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Title:
METHOD FOR ANALYZING THE BEHAVIOR OF COMPLEX SYSTEMS, ESPECIALLY INTERNAL COMBUSTION ENGINES
Document Type and Number:
WIPO Patent Application WO/2006/007621
Kind Code:
A2
Abstract:
The invention relates to a method for analyzing the behavior of complex systems, particularly internal combustion engines, by forming a model that represents different test variables in accordance with input variables. Said method comprises the following steps: - a model is established which shows the dependence of the test variables on the input variables, and said model is calibrated based on the test values of the real system obtained at the test points; - the model is subdivided into at least two partial models; - at least one first principal influential parameter is identified for the first partial model; - an optimal value of the first principal influential parameter is determined at each test point; - the first principal influential parameter is interpolated for all plausible constellations of input variables to calibrate the first partial model; - another partial model is established to show another subset of test variables in accordance with the input variables and the previously determined first subset of test variables; - at least one additional principal influential parameter is identified for said other partial model; - an optimal value of the additional principal influential parameter is determined at each test point.

Inventors:
SCHANTL RAINER (AT)
EBNER THOMAS (AT)
VOGELS MARIE-SOPHIE (AT)
Application Number:
PCT/AT2005/000289
Publication Date:
January 26, 2006
Filing Date:
July 21, 2005
Export Citation:
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Assignee:
AVL LIST GMBH (AT)
SCHANTL RAINER (AT)
EBNER THOMAS (AT)
VOGELS MARIE-SOPHIE (AT)
International Classes:
G05B17/02
Foreign References:
US6208953B12001-03-27
US6473658B12002-10-29
US5608842A1997-03-04
Attorney, Agent or Firm:
Babeluk, Michael (WIEN, AT)
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Claims:
PATENTANSPRÜCHE
1. Verfahren zur Untersuchung des Verhaltens von komplexen Systemen, ins¬ besondere von Brennkraftmaschinen durch Bildung eines Modells, das ver¬ schiedene Messgrößen in Abhängigkeit von Eingangsvariablen darstellt, mit folgenden grundsätzlichen Schritten: Auswählen verschiedener Messpunkte, die unterschiedlichen Konstellatio¬ nen von Messgrößen entsprechen, und Durchführen von Messungen zur Ermittlung von Messgrößen an einem realen System; Erstellen eines Modells, das die Abhängigkeit der Messgrößen von den Eingangsvariablen abbildet und Kalibrieren des Modells anhand der an den Messpunkten gewonnenen Messwerten des realen Systems; dadurch gekennzeichnet, dass im Einzelnen die folgenden Schritte durch¬ geführt werden: Unterteilen des Modells in mindestens zwei Teilmodelle; Erstellen mindestens eines ersten Teilmodells, das eine erste Teilmenge der Messgrößen abbildet; Identifizieren mindestens eines ersten Haupteinflussparameters für das erste Teilmodell; Bestimmen eines optimalen Wertes des ersten Haupteinflussparameters in jedem Messpunkt; Interpolieren des ersten Haupteinflussparameters für alle sinnvollen Kon¬ stellationen von Eingangsvariablen zur Kalibrierung des ersten Teilmo¬ dells; Erstellen eines weiteren Teilmodells zur Abbildung einer weiteren Teil¬ menge der Messgrößen in Abhängigkeit der Eingangsvariablen und der zuvor ermittelten ersten Teilmenge der Messgrößen; Identifizieren mindestens eines weiteren Haupteinflussparameters für das weitere Teilmodell; Bestimmen eines optimalen Wertes des weiteren Haupteinflussparame¬ ters in jedem Messpunkt; Interpolieren des weiteren Haupteinflussparameters für alle sinnvollen Konstellationen von Eingangsvariablen zur Kalibrierung des weiteren Teil¬ modells.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Teil¬ modelle nacheinander kalibriert werden, wobei die in jedem Teilmodell er¬ mittelten Messgrößen Eingangsvariable für darauffolgende Teilmodelle dar¬ stellen.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass in ei¬ nem Teilmodell genau eine Messgröße ermittelt wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass in einer Messgröße ein einzelner Haupteinflussparameter zugeordnet wird und dass die Kalibrierung des zugehörigen Teilmodells durch vollfakto rielle Variation erfolgt.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Interpolation des Haupteinflussparameters als lineare Interpolation ausgeführt wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass eine Brennkraftmaschine untersucht wird und dass als Messgrößen fol¬ gende Größen herangezogen werden: einströmende Luftmasse, indizierter Mitteldruck, maximaler Zylinderdruck und Abgastemperaturvorkatalysator bzw. Turbine.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass der optimale Wert der Haupteinflussparameter in den Messpunkten dadurch bestimmt wird, dass für verschiedene diskrete Werte des Haupt¬ einflussparameters, d.h. an vorbestimmten Stützstellen, ein Sollwert für die jeweilige Messgröße berechnet wird, aus den so berechneten Werten ein Interpolationsmodell erstellt wird, das für beliebige Werte des Hauptein¬ flussparameters Sollwerte für die jeweilige Messgröße angibt, danach eine Differenz zwischen diesen Sollwerten und dem gemessenen Istwert der Messgröße minimiert wird und daraus auf den optimalen wert des Hauptein¬ flussparameters rückgeschlossen wird.
8. Verfahren zur Untersuchung des Verhaltens von komplexen Systemen, ins¬ besondere von Brennkraftmaschinen durch Bildung eines Modells, das ver¬ schiedene Messgrößen in Abhängigkeit von Eingangsvariablen darstellt, mit folgenden grundsätzlichen Schritten: Auswählen verschiedener Messpunkte, die unterschiedlichen Konstellatio¬ nen von Messgrößen entsprechen, und Durchführen von Messungen zur Ermittlung von Messgrößen an einem realen System; Erstellen eines Modells, das die Abhängigkeit der Messgrößen von den Eingangsvariablen abbildet und Kalibrieren des Modells anhand der an den Messpunkten gewonnenen Messwerten des realen Systems; dadurch gekennzeichnet, dass im Einzelnen die folgenden Schritte durch¬ geführt werden: Auswahl einer Vielzahl von ersten Vektoren, die jeweils eine bestimmte Konstellation der Eingangsvariablen darstellen und den sinnvollen Ar¬ beitsbereich des Systems abdecken; Gewinnen von rechnerischen Werten einer Messgröße durch Verwen¬ dung des Basismodells, um Simulationswerte der Messgröße zu be¬ rechnen, die den ersten Vektoren zugeordnet sind; Auswahl einer Vielzahl von zweiten Vektoren, die jeweils weitere Kons¬ tellation der Eingangsvariablen darstellen; Durchführen von Messungen zur Gewinnung von experimentellen Wer¬ ten der Messgröße, die den zweiten Vektoren zugeordnet sind; Erweitern jedes Vektors um eine Dimension durch Einführen einer Blockvariablen, die für die ersten Vektoren auf einen ersten Wert und für die zweiten Vektoren auf einen zweiten Wert festgesetzt wird; Erstellen eines multivariaten Regressionsmodells, das die Messgröße als polynomiale Funktion der erweiterten Vektoren der Eingangsvari¬ ablen darstellt, auf der Basis der zuvor bestimmten rechnerischen Wer¬ te der Messgröße und der experimentellen Werte der Messgröße; Bestimmen von mindestens einem dritten Vektor, der eine Konstella¬ tion der Eingangsvariablen darstellt bei der das System untersucht werden soll; Erweitern des dritten Vektors um eine Blockvariable, die auf den zwei¬ ten Wert festgesetzt ist; Berechnen der Messgröße mit dem Regressionsmodell mit dem erwei¬ terten dritten Vektor als Eingangsgröße.
9. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine Mess¬ größe mindestens eines Teilmodells durch folgende Schritte gewonnen wird: Auswahl einer Vielzahl von ersten Vektoren, die jeweils eine bestimmte Konstellation der Eingangsvariablen darstellen und den sinnvollen Ar¬ beitsbereich des Systems abdecken; Gewinnen von rechnerischen Werten der Messgröße durch Verwendung des Basismodells, um Simulationswerte der Messgröße zu berechnen, die den ersten Vektoren zugeordnet sind; Auswahl einer Vielzahl von zweiten Vektoren, die jeweils weitere Kons¬ tellation der Eingangsvariablen darstellen; Durchführen von Messungen zur Gewinnung von experimentellen Wer¬ ten der Messgröße, die den zweiten Vektoren zugeordnet sind; Erweitern jedes Vektors um eine Dimension durch Einführen einer Blockvariablen, die für die ersten Vektoren auf einen ersten Wert und für die zweiten Vektoren auf einen zweiten Wert festgesetzt wird; Erstellen eines multivariaten Regressionsmodells, das die Messgröße als polynomiale Funktion der erweiterten Vektoren der Eingangsvari¬ ablen darstellt, auf der Basis der zuvor bestimmten rechnerischen Wer¬ te der Messgröße und der experimentellen Werte der Messgröße; Bestimmen von mindestens einem dritten Vektor, der eine Konstella¬ tion der Eingangsvariablen darstellt bei der das System untersucht werden soll; .
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Regressionsmodell nichtlinear ist.
11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Regres¬ sionsmodell quadratisch ist.
12. Verfahren nach Anspruch 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der ersten Vektoren größer ist als die Anzahl der zweiten Vektoren.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das System eine Brennkraftmaschine ist und dass als Eingangsvariable Drehzahl, Last, sowie gegebenenfalls weitere Größen verwendet werden.
Description:
Verfahren zur Untersuchung des Verhaltens von komplexen Systemen, insbesondere von Brennkraftmaschinen

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Untersuchung des Verhaltens von kom¬ plexen Systemen, insbesondere von Brennkraftmaschinen durch Bildung eines Modells, das verschiedene Messgrößen in Abhängigkeit von Eingangsvariablen darstellt, mit folgenden grundsätzlichen Schritten:

- Auswählen verschiedener Messpunkte, die unterschiedlichen Konstellatio¬ nen von Messgrößen entsprechen, und Durchführen von Messungen zur Ermittlung von Messgrößen an einem realen System;

- Erstellen eines Modells, das die Abhängigkeit der Messgrößen von den Eingangsvariablen abbildet und Kalibrieren des Modells anhand der an den Messpunkten gewonnenen Messwerten des realen Systems.

In vielen Bereichen der Technik ist es erforderlich, komplexe Systeme durch Mo¬ delle abzubilden, um Informationen über dieses Systeme zu gewinnen und Ent¬ wicklungsarbeiten durchzuführen.

Ein bekanntes Problem ist dabei das sogenannte Frontloading, bei dem es darum geht, Simulation und Analyse bereits in der frühen Konzept- oder Konstruktions¬ phase eines neuen Produktes so zu integrieren, so dass möglichst viele wichtige Entwicklungsentscheidungen durch Simulation, d.h. virtuelle Versuche, abgesich¬ ert werden können.

Dies ist insbesondere im Hinblick darauf wichtig, dass die Durchführung von Mes¬ sungen an realen Systemen aufwendig ist und die Messwerte oftmals nicht in Echtzeit zu erhalten sind. Ein Standardverfahren zur Durchführung von Simula¬ tionen besteht darin, dass das zu untersuchende System durch ein Simulations¬ modell abgebildet wird, das das grundsätzliche Verhalten des Systems wider¬ spiegelt. Dieses Simulationsmodell wird durch eine Anzahl von Messwerten, die an einem realen System gewonnen werden, parametrisiert und kalibriert, so dass eine ausreichend genaue Übereinstimmung zwischen Simulationsmodell und re¬ alen System erreicht wird. Nach Vorliegen des Simulationsmodells können wei¬ tere Messwerte in großer Anzahl und mit geringem Aufwand berechnet werden.

Ein Verfahren dieser Art ist zwar grundsätzlich universell anwendbar, jedoch nicht in allen Fällen praktikabel. So ist es beispielsweise im Bereich der Motoren¬ entwicklung erforderlich, Motorsteuergeräte zu einem Zeitpunkt zu entwickeln, in dem zumindest anfänglich noch überhaupt keine realen Daten des Motors ver- fügbar sind. Erst zu einem späteren Zeitpunkt ist es möglich, auf Prüfständen reale Daten zu gewinnen, wobei jedoch die Anzahl dieser Daten üblicherweise wesentlich geringer ist als die Anzahl der durch ein Simulationsmodell berechen¬ baren Daten.

Um komplexe Systeme mit einem Mindestmaß an Genauigkeit abbilden zu kön¬ nen, ist es im Allgemeinen erforderlich, über eine ausreichende Anzahl von Daten zu verfügen, mit denen ein solches Modell kalibriert werden kann. Als Messgrö¬ ßen werden im Folgenden messbare Variable bezeichnet, die einerseits an einem realen System gemessen werden können und die andererseits durch das Simula¬ tionsmodell abgebildet werden sollen, um das Verhalten des Systems auch ohne die Durchführung von weiteren Messungen studieren zu können. Typische Mess¬ größen bei der Entwicklung von Brennkraftmaschinen mit innerer Verbrennung sind:

- einströmende Luftmasse,

- indizierter Mitteldruck,

- maximaler Zylinderdruck und

- Abgastemperaturvorkatalysator bzw. Turbine.

Als Eingangsvariable kommen in Frage:

- Drehzahl

- Einspritzmenge

- Ladetemperatur

- Ladedruck

- Abgasgegendruck

- Luft-Kraftstoff-Verhältnis im Einlass

- Wandtemperaturen im Brennraum

- Einspritzbeginn

- Zündverzug

- Brenndauer

- Vibe-Formfaktor

Die ersten fünf Größen können von dem Prüfstandsmessungen übernommen werden; das Luft-Kraftstoff-Verhältnis wird gegen unendlich gesetzt, da keine Abgasrückführung und damit kein Kraftstoff im Einlass vorhanden ist; der Ein- spritzbeginn wird aus den Daten des Steuergerätes (ECU-Kennfelder) während der Prüfstandsvermessung herausgelesen.

Der Zündverzug, um letztendlich den tatsächlichen Brennbeginn zu bestimmen, die Brenndauer sowie der Formfaktor werden in Abhängigkeit von Drehzahl und Last auf geschätzte Werte gesetzt, um die Vibe-Brennfunktion zu beschreiben und damit die Verbrennung zu simulieren. Die nähere Bestimmung erfolgt im Laufe der Optimierung.

In der Praxis steht nun oftmals nur eine geringe Anzahl von realen Messwerten zur Verfügung, so dass es mit herkömmlichen Verfahren nicht sinnvoll möglich ist, die komplexen und multivariablen Zusammenhänge zwischen der Vielzahl von Eingangsvariablen und den mehreren Messwerte in valider Weise abzubilden.

Aus M. SCHÜLER, M. HAFNER und R. ISERMANN: "Einsatz schneller neuronaler Netze zur modellbasierten Optimierung von Verbrennungsmotoren", MTZ 61, 2000, S. 2ff ist es bekannt, neuronale Netze zur Modellbildung zu verwenden, um das Motorverhalten im Detail zu simulieren. Dabei wird in einem dynami¬ schen Prozess ein Modell in mehrere Teilmodelle zerlegt und die Teilmodelle wer¬ den in einem übergeordneten Modell wieder zusammengefügt. Eine solche Mo¬ dellbildung ist äußerst aufwendig und nimmt wenig Rücksicht auf die tatsächli¬ chen physikalischen Zusammenhänge von Eingangsvariablen und Messgrößen.

Weiters beschreibt ein Artikel von J. P. VERHOEF und G. P. LEENDERTSE: "Identi¬ fication of Variables for Site Calibration and Power Curve Assessment in Complex Terrain", Energy Research Center of the Netherlands, die Erstellung von Simula¬ tionsmodellen und die Verbesserung der Parametrisierung unter Verwendung von Regressionsverfahren. Bei einer geringen Anzahl von realen Messwerten kann ein solches Verfahren keine Verbesserung erzielen. Ähnlich Nachteile gelten für ein Verfahren, wie es in M. HAFNER, O. JOST und R. ISERMANN: "Mechatronic De¬ sign Approach for Engine Management Systems", Darmstadt University of Tech¬ nology, Institute of Automatic Control, beschrieben ist.

Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren anzugeben, das diese Nachteile vermeidet und das es ermöglicht, auch bei einer geringen Anzahl von real ermittelten Daten sinnvolle Modelle zu erstellen, die hohe Prognosequalität aufweisen.

Im Rahmen einer ersten Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens werden im Einzelnen die folgen Schritte ausgeführt:

- Unterteilen des Modells in mindestens zwei Teilmodelle; - Erstellen mindestens eines ersten Teilmodells, das eine erste Teilmenge der Messgrößen abbildet;

- Identifizieren mindestens eines ersten Haupteinflussparameters für das erste Teilmodell;

- Bestimmen eines optimalen Wertes des ersten Haupteinflussparameters in jedem Messpunkt;

- Interpolieren des ersten Haupteinflussparameters für alle sinnvollen Konstellationen von Eingangsvariablen zur Kalibrierung des ersten Teil¬ modells;

- Erstellen eines weiteren Teilmodells zur Abbildung einer weiteren Teil¬ menge der Messgrößen in Abhängigkeit der Eingangsvariablen und der zuvor ermittelten ersten Teilmenge der Messgrößen;

- Identifizieren mindestens eines weiteren Haupteinflussparameters für das weitere Teilmodell;

- Bestimmen eines optimalen Wertes des weiteren Haupteinflussparame¬ ters in jedem Messpunkt;

- Interpolieren des weiteren Haupteinflussparameters für alle sinnvollen Konstellationen von Eingangsvariablen zur Kalibrierung des weiteren Teilmodells.

Wesentlich an der vorliegenden Erfindung ist, dass bei der Erstellung des Simu¬ lationsmodells in allgemeiner Weise Kenntnisse über das grundsätzliche Verhal¬ ten des zu Grunde liegenden physikalischen Systems verwendet werden, um die Qualität des Modells zu verbessern. Ein wesentliches Konzept dabei ist die Auf¬ teilung des Gesamtmodells in Teilmodelle, die in kausaler Weise voneinander ab¬ hängen.

Der Kausalitätszusammenhang kann insbesondere dadurch in optimaler Weise berücksichtigt werden, dass mehrere Teilmodelle nacheinander kalibriert werden, wobei die in jedem Teilmodell ermittelten Messgrößen Eingangsvariable für dar¬ auffolgende Teilmodelle darstellen.

An sich ist es möglich, die Berechnung dadurch zu vereinfachen, dass in jedem Teilmodell eine geringere Anzahl von Messgrößen bestimmt wird, als insgesamt zu berechnen sind. Eine besonders einfache und effiziente Berechnung wird je¬ doch in einer bevorzugten Ausführungsvariante dadurch ermöglicht, dass in je¬ weils einem Teilmodell genau eine Messgröße ermittelt wird. Eine weitere bevorzugte Ausführungsvariante des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass in einer Messgröße ein einzelner Haupteinflussparameter zuge¬ ordnet wird und dass die Kalibrierung des zugehörigen Teilmodells durch voll- faktorielle Variation erfolgt.

Besonders bevorzugt ist eine Variante des Verfahrens, bei der der optimale Wert der Haupteinflussparameter in den Messpunkten dadurch bestimmt wird, dass für verschiedene diskrete Werte des Haupteinflussparameters, d.h. an vorbestimm¬ ten Stützstellen, ein Sollwert für die jeweilige Messgröße berechnet wird, aus den so berechneten Werten ein Interpolationsmodell erstellt wird, das für beliebige Werte des Haupteinflussparameters Sollwerte für die jeweilige Messgröße angibt, danach eine Differenz zwischen diesen Sollwerten und dem gemessenen Istwert der Messgröße minimiert wird und daraus auf den optimalen wert des Hauptein¬ flussparameters rückgeschlossen wird. Als Interpolationsmodell kann eine poly- nomiale Approximation durchgeführt werden, es können aber auch neuronale Netze zu diesem Zweck eingesetzt werden. Grundüberlegung ist dabei, dass das Aufsuchen der optimalen Werte als Minimierung des Betrags der Differenz zwi¬ schen Sollwert und Istwert interpretiert werden kann und dass für eine solche Minimierung oft vorgefertigte Werkzeuge zur Verfügung stehen. Die Minimierung einer interpolierten Betragsfunktion der Differenz führt jedoch zu relativ großen Fehlern, da gerade im Optimum stetige Differenzierbarkeit nicht gegeben ist. Die bevorzugte Lösung führt zu wesentlich besseren Ergebnissen.

Diese Vorgangsweise ist in einem Modellierungsalgorithmus zusammengestellt, der auch als "ModelFormula" bezeichnet wird.

Bei der Simulation von Motoren wird in bevorzugter Weise ein Verfahren ange¬ wendet, das folgendermaßen charakterisiert werden kann:

Es wird dabei von einem allgemeinen Simulationsmodell ausgegangen, das Sys¬ teme der Kategorie des zu analysierenden Systems vom Grundsatz her adäquat abbildet. Die Systemkategorie kann dabei beispielsweise ein PKW-Dieselmotor mit mittleren Hubraum sein. Bevor überhaupt Messwerte des realen Motors zu Verfügung stehen, kann dieses allgemeine Modell für Voruntersuchungen ver¬ wendet werden, wobei jedoch klar ist, dass das Verhalten zwar qualitativ richtig beschrieben werden wird, die quantitativen Aussagen jedoch relativ ungenau sein werden. Sobald nun einzelne Messwerte des realen Systems zur Verfügung ste¬ hen, werden diese mit den virtuellen Messwerten aus dem Simulationsmodell kombiniert, um genauere Aussagen zu ermöglichen. Die Kombination erfolgt da¬ bei nicht in der Weise, dass das ursprüngliche Modell kalibriert oder parametri- siert wird, sondern es werden sämtliche Messwerte in ein übergeordnetes Modell einbezogen, das genauere Prognosen ermöglicht. Eine wesentliche Verbesserung der Prognosequalität kann bei einer solchen Vor¬ gangsweise durch folgende Punkte erzielt:

- Auswahl einer Vielzahl von ersten Vektoren, die jeweils eine bestimmte Konstellation der Eingangsvariablen darstellen und den sinnvollen Ar¬ beitsbereich des Systems abdecken;

- Gewinnen von rechnerischen Werten der Messgröße durch Verwendung des Basismodells, um Simulationswerte der Messgröße zu berechnen, die den ersten Vektoren zugeordnet sind;

- Auswahl einer Vielzahl von zweiten Vektoren, die jeweils weitere Konstel¬ lation der Eingangsvariablen darstellen;

- Durchführen von Messungen zur Gewinnung von experimentellen Werten der Messgröße, die den zweiten Vektoren zugeordnet sind;

- Erweitern jedes Vektors um eine Dimension durch Einführen einer Blockvariablen, die für die ersten Vektoren auf einen ersten Wert und für die zweiten Vektoren auf einen zweiten Wert festgesetzt wird;

- Erstellen eines multivariaten Regressionsmodells, das die Messgröße als polynomiale Funktion der erweiterten Vektoren der Eingangsvariablen darstellt, auf der Basis der zuvor bestimmten rechnerischen Werte der Messgröße und der experimentellen Werte der Messgröße;

- Bestimmen von mindestens einem dritten Vektor, der eine Konstellation der Eingangsvariablen darstellt, bei der das System untersucht werden soll;

- Erweitern des dritten Vektors um eine Blockvariable, die auf den zweiten Wert festgesetzt ist;

- Berechnen der Messgröße mit dem Regressionsmodell mit dem erweiter¬ ten dritten Vektor als Eingangsgröße.

Als typische Eingangsvariablen zur Simulation von Brennkraftmaschinen mit in¬ nerer Verbrennung sind, wie bereits oben gesagt, Drehzahl und Last anzusehen. Andere mögliche Eingangsgrößen sind Kraftstoff-Luft-Verhältnis, Saugrohrdruck, Saugrohrtemperatur oder Abgasgegendruck. Aus den n Eingangsgrößen, die in dem jeweiligen Modell eine Rolle spielen, werden zunächst n-dimensionale Vek¬ toren gebildet, die jeweils einem Punkt des n-dimensionalen Kennfelds entspre¬ chen. Um sinnvolle Ergebnisse zu halten, ist es erforderlich, den gesamten sinn¬ vollen Arbeitsbereich des Systems in ausreichender Dichte mit Messpunkten zu belegen. Durch Verwendung des Basismodells werden nun für alle ausgewählten Vektoren, das heißt an allen ausgewählten Messpunkten, entsprechende Berech¬ nungen durchgeführt, um die Messgröße zu berechnen. Als relevante Messgrößen für eine Brennkraftmaschine sind beispielsweise zu nennen: Luftmasse ein/aus, indizierter Mitteldruck, Wandwärmestrom, maximaler Zylinderdruck usw.

An einem realen System werden nun an weiteren Messpunkten auf experimen¬ tellem Weg weitere Werte der Messgröße ermittelt.

Wesentlicher Verfahrensschritt des bevorzugten Verfahrens ist es nunmehr, dass den ersten Vektoren der Messgrößen, die im Basismodell verarbeitet worden sind, eine Blockvariable als zusätzliche Dimension hinzugefügt wird, die auf einen ersten vorbestimmten Wert festgesetzt ist. In analoger Weise werden die zweiten Vektoren mit einer Blockvariable um eine zusätzliche Dimension erweitert, die auf einen zweiten vorbestimmten Wert festgesetzt ist. Selbstverständlich müssen der erste und der zweite Wert der Blockvariablen unterschiedlich voneinander sein. Eine typische Auswahl wird beispielsweise sein, dass der erste vorbe¬ stimmte Wert mit 0 und der zweite vorbestimmte Wert mit 1 festgelegt ist.

Aus der Gesamtheit der ersten und der zweiten Vektoren in der um die Blockva¬ riable erweiterten Form und den berechneten bzw. gemessenen Werten der Messgröße wird nun ein Regressionsmodell erstellt. Wenn nun ein Wert der Mess¬ größe für eine bestimmte Konstellation von Eingangsvariablen ermittelt werden soll, so wird mit diesen Eingangsvariablen ein dritter Vektor gebildet, dem eine Blockvariable hinzugefügt wird, die auf den zweiten Wert festgesetzt ist. Durch Einsetzen dieses erweiterten dritten Vektors in das Regressionsmodell kann die Messgröße mit großer Genauigkeit berechnet werden.

Es hat sich herausgestellt, dass die oben beschriebene Vorgangsweise besonders genaue und für den praktischen Gebrauch wertvolle und zutreffende Ergebnisse zur Verfügung stellt. Das beschriebene Verfahren scheint es auf optimale Weise zu ermöglichen, aus dem Basismodell die verfügbaren Informationen über die qualitative Abhängigkeit der Messgröße von den Eingangsgrößen zu extrahieren. Mit den relativ wenigen verfügbaren, experimentell bestimmten Messwerten, wird das Regressionsmodell so modifiziert, dass eine hervorragende Abbildung des wahren Systems erreicht wird.

Wesentlichster Vorteil des obigem Verfahrens ist, dass mit einer sehr geringen Anzahl an realen Messdaten zuverlässige Simulationsmodelle erstellt werden können, die einen hohen Grad an Übereinstimmung mit dem realen System auf¬ weisen. Eine besonders gute Übereinstimmung ergibt sich, wenn das Regressionsmodell insbesondere nichtlinear ist. Ein besonders guter Kompromiss zwischen Rechen¬ aufwand und Genauigkeit wird durch ein quadratisches Regressionsmodell er¬ reicht.

In besonders vorteilhafter Weise kann das soeben beschriebene Verfahren mit dem zuvor beschriebenen Verfahren kombiniert und in dieses integriert werden.

In der Folge wird die Erfindung anhand von den Figuren dargestellten Ausfüh¬ rungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:

Fig. 1 ein Diagramm, in dem Messpunkte in einem Kennfeld eingetragen sind, das aus der Drehzahl und der Einspritzmenge gebildet ist;

Fig. 2 ein Blockdiagramm, das die wesentlichen Komponenten eines un¬ tersuchten Motors und des Messsystems beschreibt;

Fig. 3 ein Blockdiagramm, das ein vereinfachtes Messsystem beschreibt;

Fig. 4 Diagramme, die den VIBE-Faktor erklären;

Fig. 5 ein Diagramm entsprechend dem von Fig. 1, in dem die tatsächlich verwendeten Messpunkte im Kennfeld eingetragen sind;

Fig. 6 ein Diagramm, das das erfindungsgemäße Verfahren erklärt;

Fig. 7 Diagramme, die die Qualität des erfindungsgemäßen Verfahrens zeigen;

Fig. 8 bis Fig. 14 weitere Diagramme, die die Qualität des erfindungsge¬ mäßen Verfahrens zeigen;

Fig. 15 Balkendiagramme, die eine Bewertung verschiedener Verfahren zeigen;

Fig. 16 ein weiteres Diagramm entsprechend dem von Fig. 1 und Fig. 5, in dem die zur Validierung verwendeten Messpunkte im Kennfeld ein¬ getragen sind;

Fig. 17 weitere Diagramme entsprechend denen von Fig. 15;

Fig. 18 ein Diagramm, das die verwendeten Messpunkte beschreibt;

Fig. 19 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler der Luftmasse aufgetragen über Trainingspunkte geordnet nach Drehzahl und Last darstellt; Fig. 20, Fig. 21 und Fig. 22 Diagramme, die Variationen der Flow Coef- ficients des Scaling Faktors bzw. des Ladedruckoffsets beschrei¬ ben; Fig.23 eine Tabelle zur Darstellung von Optimierungsergebnissen; Fig. 24 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler der Luftmasse in Trainingspunkten vor und nach Optimierung darstellt; Fig. 25 ein Diagramm, das das Ladungsdruckoffset-Modell erklärt; Fig. 26 ein weiters Balkendiagramm zur Darstellung der prozentualen Ab¬ weichung der Luftmasse in den Validierungspunkten; Fig. 27 ein Kennfeld des Ladedruckoffsets; Fig. 28 ein Balkendiagramm, das die prozentuale Abweichung der Luftmas¬ se in den Validierungspunkten nach der Übertragung durch Inter¬ polation zeigt; Fig. 29 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler der Verbren¬ nungsgrößen IMEP und PFP zeigt; Fig. 30 Kennfelder für die Brenndauer, den Brennbeginn und den Formfak¬ tor ermittelt durch Interpolation, aufgetragen über Drehzahl und Last; Fig. 31 ein Diagramm, das die Variation der Brenndauer in einem Betriebs¬ punkt zeigt; Fig. 32 ein Diagramm, das die Variation des Heat Transfers Calibration Factor in einem Betriebspunkt zeigt; Fig. 33 eine Tabelle, die die Optimierungsergebnisse zur Übermittlung der Brenndauer darstellt; Fig. 34 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler des maximalen Zylinderdruckes in den Trainingspunkten vor und nach der Opti¬ mierung zeigt; Fig. 35 eine Tabelle, die die Optimierungsergebnisse zur Ermittlung des Calibration Factors darstellt; Fig. 36 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler des indizierten Mitteldruckes in den Trainingspunkten vor und nach der Opti¬ mierung zeigt;

Fig. 37 ein Diagramm, das das Brenndauermodell (FFN) darstellt;

Fig. 38 ein Diagramm, das das Calibration Factor Modell (FFN) beschreibt;

Fig. 39 ein Balkendiagramm, das die prozentuale Abweichung des maxi¬ malen Zylinderdruckes in den Validierungspunkten zeigt;

Fig. 40 ein Balkendiagramm, das die prozentuale Abweichung des indizier¬ ten Mitteldruckes in den Validierungspunkten zeigt;

Fig. 41 ein Diagramm, das ein Kennfeld der Brenndauer zeigt;

Fig. 42 ein Diagramm ,das ein Kennfeld des Calibration Factors zeigt;

Fig. 43 ein Balkendiagramm, das die prozentuale Abweichung des maxi¬ malen Zylinderdruckes in den Validierungspunkten zeigt;

Fig. 44 ein Balkendiagramm, das die prozentuale Abweichung des indizier¬ ten Mitteldruckes in den Validierungspunkten zeigt;

Fig. 45 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler der Abgastem¬ peratur in der Ausgangsbasis zeigt;

Fig. 46 ein Diagramm, das die Variation des Heat Transfer Factors zeigt;

Fig. 47 eine Tabelle, die die Optimierungsergebnisse zur Ermittlung des Heat Transfer Factors zeigt;

Fig. 48 ein Balkendiagramm, das den prozentualen Fehler der Abgastem¬ peratur in den Trainingspunkten vor und nach der Optimierung zeigt;

Fig. 49 ein Diagramm, das das Heat Transfer Factor Modell (FFN) erklärt;

Fig. 50 ein Balkendiagramm, das die prozentuelle Abweichung der Abgas¬ temperatur in den Validierungspunkten zeigt;

Fig. 51 ein Diagramm, das ein Kennfeld des Heat Transfer Factors dar¬ stellt;

Fig. 52 ein Balkendiagramm, das die prozentuale Abweichung der Abgas¬ temperatur in den Validierungspunkten zeigt; Fig. 53 ein Diagramm, das die Messpunkte zur direkten Kalibrierung der Simulationsmodelle zeigt;

Fig. 54 Diagramme, die die prozentuale Abweichung der Ausgangsgrößen in den Validierungspunkten zeigen; und

Fig. 55 ein Blockdiagramm, das den Work Flow für den Abgleich durch Ka¬ librierung der Simulationsmodelle darstellt.

Als Versuchsträger wurde ein moderner Diesel-Nutzfahrzeugmotor herangezo¬ gen, der die folgenden Merkmale besitzt:

- 4 Zylinder;

- 4 Ventile;

- ca. 3 Liter Hubraum;

- Wastegate Turbolader mit Intercooler;

- Common Rail Einspritzsystem;

- gekühlte AGR-Strecke;

- erfüllt Euro 4 - Abgasnorm.

Im Laufe der durchgeführten Prüfstandsvermessung wurden verschiedene Be¬ triebspunkte aufgenommen, die sich über das gesamte Drehzahl-Last-Kennfeld verteilen, wie dies in Fig. 1 gezeigt ist.

Die insgesamt 41 Messpunkte wurden sowohl mit als auch ohne Abgasrückfüh¬ rung (AGR) gemessen. Auch die Randbedingungen, wie z.B. Ladedruck und - temperatur, Abgasgegendruck und Einspritzbeginn, wurden den Betriebspunkten entsprechend variiert. Dadurch ergibt sich eine gute Verteilung der Messpunkte über das gesamte Kennfeld.

Zu den Messgrößen, die für diese Arbeit relevant waren, zählen

die im Ansaugsystem gemessene Luftmasse,

der indizierte Mitteldruck,

der maximale Zylinderdruck,

- das Luft-Kraftstoff-Verhältnis,

die Abgastemperatur vor Turbine.

Im Rahmen der Motorentwicklung wurde ein Basismodell erstellt, das unter an¬ derem folgende Komponenten enthält, wobei das Basismodell mit einem La- dungswechselsimulationsprogramm erstellt worden ist, das unter der Bezeich- nung "AVL-BOOST" erhältlich ist. In der Folge wird dieses Basismodell daher auch BOOST-Modell genannt:

Das Kennfeld des Reibmitteldrucks wurde aus gemessenen Zylinderdrü¬ cken berechnet.

Ein Vollmodell des Turboladers wurde benutzt, welches auf den Verdich¬ ter- und Turbinenkennfelder des Herstellers basiert. Die Herstellerkenn¬ felder werden anhand von stationären Messungen extrapoliert wurden.

Ein externes Modell wurde zur Simulation des speziellen Verhaltens ei¬ nes Wastegate-Ventils beim realen Motor erstellt (ansteigender Lade¬ druck mit Drehzahl).

Für die Verbrennungssimulation wurde ein Modell (MMC, d.h. Mixture Controlled Combustion) herangezogen, mit dem der Brennverlauf aus Einspritzrate und innerzylindrischen Zuständen berechnet werden kann. Dieses Modell wurde durch einen HSDI Part (High Speed Direct Injec- tion) erweitert, der die vorgemischte Verbrennung sowie die Vorein¬ spritzung simuliert.

Um den geschlossenen Regelkreis zur Steuerung des AGR-Ventils nach¬ zubilden, wurde ein MATLAB/SIMULINK Modell erstellt, welches sowohl den Mechanismus basierend auf dem Luftüberschuss im Ansaugtrakt als auch die AGR-Abschaltung bei hohen Lasten beinhaltet. Dieses Mo¬ dell wurde mittels der Einbindung einer Matlab-DLL-Schnittstelle mit dem BOOST-Modell gekoppelt.

Fig. 2 zeigt das BOOST-Vollmodell für den oben beschriebenen Motor.

Die Umgebungsluft wird über die Systemgrenze SBl angesaugt und über den Luftfilter CLl zum Verdichter TCl gelenkt. Danach wird die verdichtete Luft zum Ladeluftkühler COl geführt. Ein weiteres Rohr leitet den Regeldruck zum Steller des extern modellierten Wastegate Ventils. Die Rohre 4, 5 und 20 dienen als Verbindung zwischen Ladeluftkühler und Saugrohr PLl; die Rohre 6, 7, 8 und 9 stehen für die Ansaugkanäle zwischen Saugrohr und den vier Zylindern Cl, C2, C3 und C4.

Die Verbrennungsprodukte werden nach den Zylindern zusammengeführt und zum Eingang des Turboladers TCl geleitet. Über eine Drosselstelle R3 kann der Abgasgegendruck eingestellt werden.

Der Motor ist mit einem Abgasrückführsystem ausgestattet. Das Abgas für die AGR wird am Knotenpunkt J2 entnommen und über einen AGR-Kühler CO2 sowie die Drosselstelle Rl schließlich dem Einlassstrom wieder zugeführt. Diese Dros¬ selstelle repräsentiert das AGR-Ventil.

Die Nachberechnungen der gemessenen Betriebspunkte zeigten sehr gute Simu¬ lationsergebnisse. Besonders die Größen effektiver Mitteldruck sowie effektiver Verbrauch konnten bis auf die Messgenauigkeit (< 1%) abgebildet werden.

Im Rahmen der Untersuchung wurde dieses BOOST-Vollmodell auf ein Kernmo¬ dell reduziert, in dem nur noch die vier Zylinder mit den jeweiligen Anschluss¬ rohren abgebildet werden, wie dies in Fig. 3 dargestellt ist.

Diese Vereinfachung hat verschiedene Gründe:

Der Parametrieraufwand eines solchen abgespeckten Motormodells ist viel geringer als bei einem kompletten Modell inklusive Ansaug- und Auspuffsystem.

Die Rechenzeiten der Simulation verkürzen sich um ein Vielfaches.

Die Nutzung dieser Kernmodelle bietet die Möglichkeit, Standardmodelle für die verschiedenen Motorvarianten zu erstellen.

Allerdings besitzt die Simulation mit einem Kernmodell auch mehrere Nachteile:

Die dynamischen Abläufe innerhalb eines Arbeitsspiels können nicht mehr abgebildet werden, da nicht das gesamte Rohrsystem dargestellt wird.

Durch die fehlende AGR-Strecke muss ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis im Einlass vorgegeben werden, um eine Abgasrückführung zu simulieren.

Es werden konstante Werte an den Systemgrenzen vorgeben, sodass die Gasdynamik, die bei einem Gesamtmodell berücksichtig wird, nicht abgebildet werden kann.

Diese hier aufgezeigten Mängel führen zu einer Verschlechterung der Simula¬ tionsergebnisse des Kernmodells im Vergleich zum Vollmodell.

Da die Abgasrückführung über ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis im Einlass simuliert wird, muss ein Zusammenhang zwischen dem Abgasmassenstrom und dem A/F- Ratio hergestellt werden.

Für die Herleitung der Gleichung wird der Zustand des Gases unmittelbar vor dem Einlassventil betrachtet. Die gesamte AGR-Masse ist zu diesem Zeitpunkt bereits zugeführt und hat die gleiche Zusammensetzung wie die Masse im Zylin- der am Hochdruckende. Die AGR-Masse errechnet sich aus der Formel für die AG R- Rate:

X _ mAGR _ mAGR M \ mL + mAGR mln

mit:

XAGR . Abgasrückführrate ΠDAGR AGR Massenstrom mL ... Frischluftmassenstrom mIn .. gesamter Massenstrom im Einlasskanal

Weiteres gilt für den prozentualen Anteil des Kraftstoffs im Abgas und damit auch im AGR-Massenstrom :

mit:

mB ... Kraftstoffmassenstrom; rriout Gesamtabgasmassenstrom; A/F .. Verhältnis Frischluftmasse zu eingespritzter Kraftstoffmasse.

Da im AGR-Massenstrom sowohl überschüssige Luft als auch verbrannter Kraft¬ stoff vorhanden ist, ergibt sich das A/F-Ratio im Einlass aus dem Verhältnis zwi¬ schen der vorhanden Frischluftmasse und der verbrannten Brennstoffmasse:

Δ / ET _ min,L _ mL + mAGR ~ m AGR1B . , , ,. A / l~ln ~ ~Z ~ Z " \3) mln,B m AGR1B

Setzt man die Gleichungen 1, 2 und 3 zusammen, so erhält man einen Zusam¬ menhang zwischen der AGR-Rate und dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis im Einlass sowie dem Verhältnis Frischluftmasse zu eingespritzten Brennstoff:

. __ 1 + A/F . . ._ m, AGR = mit A/F = — - . (4) 1 + A/Fin mB

Mit dieser Gleichung 4 kann dann im Nachhinein die Abgasrückführrate für das vorgegebene A/F-Ratio im Einlass, die vorgegebene Einspritzmenge und die si¬ mulierte Frischluftmasse bestimmen und somit die AGR-Rate als Eingangsgröße für das Modell genutzt werden. Um die AGR-Rate direkt als Eingangsgröße zu benutzen, müsste das tatsächliche Luft-Kraftstoff-Verhältnis (A/F bzw. λ) als weitere Variationsgröße eingeführt werden. Mit Gleichung 4 kann jedoch im Nachhinein die Abgasrückführrate für das vorgegebene A/F-Ratio im Einlass, die vorgegebene Einspritzmenge und die simulierte Frischluftmasse bestimmt und somit die AGR-Rate als Eingangsgröße genutzt werden.

Im Verlauf der Versuche wurde unter anderem die Vibe-Funktion als Verbren¬ nungsmodell in BOOST genutzt, um den zeitlichen Verlauf der Kraftstoffumset¬ zung zu simulieren.

Vibe hat durch Beobachtung des Verbrennungsvorgangs an homogenen Kraft¬ stoff- Luftgemischen festgestellt, dass ein exponentieller Verlauf eine gute Nä¬ herung an reale Brennverläufe darstellt. Aus diesen gewonnenen Erkenntnissen entwickelte Vibe die Durchbrennfunktion (auch Umsetzrate genannt), die defi¬ niert ist als:

ei l x = 1 - β U j . (5)

mit:

x .. Umsetzrate (Verhältnis verbrannter zu gesamter Kraftstoffmasse); C .... Umsetzparameter; t0 ... Brenndauer; m .. Formfaktor.

Unter der willkürlichen Festsetzung, dass zum Zeitpunkt t0 bis auf 0,1% der ge¬ samte Kraftstoff umgesetzt sein soll, erhält man für die Konstante C den Zahlen¬ wert C = -6,9 .

Durch Ableitung der Durchbrennfunktion erhält man den Brennverlauf, der zu jedem Zeitpunkt der Verbrennung die momentane spezifische Verbrennungs¬ bzw. Umsetzgeschwindigkeit beschreibt.

r t l™ dx .> f t -6,9 - χ- = - d(t^/t-0) = 6,9.(m + 1) . L -tM0 J - e ^ . ( K6) J

Der Vibe-Formfaktor beschreibt die Form des Brennverlaufs. Der Einfluss wird in Fig. 4 verdeutlicht.

Man erkennt, dass die Energieumsetzung umso später erfolgt, je größer der m- Faktor ist (Diagramm a). Auch die Schwerpunktslage, also jenen Punkt des Brennverlaufs, an dem 50% des Kraftstoffes in Wärme umgewandelt wurden, verschiebt sich mit zunehmendem m-Faktor Richtung "spät". Ein Wert des Form¬ parameters m von 2,3 entspricht ungefähr einem symmetrischen Brennverlauf (Diagramm b).

Bei einem Diesel-Verbrennungsmotor kann der Brennverlauf am ehesten durch einen Formfaktor zwischen 0,1 und 1 beschrieben werden, da durch die hohe Kompression und die hohen Drücke eine schnelle Umsetzung des Kraftstoffes erfolgt.

Wesentlicher Bestandteil des erfindungsgemäßen Verfahrens ist die Verwendung polynomialer Regressionsmodellen.

Bei den polynomialen Regressionsmodellen versucht man, die Ausgangsgrößen des Motors (z.B. Drehmoment, Zylinderdruck, etc.) mit den Eingangsgrößen (z.B. Drehzahl, Einspritzmenge, Einspritzbeginn, etc.) mit Hilfe von Polynomfunktionen zu modellieren.

Am Anfang steht eine empirische Modellbildung. Mit einem mathematischen Mo¬ dell werden die Eingangsgrößen des Systems mit seinen Ausgangsgrößen ver¬ knüpft. Für jede Ausgangsgröße wird ein separates Modell aufgestellt. Für die Polynomfunktionen kann eine Ordnung (bis 10) vorgegeben werden. Neben den Hauptwirkungen werden auch die Wechselwirkungen zwischen den Eingangs¬ größen (Interaktionsterme) berücksichtigt (Gl. 7).

u = a0 + 8.,X1 + a2x2 + ... + a,X| + ... + O1X1X2 + ... + C1X12 + ... + c,xf + ... (7)

Die Genauigkeit der Modellschätzung wächst mit der Anzahl der Messungen, al¬ lerdings steigt damit auch der Aufwand.

Die eigentliche Modellschätzung erfolgt mit Hilfe der Methode der kleinsten Feh¬ lerquadrate. Dabei werden die Modellkoeffizienten so geschätzt, dass die Sum¬ mer der Fehlerquadrate minimiert wird. Der Fehler ist gleich mit der Abweichung der Modellberechnung von den Stützwerten.

Die Qualität des so entstandenen Modells wird mit verschiedenen statistischen Testfunktionen überprüft. Die einzelnen Polynomterme werden auf ihre Signifi¬ kanz überprüft und gegebenenfalls eliminiert. Durch dieses Prinzip der automa¬ tischen Reduktion der Modellordnung erhält man ein vereinfachtes Modell, das leicht zu interpretieren ist und gleichzeitig die Anzahl der Freiheitsgrade redu¬ ziert. Die nicht signifikanten Modellterme werden aus dem Modell entfernt und damit wird die Vorhersagequalität verbessert. Auch können überbestimmte Mo¬ delle vermieden werden, die of ein sehr schlechtes Verhalten zwischen den Stützstellen aufweisen. Zusätzlich kann der Algorithmus Transformationen von Ausgangsgrößen umset¬ zen, sodass sich die beste Ausgangsgrößenverteilung ergibt. Dadurch entsteht ein Modell, welches genau an die Daten angepasst ist.

Als Grundlage dienten insgesamt 2880 Simulationsdatensätze, die durch eine vollfaktorielle Variation der in Tabelle 1 aufgezeigten Parameter mit Hilfe von BOOST berechnet wurden: Drehzahl (speed), Einspritzmenge (mB), Luft-Kraft- stoff-Verhältnis (A/Fint), um eine Abgasrückführung zu simulieren, Saugrohr¬ druck (p2) und -temperatur (T2) und Abgasgegendruck (p3). Der Einspritzbeginn (SOI) wurde aus einem Kennfeld in Abhängigkeit von Drehzahl und Last entnom¬ men und entspricht den Messdaten; die Kühlmitteltemperatur (Tcoolant) wurde nicht variiert.

Variations-. ja ja ja ja ja ja nein nein Parameter speed mB A/Fint T2 p2 P3 SOI Tcoolant [l/min] [%] [-] [K] [Pa] [Pa] [0KW v. OT.] [K] 500 9 150 293 90000 100000 laut Kennfeld 353 1000 36 250 305 130000 200000 2000 73 350 320 190000 350000 3000 100 100000 250000 3400 Anzahl Berechnungen Variations¬ parameter 5 4 4 3 4 3 1 1 2880

Tabelle 1: Variationsparameter für BOOST-Berechnung

Des weiteren ist darauf zu achten, dass die Variationsgrenzen außerhalb der vor¬ handen Messdaten liegen: Zum Beispiel wurde die Drehzahl am Prüfstand zwi¬ schen 1000 und 3200 U/min variiert, bei der Simulation dagegen von 500 bis 3400 U/min. Der Grund hierfür ist, dass die Modellbildung ein möglichst gleich¬ mäßig über den Versuchsraum verteiltes Stützpunktenetz voraussetzt, damit die Modellgüte einen akzeptablen Wert erreicht.

Die Ausgangsgrößen, die für die Motorkomponente "Zylinder" relevant sind, wer¬ den aus den Ergebnissen der BOOST-Berechnungen ermittelt und lauten:

Luftmasse ein/aus (M_Lx) Enthalpiefluss ein/aus (M_Enthx) - Indizierter Mitteldruck (IMEP) Wandwärmestrom (WHF) Maximaler Zylinderdruck (PFP) - Luft-Kraftstoff-Verhältnis (A/F) Diese Werte werden in Abhängigkeit von den acht Eingangsgrößen mit einem einfachen Regressionsmodell modelliert und somit für die Echtzeitsimulation be¬ reitgestellt.

Aus den 41 zur Verfügungen stehenden Messpunkten des Versuchsträgers wur¬ den 32 Betriebspunkte als Trainingsdatensatz ausgewählt (Fig. 5). Die neun üb¬ rigen Datensätze dienten später zur Validierung der Ergebnisse.

Die gewählten Betriebspunkte sind über das gesamte Kennfeld verteilt und bilden somit eine gute Grundlage für eine kennfeldweite Verbesserung.

Als Eingangsgrößen stehen ebenfalls alle acht Größen wie bei der Simulation zur Verfügung:

- Drehzahl (speed), - Einspritzmenge (mB), - AGR-Rate (EGR), - Ladetemperatur (T2), - Ladedruck (p2), - Abgasgegendruck (p3), - Einspritzbeginn (SOI), - Kühlmitteltemperatur (Tcoolant).

Als Ausgangsgrößen können nur die Größen

- einströmende Luftmasse, - indizierter Mitteldruck, - maximaler Zylinderdruck, - Luft-Kraftstoff-Verhältnis.

bereitgestellt werden. Die Enthalpieflüsse sowie der Wandwärmestrom werden nicht gemessen und könnten, falls nötig, über eine Wärmebilanz errechnet wer¬ den.

Zur Zusammenführung der Simulations- und der Messdaten für die Modellbildung wurden verschiedene Möglichkeiten untersucht:

1.) Offsetzugabe auf die Ausgangsgröße, ermittelt über den mittleren arith¬ metischen Fehler;

2.) Offsetzugabe auf die Ausgangsgröße, ermittelt über den mittleren qua¬ dratischen Fehler;

3.) Faktormultiplikation der Ausgangsgröße;

4.) Gleichwertiges Hinzufügen der Messdaten zu den Simulationsdaten; 5.) Gleichwertiges und mehrmaliges Hinzufügen der Messdaten zu den Si¬ mulationsdaten;

6.) Einführung eines Bockfaktors als weiterer Variationsparameter (erfin¬ dungsgemäße Lösung).

Diese sechs Möglichkeiten werden im Folgenden näher beschrieben:

Die erste Möglichkeit 1.) entspricht der ursprünglichen Annahme: Man ist davon ausgegangen, dass die BOOST-Simulationen einen guten Zusammenhang der einzelnen Motorgrößen darstellen können, allerdings eine kennfeldweite Niveau¬ verschiebung besitzen. Diese Niveauverschiebung sollte durch ein einfaches An¬ heben oder Absenken des Modells ausgeglichen werden.

In diesem Fall wird das Delta, um welches das Modell angehoben oder gesenkt wird, über den mittleren arithmetischen Fehler ermittelt:

1 1 Δaπth = -∑ (UMess - UBoost ) - (8)

mit:

UMess Messwerte; Uβoost Werte des Simulationsmodell mit gemessenen Eingansgrößen; n Anzahl der Messpunkte.

Dieses Delta wird nach der Regression, also nach der Modellbildung auf die je¬ weilige Ausgangsgröße hinzuaddiert:

uneu = u + Δarιth = a0 + Δβnth +8,X1 +... + a,x, + ... + ^x1X1 + ... + C1X12 + ... + c,xf . (9)

Die Variante 2.) entspricht nahezu der ersten Möglichkeit 1.). Hier wird allerdings der mittlere quadratische Fehler als Grundlage benutzt, um das Offset zu be¬ rechnen:

Der mittlere quadratische Fehler wird mit dem normierten arithmetischen Fehler aus Möglichkeit 1 multipliziert, um das Vorzeichen beizubehalten, d.h. ob das Modell angehoben oder gesenkt wird.

Der quadratische Fehler bewirkt, dass größere Abweichungen höher gewichtet werden als kleinere, sodass sich das Modell stärker an den auffälligen Differenzen orientiert. Möglichkeit 3.): Die Multiplikation mit einem Faktor, der aus dem Verhältnis zwi¬ schen den Messwerten und den Simulationswerten berechnet wird (Gl. 11), be¬ ruht auf der Idee, dass der tatsächliche Luftaufwand bei hohen Lasten oft zu niedrig und bei niedrigen Lasten richtig abgebildet wird.

1vfu Mess n Yl u (11) Boost

Denn multipliziert man mit dem so errechneten Faktor (Gl. 12), so hängt es von dem absoluten Wert der Ausgangsgröße ab, um wie viel sich das Modell hebt oder senkt: z.B. werden größere Luftmassen stärker korrigiert als kleinere Luft¬ massen.

uneu = α u (12)

Möglichkeit 4.) ist die einfachste der sechs Möglichkeiten. Dabei werden die Messdaten gleichwertig in die Liste der Simulationsdaten eingefügt. Anschließend wird eine normale Regression durchgeführt, so dass ein gemischtes Modell 2. Ordnung aus Simulations- und Messdaten entsteht.

Auch bei Möglichkeit 5.) werden die Messdaten vor der Modellbildung unverän¬ dert zu den Simulationsdaten hinzugegeben. Allerdings werden die Messdaten¬ sätze vervielfacht (in diesem Fall lOfach), um eine größere Gewichtung auf die wenigen 32 Messwerte im Gegensatz zu den knapp 3000 Simulationswerten zu legen.

Die erfindungsgemäße 6. und letzte Möglichkeit zieht die Messdaten auch in die Modellbildung mit ein, jedoch wird ein weiterer Variationsparameter eingeführt. Dieser neu hinzugefügte Blockfaktor wird für die Simulationsdaten gleich Null und für die Messdaten gleich Eins gesetzt und bewirkt, dass sich das Modell zu den Messpunkten hin verzerrt.

In Fig. 6 wird die Wirkungsweise anschaulich dargestellt.

In der Front sind die Werte einer logarithmischen Funktion ( C = log(A) + 1 ) über ihre Eingangsgröße A aufgetragen. Diese Funktionswerte werden durch ein Poly¬ nom 2. Ordnung abgebildet (unterbrochene Linie) und besitzen den Blockfaktor B = 0. Zu diesen Daten werden weitere 5 Punkte mit B = I hinzugefügt, deren Werte etwas oberhalb bzw. etwas unterhalb des jeweiligen Funktionswertes lie¬ gen. Das Modell bekommt nun seine Form durch die vielen Punkte auf der "B = 0"-Seite. Auf der "B = 1"-Seite kippt es jedoch leicht zu den fünf Stützstel¬ len, die die Messdaten repräsentieren. Durch die Tatsache, dass das Modell durch ein Polynom 2. Ordnung beschrieben wird, besitzt der Bockfaktor nur einen linearen Einfluss sowie Interaktionen mit den anderen Eingangsgrößen. Somit kann man ausschließen, dass das Modell auf der "B = 1"-Seite im extrapolierten Bereich, also außerhalb der vorhandenen Stützstellen ins Unendliche läuft.

Mit dieser Methode ist es möglich, die Messdaten besonders zu gewichten, die allgemeine Form des Modells allerdings durch die Simulationsdaten zu vorzu¬ geben. Auch wird eine leichte Veränderung des Modells zugelassen, ohne einen konstanten kennfeldweiten Offset hinzuzufügen.

Für die tatsächliche Ausgangsgröße nach der Modellbildung wird der Blockfaktor gleich Eins gesetzt (Gl. 13), da nur so das Gesamtmodell verwendet wird.

uneu = a0 + d0B + a1X1 + ... + a,X, + ... + O1X1X1 + ... + Cl1X1B + ... + CJ1X1B + C1X12 + ... + C1X12 = (a0 + do ) + (a1 + CJ1 )X1 + ... + (a, + d,)x, + ... + IJ1X1X1 + ... + C1X12 + ... + C,X2 (13)

Die nachstehenden Ergebnisse der Trainingsdaten werden anhand einer reprä¬ sentativen Drehzahl gezeigt. Die übrigen Stützpunkte weisen sehr ähnliche Er¬ gebnisse auf und untermauern die hier erläuterten Resultate.

Im Anschluss folgt zusammengefasst die Überprüfung der Ergebnisse anhand der neun Validierungsdaten.

Die Diagramme zeigen die jeweilige normierte Ausgangsgröße, über die Last auf¬ getragen, bei 2480 U/min. Für die Normierung wurde durch den jeweils höchsten gemessenen Messwert dividiert.

Dargestellt sind jeweils vier Lastpunkte, sowohl ohne AGR (Abgasrückführung) als auch mit AGR. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden nur jeweils drei Möglichkeiten pro Diagramm dargestellt. Die Namen in der Legende entsprechen den sechs Möglichkeiten:

1.) SimModell + arith. Offset -> Offsetzugabe auf die Ausgangsgröße, ermit¬ telt über den mittleren arithmetischen Fehler;

2.) SimModell + quadr.Offset -> Offsetzugabe auf die Ausgangsgröße, er¬ mittelt über den mittleren quadratischen Fehler;

3.) SimModell * Faktor -> Faktormultiplikation der Ausgangsgröße;

4.) SimMessModell lfach -> Gleichwertiges Hinzufügen der Messdaten zu den Simulationsdaten; 5.) SimMessModell lOfach -> Gleichwertiges und mehrmaliges Hinzufügen der Messdaten zu den Simulationsdaten;

6.) SimMessModell B=0/l -> Einführung eines Bockfaktors als weiterer Variationsparameter.

Die Kurve mit dem großen Viereck entspricht den gemessenen Werten, die mit der Raute den simulierten ohne Verbesserung (-> SimModell, Ausgangsbasis).

Es werden die vier Ausgangsgrößen einströmende Luftmasse, indizierter Mittel¬ druck (IMEP), maximaler Zylinderdruck (PFP) und Luft-Kraftstoff-Verhältnis (A/F- Ratio) mit den jeweiligen Messdaten getrennt von einander abgeglichen.

Die simulierte Luftmasse zeigt schon in der Ausgangsbasis in den Punkten ohne AGR sehr gute Ergebnisse (Fig. 7). Auch in den Punkten mit AGR ist die qualita¬ tive Genauigkeit ausreichend gut: der Verlauf der Kurven stimmt überein (Fig. 8).

Es zeigt sich allerdings, dass die Simulation der Abgasrückführung mit dem Kernmodell sehr problematisch ist: man erhält einen großen Niveauunterschied zwischen der gemessenen und der simulierten Luftmasse. Durch diesen Niveau¬ unterschied wird der mittlere Fehler recht groß und dieser Fehler bestimmt in den ersten drei Möglichkeiten den Abgleich. Folglich erhält man eine Verschlech¬ terung in den Punkten, wo das reine Simulationsmodell schon sehr gute Resul¬ tate gezeigt hat (Fig. 7) und kaum eine Verbesserung in den Punkten mit großer Differenz (Fig. 8).

Das simple Hinzufügen der Messdaten, sowohl einfach als auch zehnfach, hat positive Auswirkungen, allerdings erkennt man hier die Tendenz, dass sich das Modell weder an den Messdaten noch an den Simulationsdaten orientiert.

Die erfindungsgemäße Idee, durch die Einführung eines Blockfaktors den Ab¬ gleich zu schaffen, liefert sowohl in den Betriebspunkten ohne AGR (Fig. 7) als auch in den Punkten mit AGR (Fig. 8) die besten Ergebnisse.

Beim indizierten Mitteldruck wird deutlich, dass der Kurvenverlauf des unverbes- serten Simulationsmodells nicht immer qualitativ stimmt. Hier ergibt die Simula¬ tion andere Werte als die Messung. Auch kann man feststellen, dass die Volllast¬ werte gut wiedergegeben werden, während die Teillast mit großen Fehlern abge¬ bildet wird. Dies zeigt, dass BOOST für die Volllastauslegung sehr gut geeignet ist, bei der Vorausberechnung der Teillast derzeit jedoch noch Defizite aufweist.

Durch die Tatsache, dass der Kurvenverlauf von Simulation und Messung nicht identisch ist, sind die ersten drei Möglichkeiten nicht in der Lage, den Fehler zu kompensieren, da in allen drei Fällen ein konstanter Faktor berechnet wird, der addiert bzw. multipliziert wird (Fig. 9, Fig. 10). Ein großer Nachteil z.B. bei der Multiplikation mit einem Faktor ist, dass gerade die hohen IMEP-Werte der Voll¬ last stärker korrigiert werden als die völlig falsch liegenden Teillastgrößen. Somit werden die Vorteile des Simulationsprogramms BOOST bei der Volllastberech¬ nung nicht genutzt.

Fig. 9 und Fig. 10 zeigen, dass die Einführung des Blockfaktors ein Angleichen des Modells an die Messpunkte bewirkt, auch in den Punkten mit großen Diffe¬ renzen. Diese Möglichkeit liefert auch hier die besten Ergebnisse.

Aber auch durch das einfache Hinzufügen der Messdaten werden gute Resultate erzielt, wobei das mehrmalige Einfügen besser ist.

Beim Abgleich des maximalen Zylinderdrucks werden weitere Nachteile der ers¬ ten drei Möglichkeiten ersichtlich:

Da der gemessene Wert einmal unterhalb und einmal oberhalb des simulierten Wertes liegt, heben sich die Abweichungen gegenseitig auf, sodass der mittlere Fehler und damit das Offset bzw. der Faktor fast gleich Null wird. Aus diesem Grund kommt es zu keiner Verbesserung des Modells, beim arithmetisch ermit¬ telten Offset sogar zu einer geringen Verschlechterung in den hohen Lastpunkten (Fig. 11, Fig. 12).

Die drei anderen Ideen weisen dagegen eine Verbesserung auf, wobei auch hier wieder mit Hilfe des Blockfaktors der Fehler zwischen Messung und Simulation am effektivsten verringert werden kann (Fig. 11, Fig. 12). Das lOfache Einfügen der Messdaten ergibt bessere Ergebnisse als das einfache Hinzufügen. Dies lässt sich durch die höhere Gewichtung der Messpunkte erklären.

Die Ausgangsgröße "Luft-Kraftstoff-Verhältnis" weist bei niedriger Last einen sehr großen Fehler in der Simulation auf. Bei den hohen Lastpunkten stimmt das Mo¬ dell mit den Messungen überein.

Diese 63% Abweichung sowohl in den Niedriglastpunkten ohne AGR (Fig. 13) als auch in denen mit AGR (Fig. 14) führt dazu, dass ein relativ großer mittlerer Fehler berechnet wird, der in den Volllastpunkten das Modell erheblich ver¬ schlechtert (Fig. 13, Fig. 14). Besonders die Möglichkeit der Offsetaddition, er¬ mittelt über den arithmetischen mittleren Fehler, führt dazu, dass das Luft-Kraft¬ stoff-Verhältnis bei Volllast unterhalb des stöchiometrischen Luftbedarfs sinkt, also λ < 1. Dies führt bei einem Dieselmotor zu hohen Verbrauchen und hohen Emissionen. Aus diesem Grund ist der Modellabgleich mit einer Offsetzugabe in diesem Fall nicht geeignet. Die Modellbildung durch Kombination der Simulations- und Messdaten vor der Regression besitzt trotz der großen Differenzen in der Teillast ein sehr gutes Ver¬ besserungspotenzial; die ohnehin schon gut abgebildete Volllast wird kaum be- einflusst, wohingegen die Teillast erheblich korrigiert wird (Fig. 13, Fig. 14). Es zeigt sich allerdings auch hier wieder, dass durch die Einführung des Blockfaktors die besten Ergebnisse erzielt werden können. Bei den Betriebspunkten mit AGR wird der Fehler sogar zu Null reduziert (Fig. 14).

Nach dieser ausführlichen Darstellung der einzelnen Möglichkeiten, ihre Wir¬ kungsweise und ihre Effekte auf die jeweiligen Modelle der verschiedenen Aus¬ gangsgrößen anhand einer repräsentativen Drehzahl (2480 U/min) werden in den nun folgenden Blockdiagrammen der durchschnittliche Fehler über die ge¬ samten Trainingsdaten für jede Ausgangsgröße dargestellt (Fig. 15). Der Wert dieses Fehlers berechnet sich aus der Summe der Beträge der Abweichungen dividiert durch die Anzahl der Trainingspunkte (Gleichung 14):

.. n n ΔÜ = ~ΣΔUi = ~Σkless -Uneu| - (14)

Die unterschiedlichen Balken stehen jeweils für eine Lösungsmöglichkeit (siehe Legende); die schwarze Linie zeigt den "worst case" an, d.h. die maximale Ab¬ weichung der jeweiligen Ausgangsgröße vom Sollwert (Messwert).

Die Diagramme bestätigen die bisherigen Ergebnisse. Wie schon anhand der de¬ taillierten Auswertung gesehen werden konnte, führt die Einführung des Block¬ faktors zu den geringsten durchschnittlichen Abweichungen: Die Luftmasse kann von 11% auf durchschnittlich 2% korrigiert werden, beim indizierten Mitteldruck sind es sogar 45% Verbesserungspotenzial in den Trainingsdaten. Auch beim maximalen Zylinderdruck und beim Luft-Kraftstoffverhältnis wird die durch¬ schnittliche Abweichung um 12% bzw. 26% verringert. Die Möglichkeit durch einfache Kombination der Mess- und Simulationsdaten führt ebenfalls zu guten Resultaten, wobei hier das mehrmalige Hinzufügen der Messdaten bessere Er¬ gebnisse liefert. Die drei Ideen, über eine Offsetzugabe bzw. Faktormultiplikation den Abgleich zu durchzuführen, zeigen im Durchschnitt kaum eine Verbesserung, teilweise sogar eine Verschlechterung.

Betrachtet man die maximalen Abweichungen (schwarze Linie), so ist auch hier die Streuung nach der Einführung des Blockfaktors am geringsten. Sogar gegen¬ über den beiden anderen Möglichkeiten eines kombinierten Simulations-Mes- sungsmodells kann sich die erfindungsgemäße Idee in den meisten Fällen positiv abheben. Es wird deutlich, dass man durch den Abgleich zwischen Simulations- und Mess¬ daten mittels eines Blockfaktors den Luftmassenfehler in den Punkten, mit denen man den Abgleich durchführt, von durchschnittlich 11% auf maximal 7% redu¬ zieren kann, ebenso für den indizierten Mitteldruck von 51% auf maximal 25%, für den maximalen Zylinderdruck von 16% auf maximal 11% und für das Luft- Kraftstoff-Verhältnis von 31% auf maximal 19%.

Um diese vorhin aufgezeigten Ergebnisse zu überprüfen, wurden, wie zu Anfang erwähnt, neun der 41 Betriebspunkte nicht zur Modellbildung herangezogen. Diese Punkte dienen zur Validierung und wurden willkürlich aus dem Kennfeld ausgewählt (siehe Fig. 16).

Die Eingangsgrößen dieser Betriebspunkte, d.h. die jeweilige Drehzahl, Ein¬ spritzmenge, Ladedruck, etc., wurden in die entsprechenden Modelle für Luft¬ masse, indizierten Mitteldruck, maximalen Zylinderdruck und Luft-Kraftstoff-Ver- hältnis eingesetzt, die sich nach der Durchführung der einzelnen Lösungsansätze ergeben.

Auch hier wurde der durchschnittliche Fehler zwischen den tatsächlichen Mess¬ werten und den für die einzelnen Möglichkeiten ermittelten Werten berechnet (Gl. 14). Fig. 17 stellt die dazugehörigen Blockdiagramme auf die gleiche Weise wie zuvor in Fig. 15 dar.

Die Ergebnisse dieser Validierungsdaten führen zu keinen neuen Erkenntnissen, wenn auch das Bild nicht so eindeutig wie bei den Trainingsdaten ausfällt.

Doch auch hier ergeben sich die geringsten absoluten Abweichungen nach der Einführung des Blockfaktors, betrachtet man alle vier Ausgangsgrößen. Man kann den Fehler des indizierten Mitteldrucks in diesen neun Betriebspunkten z.B. von durchschnittlich 51% auf maximal 18% reduzieren.

Wider Erwarten sind die Fehler der Luftmasse nach der Offsetzugabe bzw. nach der Multiplikation mit dem Faktor relativ gering. Dies könnte allerdings an der Auswahl der Validierungsdaten liegen, sodass man davon ausgehen muss, dass zufällig genau dort das Modell gut korrigiert wurde. Bei den übrigen Ausgangs¬ größen maximaler Zylinderdruck, indizierter Mitteldruck und Luft-Kraftstoff-Ver¬ hältnis lässt sich nämlich keine eindeutige Verbesserung feststellen.

Aufgrund der gezeigten Ergebnisse kann man zusammenfassend sagen, dass der Messdatenabgleich mit Hilfe einer Offsetaddition oder einer Faktormultiplikation nicht empfehlenswert ist. Denn man erhält oft eine Verschlechterung in den Be¬ reichen, in denen die ursprünglichen Simulationsmodelle schon sehr gut sind, und kaum eine Verbesserung dort, wo die Modelle sehr schlecht sind. Dies tritt vor allem bei BOOST-Simulationen relativ häufig auf, da BOOST seine Stärken in der Volllastauslegung besitzt und bisher für die Abbildung der Teillast noch nicht ausgelegt wurde. Die Offset- oder Faktorzugabe kann vereinzelt sogar dazu füh¬ ren, dass unrealistische Ausgangsgrößen berechnet werden: In diesem Fall wurde z.B. ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis in der Volllast unterhalb des stöchiome- trischen Luftbedarfs simuliert.

Des weiteren wurde aufgezeigt, dass die Kurvenverläufe doch nicht immer qua¬ litativ stimmen, sodass man mit einem konstanten Wert folglich keine kennfeld- weite Verbesserung erzielen kann.

Das gleichwertige Hinzufügen der Messdaten zu den Simulationsdaten, sowohl einfach als auch mehrfach, zeigt zwar relativ gute Ergebnisse. Allerdings ist diese Methode fragwürdig, da bereits Simulationsdaten mit ähnlichen Eingangsgrößen vorhanden sind. Dadurch entsteht eine Doppeldeutigkeit in manchen Modellbe¬ reichen, die bei der Modellbildung schwer zu handhaben sind. Dies ist auch der Grund, warum sich das verbesserte Modell weder an den ursprünglichen Simula¬ tionswerten noch an den Messpunkten orientiert.

Am sinnvollsten ist demnach die Einführung eines Blockfaktors als weiteren Vari¬ ationsparameter, der für die Messdaten auf Eins und für die Simulationsdaten auf Null gesetzt wird. Hierbei gleicht sich das Modell in den Bereichen an die Mess¬ werte an, wo Messpunkte vorhanden sind, auch wenn große Unterschiede zum ursprünglichen Simulationsmodell bestehen. Dort, wo keine Messungen vorlie¬ gen, z.B. in quasi-transienten Betriebsbereichen, werden nur die Simulations¬ daten herangezogen und somit nicht das ganze Kennfeld verfälscht.

Bei dieser Methode ist zu beachten, dass die Messungen im Variationsbereich der BOOST-Berechnungen liegen, da die Modelle ansonsten verzerrt werden.

Des weiteren ist zu raten, die Messpunkte gut im Versuchsraum zu verteilen, um so eine möglichst kennfeldweite Verbesserung zu erzielen.

In der Folge wird die Vorgangsweise bei der Modellierung durch Teilmodelle be¬ schrieben:

Zu Beginn werden Sensitivitätsuntersuchungen durchgeführt, um festzustellen, welcher Parameter den größten Einfluss auf die jeweilige Ausgangsgröße besitzt. Es können Korrekturfaktoren eingeführt oder Skalierungs- bzw. Kalibrierungs¬ faktoren, die BOOST zur Verfügung stellt, verändert werden.

Als Ausgangsgrößen wurden jene Messgrößen herangezogen, die hauptsächlich interessant für die Applikation sind. Dazu gehören einströmende Luftmasse (M_L1),

indizierter Mitteldruck (IMEP),

maximaler Zylinderdruck (PFP),

Abgastemperatur vor Katalysator bzw. vor Turbine (TABG),

letzteres vor allem deshalb, da die Temperatur einen großen Stellenwert in der Parametrierung diverser Kennfelder besitzt (Eintrittstemperatur Turbine bzw. Katalysator).

Bei diesen Sensitivitätsuntersuchungen hat sich herausgestellt, dass man die Bereiche Ladungswechsel, Verbrennung (IMEP & PFP) und Abgas getrennt be¬ trachten und so das Optimierungsproblem überschaubar halten kann.

Aus den obigen Ausführungen ist ersichtlich, dass die Simulation mit Hilfe des Kernmodells sehr große Schwierigkeiten mit der Abbildung der Abgasrückführung hat. Deshalb wurde in diesem Teil nur die Messpunkte ohne AGR verwendet, so- dass von den 41 zur Verfügung stehenden Betriebspunkten nur 27 Datensätze genutzt werden können. Diese wurden ebenfalls in 20 Trainingsdatensätze und 7 Validierungsdatensätze aufgeteilt (Fig. 18). Die Validierungsdaten liegen willkür¬ lich im Kennfeld und dienen wie im ersten Abschnitt zur späteren Überprüfung des Verfahrens (Generalisierung).

Das oben beschriebene Kernmodell wird dazu benutzt, die Messpunkte in BOOST zu simulieren. Dazu werden die verschiedenen Eingangsgrößen betriebspunktab¬ hängig festgesetzt:

Drehzahl

Einspritzmenge

Ladetemperatur

Ladedruck

Abgasgegendruck

Luft-Kraftstoff-Verhältnis im Einlass

Wandtemperaturen im Brennraum

Einspritzbeginn

Zündverzug

Brenndauer

Vibe-Formfaktor Die ersten fünf Größen können wie bereits beschrieben von den Prüfstandsmes- sungen übernommen werden; das einlassseitige Luft-Kraftstoff-Verhältnis wird gegen unendlich gesetzt, da keine Abgasrückführung und damit kein Kraftstoff im Einlass vorhanden ist; der Einspritzbeginn wird aus den Daten des Steuerge¬ rätes (ECU-Kennfelder) während der Prüfstandsvermessung ermittelt.

Der generelle Optimierungsablauf ist für alle vier Ausgangsgrößen identisch:

Nachdem der Haupteinflussparameter für die entsprechende Größe aufgrund der Sensitivitätsuntersuchungen bestimmt worden ist, erfolgt eine vollfaktorielle Va¬ riation diese Größe für jeden Trainingspunkt mit Hilfe von BOOST. Dadurch erhält man für jeden Betriebspunkt mehrere Lösungen in Abhängigkeit vom gewählten Parameter. Dabei ist darauf zu achten, dass der gewünschte Sollwert durch Ein¬ stellung des Faktors erreicht werden kann. Ist dies nicht der Fall, so muss ent¬ weder der Variationsbereich vergrößert oder eine andere Einflussgröße gefunden werden, die zu den verlangten Sollwerten führt.

In einem nächsten Schritt werden die BOOST-Ergebnisse in das Modell impor¬ tiert, um dort die exakte Parametereinstellung zu ermitteln, sodass der Sollwert erreicht wird. Die im Modell zu definierende Zielfunktion ergibt sich aus der For¬ derung, dass das Delta zwischen Ist- und Sollwert wie folgt minimiert werden soll:

TargetFun = Istwert - Sollwert = |uBoost - uMess|=min

mit:

UBoost simulierte Ausgangsgröße, variiert mit Parameter

UMess Messwert (Sollwert für den entsprechenden Betriebspunkt)

Diese Zielfunktion wird mit dem oben beschriebenen Modellierungsalgorithmus "ModelFormula" modelliert und exakt abgebildet. Voraussetzung hierfür ist aller¬ dings, dass die entsprechende Ausgangsgröße ebenfalls mit einer hohen Modell¬ güte abgebildet wird. Dazu verwendet man entweder ein polynomiales Regres¬ sionsmodell oder ein neuronales Netz, abhängig davon, welches die bessere Mo¬ dellqualität liefert.

Die eigentliche Parameterermittlung erfolgt im Anschluss durch eine lokale Opti¬ mierung aller Betriebspunkte (Trainingsdaten). Dabei wird mit Hilfe eines im Vorhinein ausgewählten Optimierungsalgorithmus das Minimum der Betragsfunk¬ tion aus Gleichung 15 ermittelt. Denn dort, wo die Betragsfunktion gleich Null ist, stimmen der Ist- und der Sollwert der jeweiligen Ausgangsgröße überein. Damit ist die Parametereinstellung für jeden Betriebspunkt der Trainingsdaten ermittelt, sodass möglichst exakt die entsprechende Ausgangsgröße simuliert werden kann.

Um zu überprüfen, ob diese Methodik auch für andere Bereiche des Kennfeldes gilt und damit auch die Übertragbarkeit für eine Anwendung gegeben ist, wurden wie bereits erwähnt, sieben Validierungsdatensätze nicht in den Optimierungs¬ ablauf einbezogen. Anhand dieser Betriebspunkte wird die Allgemeingültigkeit der Optimierungsergebnisse getestet.

Dazu wird in einem ersten Schritt eine Übertragung der gefundenen Parameter von den wenigen Stützstellen der Trainingsdaten auf das gesamte Kennfeld in Abhängigkeit von Drehzahl und Einspritzmenge möglich gemacht. Dabei wurden zwei Möglichkeiten untersucht:

Modellbildung: Man kann mit Hilfe Simulationsprogrammen ein Modell durch die optimalen Einstellparameter legen. Diesem Modell liegt eine mathematische For¬ mel zu Grunde, die den jeweiligen Faktor mit den Eingangsgrößen Drehzahl und Einspritzmenge verknüpft.

Lineare Interpolation: Es wird eine Interpolation zwischen den einzelnen Stütz¬ stellen durchgeführt, sodass die Zwischenwerte über einen linearen Zusammen¬ hang zwischen den jeweiligen Nachbarpunkten berechnet werden.

Beide Verfahren dienen dazu, eine Übertragung der optimierten Parameter und damit eine kennfeldweite Verbesserung des Simulationsmodells zu ermöglichen.

Die Ergebnisse des gesamten Optimierungsablaufes werden im folgenden in drei Abschnitten dokumentiert: Ladungswechsel, Verbrennung und Abgas. Die Rei¬ henfolge der Beschreibungen entspricht der Vorgehensweise beim Abgleichen der Modelle mit dieser Methode, da die unterschiedlichen Variationsparameter teil¬ weise einen Einfluss auf die anderen Ausgangsgrößen besitzen. Aus diesem Grund darf der Ablauf nicht willkürlich verändert werden.

Ladungswechsel

In Fig. 19 wird das Delta zwischen Messung und Simulation, aufgetragen über die nach Drehzahl und Last geordneten Trainingspunkte, dargestellt. Es lässt sich eine Tendenz erkennen: Bei mittleren Drehzahlen wird zu wenig einströmende Luft simuliert.

Dieser in Wirklichkeit höher liegende Luftaufwand erklärt sich durch die im Kernmodell nicht abbildbaren dynamischen Druckpulsationen im Ansaugtrakt während eines Arbeitsspiels. Diese werden heutzutage bewusst bei der Entwick- lung von modernen Verbrennungsmotoren genutzt, um den Füllungsgrad zu er¬ höhen.

Um diesen Nachteil des Kernmodells auszugleichen, muss das Druckgefälle über den Motor so angepasst werden, dass je nach Betriebspunkt mehr oder weniger Luft in den Motor gelangt.

Die erste Idee bestand darin, durch eine Drosselung im Ansaug- und Abgastrakt Einfluss auf die Luftmasse zu nehmen. Dazu wurden die sogenannten Flow Coef- ficients in den Restriktionen des BOOST-Modells verändert. Flow Coefficients ska¬ lieren die Strömungsfläche und können an jeder Übergangsstelle im Rohrsystem eingestellt werden, in diesem Fall für die einlassseitige Drosselung am Ausgang des Plenums (PLl, Abb. 5) und für die auslassseitige Drosselung am Knotenpunkt Jl. Variiert man diese beiden Parameter, so erhält man eine Variation der Luft¬ masse. In Fig. 20 ist das Verhältnis simulierter Luftmasse zur gemessenen Luft¬ masse über die Flow Coefficients für einen Arbeitspunkt aufgetragen (Soll¬ wert = 1).

Es ist erkennbar, dass man zwar einen Einfluss auf die Luftmasse hat, allerdings die einströmende Luft nicht erhöhen kann. Aus diesem Grund ist eine Drosselung für diese Art der Anwendung nicht geeignet.

Bei der zweiten untersuchten Möglichkeit, wurde eine Variation des sogenannten Scaling Factors des Einlassventils im Zylinderelement durchgeführt. Mit Hilfe des Scaling Factors wird die effektive Strömungsfläche des Ventils skaliert und da¬ durch die einströmende Luft verändert. Es wird jedoch ersichtlich, dass auch mit dieser Möglichkeit der vorgegebene Sollwert nicht erreicht werden kann (Fig. 21) Außerdem ist der Einfluss auf die Luftmasse bei weitem nicht so groß; sie kann z.B. in dem hier dargestellten Betriebspunkt nur um maximal 2% verändert wer¬ den.

Die dritte und letztendlich effektivste Möglichkeit beruht auf der Idee, das Druck¬ gefälle über den Motor direkt zu verändern, indem man einen Offset auf den La¬ dedruck addiert. Denn durch eine Anhebung des Ladedrucks bei gleich gebliebe¬ nen Abgasgegendruck erreicht man einen erhöhten Füllungsgrad. Dagegen be¬ wirkt eine Absenkung des Ladedrucks, dass weniger Luft in den Motor gelangt. Das Diagramm in Fig. 22 zeigt eine Variation des Offsets. Man erkennt, dass durch diese Methode die Luftmasse auf ihren Sollwert eingestellt werden kann.

Also wurde zur Optimierung des Ladungswechsels eine vollfaktorielle Variation des Ladedruckoffsets zwischen -lOOmbar und +250mbar durchgeführt und an¬ schließend über die vorhin beschriebene Methode der nötige Druckausgleich zum Erreichen der gewünschten Luftmasse ermittelt. Die Ergebnisse, die sich nach der Optimierung ergeben, sind in Fig. 23 darge¬ stellt. Für jeden Betriebspunkt (linke Spalten) wird ein optimaler Ladedruckoffset (mittlere Spalte) ermittelt, sodass das Delta zwischen Ist- und Sollwert möglichst Null ergibt. In diesem Fall kann die Optimierung ideal durchgeführt werden (rechte Spalte: Fehler=0.000).

Verifiziert man diesen Ladedruckoffset durch eine erneute Simulation in BOOST, so erhält man in fast allen 20 Trainingspunkten die gewünschte Luftmasse. In Fig. 24 ist zum Vergleich der prozentuale Fehler vor der Zugabe des Offsets noch einmal in hellgrau schraffiert dargestellt; die dunkelgrauen Balken zeigen die ge¬ ringen Abweichungen vom Sollwert nach der Offsetaddition.

Ein geringer Fehler ist jedoch noch immer vorhanden während der Optimierer be¬ hauptet, der Fehler sei Null (Fig. 23). Dies ist darin begründet, dass während der Optimierung auf Modelle zurückgegriffen wird, die immer eine Näherung darstel¬ len. Oft ist es allerdings nicht möglich, die Modellqualität so zu verbessern, dass die Wirklichkeit hundertprozentig richtig abgebildet wird.

Für die Validierung, d.h. die Übertragung auf die übrig gebliebenen sieben an¬ deren Betriebspunkte, können zwei Verfahren verwendet werden: Modellbildung und Interpolation.

Das Modell, das über den Ladedruckoffset in Abhängigkeit von Drehzahl und Ein¬ spritzmenge gelegt wird (siehe Fig. 25), spiegelt sehr gut den Nachteils des Kernmodells wieder, nämlich dass bei diesem Versuchsträger der Ladedruck bei mittleren Drehzahlen angehoben werden muss, damit die tatsächliche Luftmasse abgebildet werden kann.

Um eine möglichst genaue Aussage darüber zu erhalten, was zwischen den Stützstellen liegt, muss das Modell mit einer möglichst hohen Güte modelliert werden. Dazu wird in diesem Fall das Verfahren der neuronalen Netze benutzt und man erhält ein sehr gutes Bestimmtheitsmaß von R2 = 0,915.

Bestimmt man den entsprechenden Offset für die 7 Validierungspunkte aus dem Modell und berechnet die Luftmasse mit Hilfe von BOOST, so zeigen die Ergeb¬ nisse, dass eine Übertragung auf diese Punkte möglich ist. Fig. 26 präsentiert dazu die prozentuale Abweichung vor (in hellgrau schraffiert) und (in dunkel¬ grau) nach der Optimierung: der Luftmassenfehler kann von 6% auf knapp über 1% reduziert werden.

Die zweite Möglichkeit der kennfeldweiten Übertragung durch Interpolation hat den Vorteil, dass das daraus ermittelte Kennfeld genau die Stützstellen abbildet und nicht durch eine Modellierung verfälscht wird. In Fig. 27 ist dieses Kennfeld für den Ladedruckoffset dargestellt. Es zeigt ebenso den erhöhten Ladedruck im Bereich der mittleren Drehzahlen und hohen Lasten.

Die Simulation mit den sich hieraus ergebenen Druckzugaben zeigen noch bes¬ sere Resultate: der Fehler wird sogar von 6% auf max. 0,8% verringert (Fig. 28).

Grundsätzlich kann man festhalten, dass eine sehr gute kennfeldweite Verbes¬ serung der simulierten Luftmasse mit dieser Methodik erzielt werden kann.

Verbrennung

Die Optimierung der Verbrennung bedeutet das Angleichen der Ausgangsgrößen IMEP (indizierter Mitteldruck) und PPF (maximaler Zylinderdruck) an die jeweili¬ gen Messwerte.

Betrachtet man die Differenz zwischen der gemessenen und der simulierten Größe im Kennfeld (Fig. 29), so ist keine eindeutige Tendenz erkennbar. Aus die¬ sem Grund ist die Wahl des Parameters für die Kalibrierung des Simulationsmo¬ dells nicht eindeutig.

Da in der frühen Entwicklungsphase wenige Details über die innermotorischen Zusammenhänge bekannt sind, ist es sinnvoller, ein einfaches Verbrennungsmo¬ dell heranzuziehen. Hier kommt z.B. die Vibe-Brennfunktion in Frage. Für die Pa- rametrierung müssen die Brenndauer, der Brennbeginn und der Vibe-Formfaktor angegeben werden.

Zunächst wurde eine vollfaktorielle Variation aller drei Parameter durchgeführt, sodass gleichzeitig der indizierte Mitteldruck und der maximale Zylinderdruck mit Hilfe dieser Zielfunktion angepasst werden konnten:

IMEP6008, -IMEPMess| „nn |PFPB00St -PFPMess| ITABG80051 -TABQ,, i 1000- -^ri + 100- J — MgSS1 + I Doos. -^s. =mjn ( 16) "MEPMess PFPMess TABGj^8

Hierbei wird durch die Wahl der Faktoren eine besondere Gewichtung auf IMEP gelegt, da diese Größe möglichst genau wiedergegeben werden soll. Die Abgas¬ temperatur wird in diese Zielfunktion mit eingebunden, damit bei zwei Optima jenes Optimum gewählt wird, dessen Abgastemperatur näher am Messwert liegt.

Es hat sich jedoch herausgestellt, dass das Optimierungsproblem zu viele Frei¬ heitsgrade besitzt und daher nicht eindeutig gelöst werden kann (kein reprodu¬ zierbares und robustes Optimum). Des weiteren ist es nicht möglich gewesen, über die ermittelten Parameter ein passendes Kennfeld zu legen, da die Werte zu stark schwankten und keine eindeutige Tendenz erkennbar war. Fig. 30 zeigt die Kennfelder der Brenndauer, des Brennbeginns und des Formfaktors, die sich nach der Optimierung ergaben.

Anhand der Skalierung wird deutlich, dass die einzelnen Parameter sehr stark in Abhängigkeit von Drehzahl und Last schwanken und dadurch sehr große Gra¬ dienten zwischen den einzelnen Stützstellen entstehen. Somit konnte mit dieser Methode keine kennfeldweite Verbesserung ermöglicht werden.

Daher ist es notwendig, den Optimierungsablauf in zwei Teile aufzuspalten, in¬ dem zunächst der maximale Zylinderdruck angepasst und im Anschluss das Delta zwischen gemessenem und simuliertem IMEP reduziert wird. Für jede Ausgangs¬ größe sollte wenn möglich nur ein Variationsparameter zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund muss ein Teil der Parameter konstant gesetzt werden.

Da der Einspritzbeginn aus dem ECU-Kennfeld bekannt ist, ist es sinnvoll, den Brennbeginn zu fixieren. Der Zündverzug, der die Zeit zwischen Einspritzbeginn und tatsächlichem Brennbeginn beschreibt, wird abgeschätzt, sodass er sich mit steigender Last und steigender Drehzahl vergrößert:

SOC = SOI + ZV = SOI + a n + b -mB + c n mB + d . (17)

Auf die gleiche Art kann man den Vibe-Formfaktor modellieren, da der Brenn¬ verlauf eines Diesels "weicher" wird, je höher die Drehzahl ist (Verbrennungs¬ schwerpunkt verschiebt sich nach "spät"):

mVibe = e n + f . (18)

Die Faktoren a bis d wurden in diesem Fall anhand der Messdaten approximiert; e und f wurden so bestimmt, dass der Formfaktor bei niedriger Drehzahl den Wert 0,2 und bei hoher Drehzahl den Wert 0,7 ergibt.

Durch die Approximation konnte das dreidimensionale Problem auf nur einen freien Parameter reduziert werden: die Brenndauer. Über die Brenndauer gibt es keine Informationen bei einer einfachen Prüfstandsvermessung. Daher ist es sinnvoll, die Brenndauer vollfaktoriell zu variieren. Wie Fig. 31 zeigt, besitzt die¬ ser Parameter einen großen Einfluss auf den maximalen Zylinderdruck, sodass man auf diesem Weg den Solldruck einstellen kann.

Nach der Ermittlung der Brenndauer und folglich dem Abgleichen des maximalen Zylinderdrucks muss der indizierte Mitteldruck an den Messwert angepasst wer¬ den. Dies kann durch eine Veränderung des Wärmeübergangs erfolgen. Denn der Wärmeverlust während der Verbrennung hat einen fast linearen Einfluss auf die Ausgangsgröße IMEP (Fig. 32). Über den sogenannten Calibration Factor in BOOST wird der Wärmeverlust skaliert und somit IMEP an den gemessenen Wert angeglichen.

Das Abgleichen des maximalen Zylinderdrucks über die Brenndauer ergibt sehr gute Ergebnisse in den einzelnen Betriebspunkten. Fig. 33 zeigt den dazugehöri¬ gen Screenshot der Optimierungsergebnisse. Es bleibt in manchen Punkten eine geringe Differenz übrig, der durch die Wahl des Abbruchkriteriums des Optimie¬ rungsalgorithmus bedingt ist. Allerdings ist dieser minimale Fehler für die Simu¬ lation in BOOST nicht relevant.

Denn die dazugehörigen BOOST-Simulationen weisen eine Reduzierung des pro¬ zentualen Fehlers zwischen gemessenem und gerechnetem PFP vor, der nach dem Abgleich maximal 1,5% beträgt (siehe Fig. 34).

Auch die Resultate, die sich aus der Anpassung des indizierten Mitteldrucks erge¬ ben, zeigen ähnliche Ergebnisse (Fig. 35, Fig. 36). Die Abweichung des simulier¬ ten IMEPs gegenüber dem Messwert kann in diesen Trainingspunkten sogar auf unter 0,2% reduziert werden. Dies stellt eine erhebliche Verbesserung der Abbil¬ dung dieser Ausgangsgröße dar.

Insgesamt kann man festhalten, dass es über den beiden Parametern Brenn¬ dauer und Calibration Factor möglich ist, die Verbrennungsgrößen maximaler Zy¬ linderdruck und indizierter Mitteldruck mit den jeweiligen Messdaten abzuglei¬ chen, und zwar in den Betriebspunkten, mit denen die Optimierung durchgeführt wird.

Zur kennfeldweiten Übertragung der optimierten Parameter werden im Folgenden erneut zwei Möglichkeiten aufgezeigt.

Zum Einen wird ein Modell durch die Parameter mit den Eingangsgrößen Dreh¬ zahl und Einspritzmenge gelegt. In Fig. 37 ist das Modell der Brenndauer darge¬ stellt, erzeugt mit Hilfe von neuronalen Netzen, um so die bestmögliche Modell¬ güte zu erhalten. Fig. 38 zeigt das Modell für den Calibration Factor, ebenfalls berechnet mit dem FN N -Verfahren. In beiden Fällen weist die Modellqualität Mängel auf (R2 = 0,825 bzw. R2 = 0,641). Gerade beim Modell des Calibration Factors gibt es eine große Differenz zwischen der Modellfläche und den tatsächli¬ chen Parameterwerten. Es lässt sich also keine eindeutige Tendenz zur Opti¬ mierung des indizierten Mitteldrucks erkennen. Für die Brenndauer ergibt sich dagegen ein besseres Modell, wobei jedoch auch hier die Stützstellen nicht genau abgebildet werden können. Dennoch kann man mit diesem Modell die Brenn¬ dauer für die sieben Validierungspunkte ermitteln. Die dazugehörigen BOOST- Rechnungen ergeben, dass eine Verbesserung des maximalen Zylinderdrucks möglich ist, wenn auch nur um wenige Prozent (Fig. 39).

In Bezug auf die zweite Verbrennungsgröße, IMEP, lassen sich diese Ergebnisse allerdings nicht so gut übertragen: Wenn man mit dem aus dem Modell ermittel¬ ten Calibration Factors den indizierten Mitteldruck in den Validierungspunkten simuliert, ergibt sich nur in wenigen Punkten eine Verbesserung, meist jedoch eine Vergrößerung des Fehlers zwischen gemessenem und simuliertem IMEP (Fig. 40).

Führt man nun die zweite Variante der kennfeldweiten Übertragung durch, näm¬ lich das lineare Interpolieren zwischen den einzelnen Stützstellen, so ergeben sich die folgenden Kennfelder für die Brenndauer (Fig. 41) und für den Calibra¬ tion Factor (Fig. 42). Auch hier kann man sehr deutlich die starken Gradienten zwischen den einzelnen Stützstellen erkennen. Dies verdeutlich sich besonders beim Calibration Factor.

Ebenso kann festgestellt werden, dass das Verhalten der Brenndauer über Dreh¬ zahl und Last in diesem Kennfeld anders aussieht als beim vorhin beschriebenen Modell (Fig. 37): Während das FNN-Modell zwei Wellenberge bei konstanter Last beschreibt, verlaufen die Wellen im Interpolationskennfeld mit konstanter Dreh¬ zahl. Dies deutet darauf hin, dass die Modellqualität des FNNs wie erwartet nicht ausreichend gut ist und die "Wirklichkeit" nicht abbilden kann.

In Fig. 43 und Fig. 44 wird die prozentualen Abweichungen für den maximalen Zylinderdruck und den indizierten Mitteldruck in den Validierungspunkten darge¬ stellt, nachdem die jeweilige Brenndauer und der jeweilige Calibration Factor er¬ mittelt wurden: Wider Erwarten führ die Interpolationsmethode trotz ihrer ge¬ nauen Abbildung der Parameter zu schlechteren Ergebnissen. Während sich für die erste Übertragungsvariante eine Verbesserung des maximalen Zylinderdrucks in allen sieben Validierungspunkten ergibt, verschlechtert sich die Ausgangsgroße bei dieser Methode in einigen Betriebspunkten (Fig. 43). Absolut gesehen kann man allerdings auch hier den Fehlerbereich von 30% auf max. 12% reduzieren.

In Bezug auf den indizierten Mitteldruck führt die Interpolation ebenfalls zu Ver¬ schlechterungen in manchen Betriebspunkten, genau wie die Modellbildung (Fig. 44).

Diese hier aufgezeigten Resultate deuten darauf hin, dass es zwar möglich ist, einzelne Betriebspunkte direkt bezüglich der Verbrennungsgrößen zu optimieren. Die Übertragung auf das gesamte Kennfeld ist hingegen nicht möglich, da sie nur zufällig eine Verbesserung der Ausgangsgröße ergeben kann. Denn obwohl die Modellbildung nicht die richtigen Zusammenhänge der Parameter darstellt, führt die Übertragung teilweise zu besseren Ergebnissen. Dies kann nur Zufall sein und insofern auch von der Wahl der Validierungspunkte abhängen.

Als vierte Ausgangsgröße wurde die Abgastemperatur angepasst. Betrachtet man die Differenz zwischen gemessener und simulierter Temperatur in Fig. 45, stellt man fest, dass das Abgas in allen Betriebspunkten zu heiß simuliert wird. Bei diesem Versuchsträger lässt sich dies im wesentlichen dadurch erklären, dass bei der Simulation keine Berechnung des Wärmeverlustes in den Rohren des Abgas¬ trakts durchgeführt wurde. Eine weiter Erklärung wäre z.B. eine unterschiedliche Position der Messstelle.

Um diese Abweichung zu kompensieren, muss der Wandwärmestrom im Abgas¬ trakt erhöht werden. Dies kann über den Heat Transfer Factor in den Rohren des BOOST-Modells eingestellt werden. Wichtig hierbei ist, dass die Wandtemperatur niedriger als die gemessene Abgastemperatur, also unterhalb des Sollwertes liegt. Nur unter dieser Voraussetzung kann eine Abkühlung des Abgases realisiert werden. In diesem Fall wurde die Wandtemperatur auf konstant 300K gesetzt, sodass der Temperaturunterschied zwischen Abgas und Wand groß bleibt und somit der Wärmeverlust möglichst gut beeinflusst werden kann.

In Fig. 46 ist das Verhältnis der simulierten zur gemessenen Abgastemperatur nach einer kontinuierlichen Erhöhung des Heat Transfer Factors aufgetragen. Mann erkennt, dass es auf diese Art und Weise möglich ist, die Ausgangsgröße an ihren Messwert anzugleichen.

Die vollfaktorielle Variation des Heat Transfer Factors in BOOST sowie die an¬ schließende Minimierung der Betragsfunktion (Gl. 15 führen zu den in Fig. 47 dargestellten Ergebnissen. Auch hier wird die Zielfunktion in allen Betriebspunk¬ ten erfolgreich zu Null optimiert und jeweils ein entsprechender Heat Transfer Factor ermittelt.

Die Verifizierung dieser Resultate durch eine Simulation in BOOST liefert die in Fig. 48 präsentierten prozentualen Abweichungen, also durchweg eine optimale Verbesserung der Abgastemperatur in allen 20 Trainingspunkten.

Die Validierung, also die kennfeldweite Übertragung zeigt in Bezug auf die Ab¬ gastemperatur zufriedenstellende Ergebnisse.

Das FNN-Modell des Heat Transfer Factors (Fig. 49) besitzt eine ausreichend gute Qualität (R2 = 0,840).

Auch die dazugehörigen BOOST-Simulationen ergeben eine Korrektur des Fehlers in den Validierungspunkten von maximal 13% auf jetzt knapp 6% (Fig. 50). Des weiteren kann festgehalten werden, dass eine Verbesserung der Abgastempera¬ tur in allen Punkten eintritt.

Durch eine Interpolation zwischen den Stützstellen ergibt sich ein ähnlicher Zu¬ sammenhang zwischen den optimalen Heat Transfer Factoren, der Drehzahl und der Einspritzmenge. Das so berechnete Kennfeld, in Fig. 51 dargestellt, zeigt eine Fläche mit relativ sanften Übergängen zwischen den einzelnen Parametern.

Aus diesem Grund erreicht man, ebenso wie durch die Übertragung mittels Mo¬ dellbildung, eine Verbesserung der Ausgangsgröße TABG in allen sieben Validie¬ rungspunkten (Fig. 52). Der Fehler kann dadurch sogar auf nur 3% reduziert werden. Dies deutet darauf hin, dass die Modellqualität nicht ausreicht, um die optimierten Heat Transfer Factoren richtig zu übertragen.

Wie in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, konnte eine Verbesserung in der Simu¬ lation der Abgastemperatur über den Wärmeverlust erfolgen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die simulierte Temperatur vor dem Abgleich in allen Punkten zu hoch ist. In anderen Fällen, z.B. wenn sie über das gesamte Kennfeld zu niedrig abgebildet wird, so gibt es die Möglichkeit, die Wandtemperatur zu erhöhen und so das Abgas zu heizen. Für den Fall, dass die Ausgangsbasis kein einheitliches Bild aufweist, könnte man für jeden Betriebspunkt individuell die Wandtemperatur setzen: entweder oberhalb oder unterhalb des Sollwertes, je nachdem ob erwärmt oder abgekühlt werden soll.

Validierung mit einem Datensatz

Zur Generalisierung der in den letzten Kapiteln aufgezeigten Methodik wurden in einem weiteren Schritt die sieben Validierungspunkte ausgetauscht. In Fig. 53 sind die bekannten Messpunkte nochmals über Drehzahl und Einspritzmenge auf¬ getragen. Wie man hier erkennen kann, liegen die neuen Validierungsdatensätze (Quadrat) teilweise in den Randbereichen des Betriebskennfeldes, sodass sich eine andere Ausgangsbasis zur Optimierung ergibt.

Lässt man nun die Parameter Ladedruckoffset, Brenndauer, Calibration Factor und Heat Transfer Factor über die neuen Trainingspunkte ermitteln, so werden ähnlich Ergebnisse erzielt wie oben beschrieben:

Fig. 54 stellt die prozentualen Abweichungen jeder Ausgangsgröße in den neuen Validierungspunkten vor der Verbesserung und nach dem kompletten Optimie¬ rungsvorgang und der kennfeldweiten Übertragung durch Interpolation dar.

Auch hier wird der Fehler zwischen simulierter und gemessener Luftmasse sowie zwischen simulierter und gemessener Abgastemperatur erfolgreich minimiert: Der Fehler kann auf maximal 2% bzw. 3% reduziert werden. Die Diagramme für die Ausgangsgrößen PFP und IMEP zeigen in diesem Fall unerwartet gute Resul¬ tate. Jedoch muss man auf Grund der festgestellten Schwierigkeiten davon aus¬ gehen, dass diese Verbesserung durch Zufall eingetreten ist. Der Abgleich hängt also stark von den gewählten Punkten innerhalb des Drehzahl-Last-Kennfeldes ab.

In Fig. 55 ist der gesamte Workflow für den Abgleich durch Kalibrierung der Si¬ mulationsmodelle dargestellt.




 
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