Zellen (suspendiert in einem Viertel des Gesamtvolumens) gemischt werden (GB3-UGB3 70 bis UGB1-UGB3 76). Die Zellkonzentration beträgt 2,5*106 Zellen/ml, das entspricht 50.000 Zellen/20 μl Gel. Der Vernetzer UGB3 wird in der Hälfte des Gesamtvolumens gelöst, in beiden Prekusorenlösungen gemischt und 20 μI Hydrogeltropfen auf 6 mm Glasscheiben mit SigmaCote® pipettiert.

Für die Immunhistochemie werden die Proben zunächst für 20 min in 4%igem Paraformaldehyd fixiert, 2x mit PBS gewaschen und anschließend immungefärbt. Die Proben werden mit 0,1 % BSA in PBS mit 0,5 % Triton X-100 für 1 h blockiert und über Nacht mit primären Antikörpern (Maus-anti-ß-Catenin, 1 :100, BD Transduction Laboratories, USA) bei 4 °C inkubiert. Nach dreimaligem Waschen mit PBS/0,1 % Triton X-100/0,1 % BSA werden sekundäre Antikörper (Alexa Flour488 Ziege-anti-Maus, 1 :200, Invitrogen, USA) hinzugegeben und für 1 h bei RT inkubiert. Für die Aktin- und Lotus-tetragonobolus-Lektin (LTL)-Färbung wird während der Inkubation mit den sekundären Antikörpern Phalloidin Atto 550 (1 :50, Sigma-Aldrich, Deutschland) beziehungsweise Fluorescein-markiertes LTL (1 :500, Vector Laboratories, USA) hinzugegeben. Anschließend werden die Proben gewaschen und mit dem Farbstoff DRAQ5 (Thermo Fisher Scientific, USA) 20-30 min inkubiert. Die Fluoreszenzaufnahmen werden mit dem konfokalen DragonFly Spinning Disc-Mikroskop aufgenommen.

Zur Quantifizierung der Anzahl und Länge der gebildeten Röhrenstrukturen werden nach der Fixierung der Zellen von jedem Hydrogel einphasige 4x EDF Kontrastaufnahmen gemacht. Alle Zellverbände auf den aufgenommenen Bildern werden mit der Software Image J ausgezählt. Die Kolonien werden in runde Sphäroide, stachelige Sphäroide oder röhrenförmige Strukturen kategorisiert. Sie werden als röhrenförmig betrachtet, wenn ihr Verhältnis von Länge zu Durchmesser größer als 5 ist. Falls eine Kolonie mehrere Ausstülpungen / röhrenförmige Auswüchse hat, wird die längste für jede Kolonie ausgewertet, der Rest wird vernachlässigt. Da der Durchmesser entlang der Tubuli variiert, werden zwei bis drei Bereiche gemessen und gemittelt. Die Anzahl der gebildeten röhrenartigen Strukturen wird als Prozentsatz der Kolonien, die Tubuli bilden, bestimmt. Die absolute Tubuluslänge aller tubulären Kolonien wird mit der Image J-Software ausgewertet.

Um mögliche Anwendungen von Hydrogelen auf Basis von anionisch ionisierbaren Bausteinen in dreidimensionalen in vitro- Gewebemodellen zu demonstrieren, wurden HK-2-Zellen in 3D als ein menschliches Nierentubulogenese-Modell kultiviert. HK-2-Zellen sind eine humane renale proximale Tubuluszelllinie, die unter günstigen Matrixbedingungen polarisierte Röhren bilden kann. Wir haben bereits früher über starPEG-Hep-Hydrogele als robuste, einstellbare Matrix berichtet, die die proximale Nierentubulogenese stimuliert und röhrenartige Strukturen mit der gleichen Morphologie und Architektur bildet, vergleichbar mit menschlichen Tubuli in vivo (Weber et al. , 2017 doi: 10.1016/j.actbio.2017.05.035).

Zur Untersuchung und Optimierung der Hydrogelmaterialeigenschaften basierend auf den anionisch geladenen Bausteinen für die Nierentubulogenese wurden die drei Polymere GB7, GB3 und GB4 ausgewählt. Der Einfluss unterschiedlicher Konzentrationen der Polymere (2, 20 und 100 %) innerhalb der maleimidierten Bausteine des Hydrogelmaterials wurde ebenfalls getestet. Die verschiedenen anionisch geladenen Bausteine wurden mit UGB3 vernetzt, um eine zellresponsive Umstrukturierung der Matrix über zellsezernierte Enzyme, den sogenannten Matrixmetallopreteinasen (MMPs) zu ermöglichen. Die abbaubaren Hydrogelmaterialien wurden so eingestellt, dass sie eine ähnliche Steifigkeit von 500 Pa aufweisen. Als Positivkontrolle wurden, wie bereits berichtet (Weber et al., 2017 doi: 10.1016/j.actbio.2017.05.035), GB9-UGB3- Hydrogele verwendet, während das nicht-sulfatierte UGB1 mit UGB3-Hydrogelen als Negativkontrolle eingesetzt wurde. Die Kolonien wurden hinsichtlich des Maßes der Tubulogenese und durchschnittliche Röhrenlänge ausgewertet, indem die Kolonien gezählt und nach ihrem Stadium der Tubulogenese (runde Sphäroide, Sphäroide mit Fortsätzen ("stachelige Sphäroide") oder röhrenförmige Strukturen) kategorisiert wurden. Als röhrenförmige Strukturen wurden die Kolonien klassifiziert, wenn ihr Verhältnis von Länge zu Durchmesser 5:1 oder höher war.

GB9-Hydrogelmaterialien zeigten durchschnittlich 13±7 % tubuläre Kolonien, während UGB1-UGB3-Hydrogele erwartungsgemäß keine Tubulogenese förderten und keine tubulären Kolonien beobachtet wurden. Vergleichbar mit GB9-Hydrogelen zeigten GB7 (mit 2 % der maleimidierten geladenen Bausteine, GB7-UGB1-UGB3 74) und GB3 (mit 100 %, GB3-UGB3 70) die tubulären Kolonien von 19±8 % beziehungsweise 14±11 %. Interessanterweise führt eine höhere GB7-Konzentration als 2 % innerhalb der Hydrogelmaterialien zur Apoptose von HK-2-Zellen, was darauf hindeutet, dass der GB7 bei höheren Konzentrationen eine hohe Affinität zu essentiellen Proteinen in den Kulturmedien hat, die die Proteine auffangen und so den Zellen lebenswichtige Nährstoffe entziehen. Das hoch sulfonierte Analogon von GB3 ist GB4, dessen Hydrogelmaterialien nur eine geringe Tubulogenese sowohl bei 100%iger (GB4- UGB3 72) als auch bei 20%iger Konzentration (GB4-UGB1 -UGB373) (4±7 % bzw. 2±3 %) aufwiesen, was darauf hinweist, wie wichtig es ist, die Ladung der Matrix anzupassen, um die Nierentubulogenese zu kontrollieren. Einige Erkrankungen wiesen sogar Strukturen auf, die der Morphologie des proximalen Tubulus in vivo ähnelten, wobei die HK-2-Zellen Sphäroide mit Lumen bildeten, die entlang der basolateralen Membranen β-Catenin exprimierten. Bei den vielversprechendsten Matrixbedingungen, GB9 (GB9-UGB3 75)- GB7 2 % (GB7-UGB1-UGB3 74) - und GB3 100 % (GB3-UGB3 70)-Hydrogelmaterialien, war die durchschnittliche Röhrenlänge mit 140, 176 beziehungsweise 173 μm vergleichbar. Die röhrenartigen Strukturen des anionisch ionisierbaren Hydrogelmaterials banden sowohl an das proximale tubulusspezifische Lotus- Tetragonolobus-Lectin (LTL) als apikalen Marker als auch an β-Catenin als basolateralen Marker und bestätigten damit, dass die röhrenartigen Strukturen in den Hydrogelen ihren differenzierten Phänotyp und ihre Polarisation in der berichteten 3D-Kultur beibehielten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die anionisch geladenen Hydrogele eine günstige Matrix für die Nierentubulogenese boten, vergleichbar mit dem gut etablierten Hydrogelmodell auf Heparin-Basis, und polarisierte Tubulusstrukturen mit ähnlicher Morphologie und Architektur erzeugten.

Die Tabelle 11 zeigt Ergebnisse einer Zellkultur von HK-2-Zellen, Reihe 1 : Hydrogelmaterialtyp, Reihe 2-4: Parameter P0 bis P3, Reihe 6: Runde Sphäroide in %, Reihe 7: Stachelige Sphäroide in %, Reihe 8: Röhrenförmige Strukturen in %, (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 5).

Statistische Analyse

Alle Statistiken wurden mit GraphPad Prism 5 (GraphPad Software Inc.) durchgeführt. Alle Werte werden als Mittelwert ± Standardabweichung für mindestens drei unabhängige Stichproben angegeben. Wenn angegeben, wurde die statistische Analyse mit einer einseitigen Varianzanalyse (ANOVA) durchgeführt, gefolgt von einem Tukey-Post-Hoc-Test mit einem Konfidenzintervall von 95 %.