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Title:
METHOD FOR DETERMINING A STATE OF WEAR OF A BRAKE PAD OF A VEHICLE, AND DEVICE AND COMPUTER PROGRAM
Document Type and Number:
WIPO Patent Application WO/2023/274714
Kind Code:
A1
Abstract:
The invention relates to a method for determining a state of wear of a brake pad of a vehicle (F), comprising the following steps: receiving (S10) time series data (Dt), the time series data (Dt) comprising a time series of brake system-related data of the vehicle (F); identifying (S20) at least one braking event (B1, B2) in the time series data (Dt), each braking event (B1, B2) identified in the time series data (Dt) corresponding to a time data window of braking event data (Db) of the time series data (Dt), the data window correlating with a real braking event of the vehicle (F); determining (S30) features (M) from the braking event data (Db) using predetermined operators for each identified braking event (B1, B2); classifying (S40) the at least one braking event (B1, B2) using the features (M) determined therefor; the classification (K) being assigned to a state of wear of the brake pad of the vehicle (F).

Inventors:
HOFFMANN ANDREAS (DE)
SUNKARA DEVI RAJ (IN)
WEISSENBACHER CHRISTIAN (DE)
SCHEER MIRKO (DE)
ZECHLIN HANNES-SEBASTIAN (DE)
LEHNER STEPHAN GEORG (DE)
Application Number:
PCT/EP2022/066143
Publication Date:
January 05, 2023
Filing Date:
June 14, 2022
Export Citation:
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Assignee:
BOSCH GMBH ROBERT (DE)
International Classes:
B60T17/18; B60T17/22; F16D55/02; F16D66/02
Foreign References:
US20190234475A12019-08-01
EP3227153A12017-10-11
DE10029238A12001-12-20
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Claims:
Ansprüche

1. Verfahren zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags eines Fahrzeugs, umfassend die Schritte:

Empfangen (S10) von Zeitreihendaten (Dt), wobei die Zeitreihendaten (Dt) eine Zeitreihe von bremssystemrelevanten Daten des Fahrzeugs (F) umfasst;

Identifizieren (S20) von zumindest einem Bremsereignis (Bl, B2) in den Zeitreihendaten (Dt), wobei jedes in den Zeitreihendaten (Dt) identifizierte Bremsereignis (Bl, B2) einem zeitlichen Datenfenster von Bremsereignisdaten (Db) der Zeitreihendaten entspricht, wobei das Datenfenster mit einem realen Bremsereignis des Fahrzeugs (F) korreliert;

Bestimmen (S30) von Merkmalen (M) aus den Bremsereignisdaten (Db) unter Verwendung von vorbestimmten Operatoren für jedes identifizierte Bremsereignis (Bl, B2);

Klassifizieren (S40) des zumindest einen Bremsereignisses (Bl, B2) unter Verwendung der dafür bestimmten Merkmale (M), wobei die Klassifizierung (K) einem Verschleißzustand des Bremsbelags des Fahrzeugs (F) zugeordnet ist.

2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die bremsrelevanten Daten Sensordaten, Steuergerätedaten und/oder Bremssystemdaten des Fahrzeugs (F) umfassen.

3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei die Sensordaten von einem Hauptbremszylinderdrucksensor, einem Reifendrehzahlsensor, einem Fahrzeugträgheitssensor und/oder einem Bremssystemsensor bereitgestellt werden.

4. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 3, wobei die Bremssystemdaten einen Bremssystemstatus und/oder einen Bremssystemflag umfassen. 5. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, wobei Identifizieren des zumindest einen Bremsereignisses umfasst: Empfangen zumindest eines Bremstriggers (T), wobei der Bremstrigger (T) mit einem realen Bremsereignis des Fahrzeugs (F) korreliert;

Identifizieren des zumindest einen Bremsereignisses (Bl, B2) unter Verwendung des zumindest einen empfangenen Bremstriggers (T).

6. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, wobei der zumindest eine Bremstrigger (T) einen Zustand des Bremslichtschalters, eine Längsbeschleunigung des Fahrzeugs und/oder einen Motorzustand umfasst.

7. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, umfassend:

Verwerfen von überflüssigen Zeitreihendaten (Dt), die keinem

Bremsereignis (Bl, B2) zugeordnet werden können.

8. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, umfassend:

Verwerfen von Zeitreihendaten (Dt), die nicht geeignet sind zur

Bestimmung von Merkmalen (M).

9. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, umfassend:

Zuordnen einer Relevanz zu jedem der bestimmten Merkmale (M); Verwenden einer vorher festgelegten Anzahl an Merkmalen (M) mit der höchsten Relevanz zur Klassifizierung des zumindest einen Bremsereignis (Bl, B2).

10. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, wobei Empfangen von Zeitreihendaten (Dt) umfasst:

Speichern der empfangenen Zeitreihendaten (Dt) in einem Speicher (20); wobei die Zeitreihendaten (Dt) solange in einem Speicher behalten wird, solange der Speicher (20) nicht ausgeschöpft ist oder solange die Merkmale der entsprechenden Zeitreihendaten (Dt) nicht bestimmt wurden.

11. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, wobei das zumindest eine Bremsereignis (Bl, B2) unter Berücksichtigung einer Bremshistorie des Fahrzeugs (F) klassifiziert wird.

12. Verfahren nach einem der vorigen Ansprüche, umfassend: Empfangen von Temperaturdaten (Dtemp), wobei die Temperaturdaten

(Dtemp) eine Temperatur des Bremsbelags, eine Temperatur einer Bremsscheibe des Fahrzeugs und/oder eine Umgebungstemperatur des Fahrzeugs umfassen;

Klassifizieren des zumindest einen Bremsereignisses (Bl, B2) unter Verwendung der dafür bestimmten Merkmale (M) und den entsprechenden

Temperaturdaten (Dtemp).

13. Vorrichtung (100) zur Bestimmung eines Verschleißzustandes eines Bremsbelags eines Fahrzeugs (F), das eingerichtet ist das Verfahren nach einem der Ansprüche 1-12 auszuführen.

14. Computerprogramm, umfassend Befehle, die bei der Ausführung des Computerprogramms durch einen Computer diesen veranlassen, ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1-12 auszuführen.

Description:
Beschreibung

Titel:

VERFAHREN ZUR BESTIMMUNG EINES VERSCHLEISSZUSTANDS EINES BREMSBELAGS EINES FAHRZEUGS, SOWIE VORRICHTUNG UND COMPUTERPROGRAMM

Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung und insbesondere kontinuierlichen Beobachtung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags eines Fahrzeugs, sowie eine Vorrichtung und ein Computerprogramm hierzu.

Stand der Technik

Hydraulische Bremssysteme, wie sie in Fahrzeugen, beispielsweise im Personenbereich oder im Nutzfahrzeugbereich, eingesetzt werden, sind so konzipiert, dass sie Räder mit einem durch Reibung erzeugten Drehmoment verzögern. Ein Bremssattel bewegt normalerweise Bremsbeläge gegen einen sich drehenden Rotor, insbesondere eine Bremsscheibe, der fest mit dem Rad verbunden ist. Somit wird ein reibschlüssiger Oberflächenkontakt zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe hergestellt. Die thermisch leitfähigen Bremsbeläge sind auf Verschleiß ausgelegt, um ein langlebiges Bremssystem zu gewährleisten. Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit, Fehlervermeidung, Maximierung der Lebensdauer des Bremssattel- Rotorsystems, Fahrzeugüberwachung und Wartung, sowie Flotten- und Lieferkettenmanagement erfordern eine Überwachung des Bremsbelagverschleißes.

Die Verschleißerkennung von Bremsbelägen beruht im Wesentlichen auf einer Kombination aus direkten und indirekten Erkennungsansätzen: Die Dicke des Belagmaterials kann direkt mit Hardware-Sensoren gemessen oder überwacht werden (direkte Abtastung). Indirekte Messverfahren leiten die Belagdicke oder den Verschleißzustand des Belags aus vorher festgelegten Systemparametern und Daten von Umgebungssensoren ab.

Übliche Bremsbelagverschleißsensoren, BPWS, umfassen elektrische Schaltkreise, die senkrecht zur Verschleißrichtung des Belags in das Reibmaterial des Bremsbelags eingebettet sind. Die Sensoren sind normalerweise auf oder in unmittelbarer Nähe der Rückenplatte des Bremsbelags montiert. BPWS können mehrere Stufen haben, um den Verschleißzustand des Belags zu klassifizieren, die sich aus der stufenweisen Widerstandsänderung ergeben, wenn die elektrischen Schaltungen durch Bremsbelagverschleiß zerstört werden. Als solche werden diese Sensoren im Laufe des Belagverschleißes zerstört (destruktive Abtastung).

Ansätze zerstörungsfreier Abtastung umfassen Sensorsysteme, die andere Methoden zur direkten oder indirekten Messung der Belagdicke nutzen. Beispiele sind Positionssensoren oder Abstandsmessungen auf Basis der Ultraschalltechnologie.

Die Auswertung der Sensorsignale kann mit komplexeren Softwarealgorithmen kombiniert werden. Aktuelle Algorithmen beziehen sich in der Regel auf die Oberflächentemperatur der Bremsscheibe, die entweder durch einen zusätzlichen Hardwaresensor oder einen Softwarealgorithmus, der sich auf Messgrößen von anderen Sensoren und vom Bremssystem gelieferten Größen stützt. Ein Bremsscheibentemperaturmodell, BTM, wird verwendet, um die Scheibentemperatur aus der vom Bremsbelag aufgebrachten physikalischen Arbeit und der radiativen Scheibenkühlung abzuleiten. Die Hauptparameter des BTMs sind der Anpressdruck, die Radgeschwindigkeit und die Umgebungstemperatur, abgesehen von Koeffizienten, die sich auf die Rad-, Belag- und Bremssystemcharakteristik beziehen.

Der Bremsbelagverschleiß ÄWz wird aus physikalischen Modellierung abgeleitet. In erster Näherung hängt ÄWz linear von der während eines Bremsereignisses dissipierten Energie Eb ab, d. h. ÄWz oc Eb für jede Bremsung. Die Proportionalitätskonstante dieses Modells, K, hängt ihrerseits normalerweise von Druck, Raddrehzahl und der Scheibentemperatur ab (gegeben durch das BTM) und wird üblicherweise mit einem Polynom approximiert. Der Gesamtverschleiß eines Bremsbelags zu einem aktuellen Zeitpunkt tO wird durch Summierung der ÄWz-Schätzungen aller zuvor durchgeführten Bremsereignisse abgeleitet (integraler Ansatz). Mehrstufige BPWS werden sowohl zur stufenweisen Rekalibrierung der mit starken Unsicherheiten behafteten Modellvorhersage als auch als Sicherheitseinheit bei vollständig verschlissenen Bremsbelägen (Fahrerwarnung) verwendet.

Allerdings beruht der integrale Ansatz zur Berechnung des gesamten Bremsbelagverschleißes auf der Annahme, dass der Austausch der Bremsbeläge mit neuen Bremsbelägen desselben Typs (Marke, Modell) erfolgt. Die Verwendung von bereits verschlissenen Bremsbelägen eines anderen Typs würde eine anfängliche Neukalibrierung des eingebauten Modells erfordern, was aktuelle Implementierungen nicht bewältigen können. Zweitens werden systematische Unsicherheiten der Modellvorhersage, oder nicht modelliertes Bremsbelagverhalten, aufintegriert, was die Messunsicherheit bis zur Modellrekalibrierung durch die BPWS-Messung kontinuierlich erhöht. Zudem weisen aktuelle BTM-Implementierungen hohe Unsicherheit (< 100 K) der geschätzten Bremsscheibentemperatur auf. BTM-Implementierungen erfüllen daher nur den ASIL-A-Standard (Automotive Safety Integration Level). Die Substitution des BTM durch Hardware-Sensoren für die Bremsscheibentemperatur führt stattdessen zu einer hohen Steigerung der Produktkosten. Interne BPWS, die in das Belagmaterial des Bremsbelags eingebaut sind, werden schließlich mit dem Verschleiß des Bremsbelags verbraucht. Ein Belagtausch erfordert daher einen Austausch des Sensors, was die anfallenden Wartungskosten erhöht.

Offenbarung der Erfindung

Nach einem Aspekt der Erfindung umfasst das Verfahren zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags eines Fahrzeugs die folgenden Schritte. In einem Schritt werden Zeitreihendaten empfangen, wobei die Zeitreihendaten eine Zeitreihe von bremssystemrelevanten Daten des Fahrzeugs umfasst. In einem weiteren Schritt wird zumindest ein Bremsereignis in den Zeitreihendaten identifiziert, wobei jedes in den Zeitreihendaten identifizierte Bremsereignis einem zeitlichen Datenfenster von Bremsereignisdaten der Zeitreihendaten entspricht, wobei das Datenfenster mit einem realen Bremsereignis des Fahrzeugs korreliert. In einem weiteren Schritt werden Merkmale aus den Bremsereignisdaten unter Verwendung von vorbestimmten Operatoren für jedes identifizierte Bremsereignis bestimmt. In einem weiteren Schritt wird das zumindest eine Bremsereignis unter Verwendung der dafür bestimmten Merkmale klassifiziert, wobei die Klassifizierung einem Verschleißzustand des Bremsbelags des Fahrzeugs zugeordnet ist.

Der Begriff „Verschleißzustand des Bremsbelags“, wie er hier benutzt wird, umfasst insbesondere eine Dicke des Bremsbelags.

Die Zeitreihendaten umfassen also eine Vielzahl von Datensätzen einer Quelle über mehrere Zeitschritte.

In anderen Worten beschreiben die bestimmten Merkmale ein Systemverhalten des Fahrzeugs, insbesondere des Bremssystems, während eines Bremsereignisses. Auf Basis der bestimmten Merkmale lässt sich das analysierte Bremsereignis klassifizieren oder in anderen Worten eine Aussage über die Qualität des Bremsereignisses treffen. Unter der Annahme, dass die Qualität des Bremsereignisses direkt mit dem Verschleißzustand des Bremsbelags korreliert, wird basierend auf der Klassifizierung des Bremsereignisses eine Aussage über den Verschleißzustand des Bremsscheibe getroffen werden.

Vorzugsweise umfasst das Klassifizieren des zumindest einen Bremsereignisses ein Klassifizieren des zumindest einen Bremsereignisses durch ein, insbesondere vortrainiertes, Machine-Learning-Modell unter Benutzung der dafür bestimmten Merkmale, wobei das Machine-Learning-Modell dem zumindest einen Bremsereignis für jede Klassifizierung eine Wahrscheinlichkeit bestimmt, und Zuordnung einer Klasse zu dem zumindest einen Bremsereignis unter Verwendung der bestimmten Wahrscheinlichkeiten.

Vorzugsweise wird das Machine-Learning-Modell automatisch während einer initialen Einfahrphase, beispielsweise während der ersten 10000 km, trainiert. Weiter vorzugsweise wird das Machine-Learning-Modell nach einem Wechsel der Bremsbeläge, beispielsweise während der ersten 10000 km nach dem Wechsel der Bremsbeläge, automatisch trainiert.

Die Machine-Learning-Algorithmen des Machine-Learning-Modells können Methoden wie logistische Regression, neuronale Netze, Random Forests und ähnliche verwenden. Modelle, die in einem aktiven Bremsbelag- Zustandsüberwachungssystem eines Fahrzeugs implementiert sind, können vor der Auslieferung des Fahrzeugsystems vortrainiert werden oder während der Einfahrphasen des Fahrzeugs selbstlernend sein.

Die Zeitreihendaten, also die Eingangsdaten, werden durch Zeitreihen Sk(t), mit individuell unterschiedlichen Abtastungen dargestellt. Der Index k e N bezeichnet die k-te Signal- oder Datenquelle. Die Variable t bezeichnet die Zeit. Alle Datentypen der Zeitreihendaten werden von bremssystembezogener Hardware oder Steuerungssoftware zur Verfügung gestellt, einschließlich standardmäßiger Fahrzeugzustands- oder Umgebungsdatenquellen wie beispielsweise einer Trägheitsmesseinheit.

Vorzugsweise weist ein Bremsereignis eine Länge von unter 10 Sekunden, weiter vorzugsweise von unter 5 Sekunden, auf.

Die Zeitreihendaten werden durch statistische Merkmale charakterisiert, die für alle Zeitreihendaten innerhalb jedes Datenfensters abgeleitet werden.

Statistische Schätzer oder mathematische Operatoren, die für die Bestimmung der Merkmale berücksichtigt werden, umfassen beispielsweise Quantile, Standartabweichungen, Mittelwerte, Minimalwerte und/oder Maximalwerte.

Für jedes Bremsereignis, also Datenfenster, werden die Merkmale, oder insbesondere ein optimierter Satz von Merkmalen, dem Machine-Learning- Modell bereitgestellt, das für die Ereignisklassifizierung vortrainiert wurde. Das Machine-Learning-Modell verwendet vorzugsweise einen überwachten Logistic Regression Classifier, der eine Standardmethode für Klassifizierungsprobleme darstellt. Aufgrund der geringen numerischen und rechnerischen Komplexität von trainierten logistischen Regressionsmodellen werden auf diese Weise eingebettete Implementierungen auf Steuergeräten erleichtert. Alternative Versionen des Klassifizierungsalgorithmus können andere überwachte Machine- Learning- Klassifikatoren verwenden, z. B. einen Random Forest, sowohl mit fahrzeuginternen als auch externen, beispielsweise Cloud-basierten, Implementierungen. Um ein allgemeines Vortraining des Klassifikators, also der Klassifizierung des Bremsereignisses, oder ein fahrzeugspezifisches Training zu vermeiden, können unüberwachte Machine-Learning-Modelle verwendet werden.

Das Machine-Learning-Modell verwendet weiter vorzugsweise logistische Regression. Die logistische Regression ist ein lineares probabilistisches diskriminatives Modell zur Klassifizierung. Diskriminativ bedeutet, dass das Modell eine Abbildungsfunktion lernt, die allgemein als Diskriminanzfunktion bezeichnet wird und die Eingabedaten auf eine Klasse abbildet. Probabilistisch bedeutet, dass die Diskriminanzfunktion auf der Grundlage statistisch verteilter Eingabedaten und ihrer jeweiligen Klassen gelernt wird.

Die Ereignisklassifizierung, also die formale Zuordnung einer Bremsbelagverschleißzustandsklasse zu einem gegebenen Bremsenereignis, basiert auf einem probabilistischen Ansatz. Im Grundansatz wird ein Einzelereignis in die Klasse mit der höchsten Wahrscheinlichkeit eingestuft. Im beispielhaften Fall von zwei Verschleißzustandsklassen, C e {gut, schlecht}, ist die Klassifikationsschwelle durch ein Wahrscheinlichkeitswert von 0,5 gegeben. Mehrere Klassen können analog behandelt werden, beispielsweise durch Verallgemeinerung der logistischen Regression auf mehr als zwei Verschleißzustandsklassen.

Der präsentierte Ansatz ermöglicht somit die Klassifizierung, somit auch Messung, der Belagdicke von Bremsbelägen auf Basis einzelner unabhängiger Bremsereignisse, dargestellt durch Zeitreihendaten von Fahrzeug- und Bremssystemsensoren bzw. Daten und Zuständen. Im Vergleich zu den im Stand der Technik diskutierten integralen Ansätzen wird hier also ein differentieller Ansatz zur Schätzung des Verschleißzustands des Bremsbelags gewählt. Demnach muss keine integrale Betrachtung des Verschleißzustandes des Bremsbelags über einen längeren Zeitraum erfolgen. Durch die Betrachtung einzelner Bremsereignisse und einer Merkmalgenerierung der jeweils zugeordneten Zeitreihendaten findet eine Betrachtung eines Gesamtverhaltens des Bremssystems und des Fahrzeugs statt auf dessen Basis eine Einschätzung des Verschleißes des Bremsbelags durchgeführt wird.

Auf diese Weise wird ein genaueres Verfahren zur Bestimmung des Verschleißzustands des Bremsbelags bereitgestellt. Die Unsicherheiten werden im Vergleich zu integralen Methoden signifikant reduziert. Zudem können somit (beispielsweise bei Tausch der Beläge) auch herstellerfremde Ersatzbremsbeläge verwendetet und überwacht werden.

Durch den rein, oder zumindest hauptsächlich, modellbasierten Ansatz werden keine zusätzlichen direkten Sensoren am Bremsbelag benötigt, die beispielsweise direkt eine Dicke des Bremsbelags messen und in der Regel vergleichsweise aufwändig und kostenintensiv sind.

Auf diese Weise wird ein verbessertes Verfahren zur Bestimmung des Verschleißzustands des Bremsbelags bereitgestellt.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfassen die bremsrelevanten Daten Sensordaten, Steuergerätedaten und/oder Bremssystemdaten des Fahrzeugs.

Die Zeitreihendaten umfassen vorzugsweise eine Vielzahl von bremsrelevanten Daten, insbesondere Rohdaten, über die Zeit.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform werden die Sensordaten von einem Hauptbremszylinderdrucksensor, einem Reifendrehzahlsensor, einem Fahrzeugträgheitssensor und/oder einem Bremssystemsensor bereitgestellt.

Vorzugsweise umfassen die Sensordaten Messungen von zeitabhängigen physikalischen Größen. Weiter vorzugsweise werden Messungen von Sensoren des Fahrzeugs zur Bestimmung von Sensormessungen mit einer vorbestimmten Frequenz durchgeführt. In andern Worten wird eine Signalabtastung, auch Sampling genannt, vorgenommen. Vorzugsweise umfassen die Bremssystemsensoren einen Sensor zur Bestimmung des vom Bremssystem verschobenen Bremsflüssigkeitsvolumens.

Vorzugsweise umfassen die Steuerdaten aus Sensordaten erzeugte Daten.

Vorzugsweise erfassen die Steuergerätedaten verschiedene Größen, insbesondere physikalische Größen, die aus Sensordaten, System- oder Softwaredaten abgeleitet werden. Die Daten werden als, insbesondere abgetastete, Funktion der Zeit bereitgestellt.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfassen die Bremssystemdaten einen Bremssystemstatus und/oder eine Bremssystemflag.

Vorzugsweise umfassen die Bremssystemdaten Bremssystembedingungen, Bremssystemeinstellungen sowie Funktionsaktivierungen oder Arbeitsmodi des Bremssystems, als Funktion der Zeit.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Identifizieren des zumindest einen Bremsereignisses folgende Schritte. Empfangen zumindest eines Bremstriggers, wobei der Bremstrigger mit einem realen Bremsereignis des Fahrzeugs korreliert, und Identifizieren des zumindest einen Bremsereignisses unter Verwendung des zumindest einen empfangenen Bremstriggers.

Vorzugsweise umfasst das Identifizieren des zumindest einen Bremsereignisses ein Auswählen von Zeitreihendaten, die beispielsweise in einem Speicher abgelegt sind, wobei die ausgewählten Zeitreihendaten einem Bremsereignis zugeordnet werden.

Vorzugsweise wird der Bremstrigger von extern empfangen.

Grundsätzlich wird der Verschleißzustand des Bremsbelags auf Basis von Bremsereignissen ausgewertet. Daher werden die Zeitreihendaten in Zeitintervalle, die auch Datenfenster genannt werden, aufgeteilt. Die Längen dieser Zeitintervalle werden so gewählt, dass sie einzelne, isolierte Bremsereignisse vollständig abdecken und somit eindeutige Datensätze für die Bremsereignisanalyse liefern.

Beispielsweise umfasst der Bremstrigger einen Zustand eines Bremslichtschaltsignals, also ein Signal, das angibt, ob das Bremslicht aktiviert ist oder nicht, ein Geschwindigkeitssignal, also ein Signal, das angibt, mit welcher Geschwindigkeit sich das Fahrzeug bewegt, und/oder einem Motorzustandssignal, also einem Signal, das angibt in welchem Zustand sich der Motor befindet.

Vorzugsweise wird der Beginn eines Bremsereignisses bestimmt, wenn das Bremslichtschaltsignal „aktiv“ angibt, das Geschwindigkeitssignal einen vorbestimmten Wert, beispielsweise 0,1 m/s, überschreitet und das Motorzustandssignal „aktiv“ angibt.

Da die Bremsdauer für jedes Bremsereignis variiert, ist es wichtig, den Teil eines Bremsereignisses auszuwählen, der signifikante Informationen für die Klassifizierung liefert. Beispielsweise wird eine feste Fenstergröße festgelegt, die auf alle Bremsereignisse angewendet wird und die während des Trainings des Machine-Learning-Modells optimiert wird. Das Zeitfenster ist durch ein Tupel (ts, Ätw) gekennzeichnet, wobei ts die relative Startzeit des Fensters und Ätw die Fensterlänge ist. Alle Datenpunkte der Zeitreihendaten außerhalb des Intervalls [ts, ts + Ätw] werden abgeschnitten. Bremsereignisse, die den Mindestanforderungen des gegebenen Fensters nicht genügen, beispielsweise kurze Ereignisse, werden nicht für die Analyse berücksichtigt. Alternativ können unterschiedliche Zeitfenster definiert werden, die mathematisch mit einem Ereignis-Normalisierungsverfahren behandelt werden.

Alternativ umfasst das Bremsereignis eine Pufferzeit. In anderen Worten, umfasst das Bremsereignis Zeitreihendaten vor und nach dem eigentlichen Bremsereignis. Somit werden Zeitreihendaten mit einer vorher festgelegten Pufferzeit vor und/oder nach dem Bremstrigger dem jeweiligen Bremsereignis zugeordnet. Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfasst der zumindest eine Bremstrigger einen Zustand des Bremslichtschalters, eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs und/oder einen Motorzustand.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform werden überflüssige Zeitreihendaten verworfen, die keinem Bremsereignis zugeordnet werden können.

In anderen Worten werden Intervalle der Zeitreihendaten, die nur Daten enthalten, die innerhalb von Lücken zwischen zwei aufeinanderfolgenden Bremsereignissen aufgezeichnet wurden, verworfen.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform werden Zeitreihendaten verworfen, die nicht geeignet sind zur Bestimmung von Merkmalen.

Nicht alle Bremsereignisse qualifizieren sich für die Analyse der Daten hinsichtlich des Bremsbelagverschleißes. Nicht geeignet zur Bestimmung von Merkmalen sind insbesondere Zeitreihendaten, die als nicht valide eingestuft werden. Beispielsweise werden nicht vollständige oder nicht korrekte Daten der Zeitreihendaten als nicht valide eingestuft. Zudem kann die Datenauswahl auf Grundlage von Kriterien an Signalparameter erfolgen, beispielsweise Parameter der Fahrzeugbewegung, Bremsstärke und Länge, nebst anderen. Außerdem können Einschränkungen der Klassifizierung, also insbesondere eines Klassifizierungsalgorithmus, bezüglich Sensitivität, Systematik, oder modellinternen Limitierungen dazu führen, dass einzelne Datenpakete von der Datenanalyse ausgeschlossen werden.

Die Ereignisauswahl erlegt somit Einschränkungen bei der Datenauswahl auf.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Verfahren ein Zuordnen einer Relevanz zu jedem der bestimmten Merkmale und ein Verwenden einer vorher festgelegten Anzahl an Merkmalen mit der höchsten Relevanz zur Klassifizierung des zumindest einen Bremsereignisses.

Während des Trainings des Machine-Learning-Modells wird zunächst eine Vielzahl von Merkmalen berücksichtigt und iterativ nach Relevanz, also nach Einfluss auf die vom Klassifikator abgeleitete Klassifizierungswahrscheinlichkeit, geordnet. Insgesamt werden beispielsweise die 15 relevantesten Merkmale dem Klassifizierungsalgorithmus, also Merkmalauswahl und -Optimierung nach der Methode der rekursiven Merkmaleliminierung, unterzogen. Weitere Optimierungskriterien sind die Bevorzugung von unkorrelierten Zeitreihen, die daraus resultierende Festlegung einer Obergrenze für die statistische Korrelation, und einer Untergrenze für die Varianz der Zeitreihen, um annähernd konstante Signale zu vermeiden. Alternative Algorithmen können als Ergebnis der Modelloptimierung weniger oder mehr Merkmale betrachten.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Empfangen von Zeitreihendaten folgende Schritte. Speichern der empfangenen Zeitreihendaten in einem Speicher, wobei die Zeitreihendaten solange in einem Speicher behalten wird, solange der Speicher nicht ausgeschöpft ist oder solange die Merkmale der entsprechenden Zeitreihendaten nicht bestimmt wurden.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform wird das zumindest eine Bremsereignis unter Berücksichtigung einer Bremshistorie des Fahrzeugs klassifiziert.

Vorzugsweise umfasst die Bremshistorie eine Annahme, dass ein kontinuierlicher Verschleißprozess angenommen und einbezogen wird. Weiter vorzugsweise umfasst die Bremshistorie Merkmale von mehreren aufeinanderfolgenden Bremsereignissen. Weiter vorzugsweise umfasst die Bremshistorie potenzielle Bremsenanomalien, die in früheren Bremsereignissen erkannt wurden.

Nach einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das Verfahren ein Empfangen von Temperaturdaten, wobei die Temperaturdaten eine Temperatur des Bremsbelags, eine Temperatur einer Bremsscheibe des Fahrzeugs, insbesondere der Bremsscheibe an der der Bremsbelag befestigt ist, und/oder eine Umgebungstemperatur des Fahrzeugs umfassen, und ein Klassifizieren des zumindest einen Bremsereignisses unter Verwendung der dafür bestimmten Merkmale und den entsprechenden Temperaturdaten. Vorzugsweise umfassen die Temperaturdaten des Bremsbelags eine Temperatur des Bremsbelags an einer der Bremsscheibe abgewandten Seite des Bremsbelages. Basierend auf der Temperatur an der der Bremsscheibe abgewandten Seite können Rückschlüsse auf die Wärmeleitfähigkeit des Bremsbelags, und daher unter anderem auf die Dicke des Bremsbelags, gezogen werden.

Vorzugsweise umfassen die Temperaturdaten zudem eine Umgebungstemperatur des Fahrzeugs, weiter vorzugsweise eine Umgebungstemperatur der Bremsscheibe.

Aufheizvorgänge und Abkühlungsvorgänge sollten aus Gründen der Genauigkeit der Temperaturdaten im Kontext der Umgebungstemperatur des Fahrzeugs betrachtet werden.

Vorzugsweise weisen die Temperaturdaten eine im Vergleich zu den Merkmalen besonders hohe Wichtigkeit, also Korrelierung zu dem Zustand der Bremsbeläge auf.

Gemeinsam mit den bestimmten Merkmalen kann unter Zuhilfenahme der Temperaturdaten eine besonders genaue Klassifikation durch das Machine- Learning-Model erfolgen.

Nach einem weiteren Aspekt der Erfindung wird eine Vorrichtung vorgeschlagen, die eingerichtet ist, das Verfahren zur Bestimmung des Verschleißzustands des Bremsbelags, wie es hier beschrieben ist, auszuführen.

Nach einem weiteren Aspekt der Erfindung wird ein Computerprogramm vorgeschlagen, umfassend Befehle, die bei der Ausführung des Computerprogramms durch einen Computer diesen veranlassen, ein Verfahren, wie es hier beschrieben ist, auszuführen.

Weitere, die Erfindung verbessernde Maßnahmen werden nachstehend gemeinsam mit der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand von Figuren näher dargestellt. Ausführungsbeispiele Es zeigt:

Figur 1 eine Vorrichtung zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags;

Figur 2 ein Fahrzeug mit einer Vorrichtung zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags;

Figur 3 ein Verfahren zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags; und

Figur 4 Zeitreihendaten in einem Datenspeicher.

Figur 1 zeigt eine Vorrichtung 100 zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags, insbesondere eine elektronische Steuereinheit, eines Fahrzeugs F. Vorzugsweise umfasst die Vorrichtung Komponenten, die in einem gewöhnlichen Steuergerät für das Bremssystem des Fahrzeugs F verfügbar sind, aber eine ausreichende Leistung für die Ausführung des Bestimmens des Verschleißzustands des Fahrzeugs F bieten. Die Vorrichtung 100 umfasst einen elektronischen Prozessor 30, beispielsweise einen programmierbaren Mikroprozessor, Mikrocontroller oder eine andere Prozessoreinheit, einen Speicher 20, beispielsweise einen nicht transitorischen, maschinenlesbaren Speicher, und eine Kommunikationsschnittstelle 10. Der Prozessor 30 ist eingerichtet, Softwarebefehle auszuführen, die sich auf das Bestimmen des Verschleißzustands des Bremsbelags des Fahrzeugs F beziehen. Zusätzlich kann der Prozessor 30 andere Bremssystemprozesse ausführen. Der Prozessor 30 kann den Speicher 20 lesen und beschreiben. Die

Kommunikationsschnittstelle 10 stellt eine Verbindung zwischen der Vorrichtung 100 und einem Fahrzeugkommunikationsbus des Fahrzeugs F her, der mit anderen fahrzeuginternen Systemen verbunden ist. Insbesondere kann der Fahrzeugkommunikationsbus für den Datenaustausch mit einem Fahrzeugcomputer 200 oder einer Fahrzeugkommunikationseinheit 300 verwendet werden. Die Fahrzeugkommunikationseinheit 300 ermöglicht eine Verbindung des Fahrzeugs F mit externen Entitäten. Die Vorrichtung 100 ist beispielsweise elektrisch mit einem Hauptbremszylinderdrucksensor, Raddrehzahlsensoren, einem Fahrzeugträgheitssensor und verschiedenen internen Sensoren des Bremssystems des Fahrzeugs F verbunden. Alternativ können auch systemexterne Sensoren angeschlossen werden, beispielsweise über den Fahrzeugkommunikationsbus.

Die Kommunikationsschnittstelle 10 ist eingerichtet, Zeitreihendaten Dt von den verschiedenen Sensoren des Fahrzeugs F, dem Bremssystem selbst, oder dem Fahrzeugkommunikationsbus zu empfangen, wobei die Zeitreihendaten eine Zeitreihe von bremsrelevanten Daten des Fahrzeugs umfasst. Der Speicher 20 ist eingerichtet, die von der Kommunikationsschnittstelle 10 empfangenen Zeitreihendaten Dt zu speichern. Der Prozessor 30 umfasst eine Datenerfassungseinheit 31, die eingerichtet ist, zumindest ein Bremsereignis Bl, B2 in den Zeitreihendaten Dt zu identifizieren. Jedes in den Zeitreihendaten Dt identifizierte Bremsereignis Bl, B2 entspricht einem zeitlichen Datenfenster von Bremsereignisdaten Db der Zeitreihendaten Dt, wobei das Datenfenster mit einem realen Bremsereignis des Fahrzeugs F korreliert. Der Prozessor 30 umfasst eine Vorverarbeitungseinheit 32, die eingerichtet ist, Bremsereignisse auf Basis vordefinierter Kriterien auszuwählen und Merkmale M aus den Bremsereignisdaten Db unter Verwendung von vorbestimmten Operatoren für jedes identifizierte Bremsereignis Bl, B2 zu bestimmen. Die Bremsereignisdaten Db sind Rohdaten, die durch Zeitfilterung und die Berechnung von Signalmerkmalen durch vorbestimme Operatoren wie beispielsweise Minimum, Maximum, Durchschnitt, Standardabweichung, Absolutbetrag und/oder Quantile, für die Weiterverarbeitung vorverarbeitet werden. Der Prozessor 30 umfasst eine Machine-Learning-Modell-Einheit 33, die eingerichtet ist, das zumindest eine Bremsereignis unter Verwendung der dafür bestimmten Merkmale M zu klassifizieren. Die Klassifizierung K ist einem Verschleißzustand des Bremsbelags des Fahrzeugs F zugeordnet.

Die Vorrichtung erfasst Sensorsignale und Signale der Bremssystemsoftware in Form von Zeitreihendaten Dt. Die Zeitreihendaten Dt werden im Speicher 20 zwischengespeichert. Eine Abtastfrequenz, mit der die Zeitreihendaten Dt empfangen werden, wird vorher festgelegt und kann insbesondere den Standardeinstellungen des Bremssystems folgen.

Die Datenerfassungseinheit 31 erfasst Bremsereignisdaten Db, die einem zeitlichen Datenfenster von Zeitreihendaten Dt entsprechen. In anderen Worten beziehen sich die Bremsereignisdaten Db auf Zeitreihendaten Dt, die mit einem Bremsereignis des Fahrzeugs F korrelieren. Die Datenerfassungseinheit 31 identifiziert ein Bremsereignis Bl, B2 des Fahrzeugs F und erfasst aus den Zeitreihendaten Dt die entsprechenden Bremsereignisdaten Db des identifizierten Bremsereignisses Bl, B2.

Das Identifizieren des Bremsereignisses Bl, B2 wird durch die Datenerfassungseinheit 31 unter Verwendung eines Bremstriggers T ausgeführt. Der Bremstrigger T wird beispielsweise ausgelöst durch den Fahrer des Fahrzeugs F, das Bremssystem oder einen autonomer Fahrzeugcomputer 200 des Fahrzeugs F. Die Datenerfassung endet, wenn die Bremsanforderung erfüllt ist und das Bremsereignis beendet ist. Alternativ kann die Datenerfassung auch eine Pufferzeit beinhalten, also eine Erfassung von Daten vor und nach dem identifizierten Bremsereignis Bl, B2. Die Bremsereignisdaten Db werden solange im Speicher 20 gehalten, solange der Speicher 20 nicht erschöpft ist und solange eine Daten Vorverarbeitung der Bremsereignisdaten Db noch nicht abgeschlossen ist. Alternativ können die Bremsereignisdaten Db an andere Systeme, insbesondere die Fahrzeugverbindungseinheit 300, über die Kommunikationsschnittstelle 10 der Vorrichtung 100 übertragen werden.

Die Erkennung und Überwachung des Bremsbelagverschleißzustandes erfolgt auf der Basis einzelner Bremsereignisse Bl, B2, wobei die entsprechenden Zeitreihendaten Dt analysiert werden. Bei einer rein modellbasierten Bremsbelagverschleißerkennung, die auch BPWD genannt wird, wird ein Machine-Learning-Modell 33 verwendet, um den Verschleißzustand des Bremsbelags zu klassifizieren. Verschleißzustände können über Intervalle der verbleibenden Bremsbelag-Materialdicke definiert werden. Einfache Implementierungen betrachten Tupel von zwei oder drei Zuständen als Klassifizierungsbasis, also insbesondere (Gut, Schlecht) beziehungsweise (Neu, Gebraucht, Abgenutzt). Alternativ können auch mehr als drei oder andere Zustände definiert werden.

BPWD verwendet bremssystembezogene Rohdaten, also insbesondere Daten von Fahrzeughardware, die in der Regel vorhanden ist und nicht separat hinzugefügt werden muss. Als Sensoreingangssignale verwendet ein spezieller BPWD-Algorithmus Hauptbremszylinderdruck, Radgeschwindigkeit, Fahrzeugbeschleunigung und bremssysteminterne Sensoren, insbesondere Stangenhub und Stößelbewegung. Die Software des Bremssystems liefert zusätzliche Größen, die aus Rohsensordaten, Fahrzeugeigenschaften und Bremsanforderungseigenschaften abgeleitet werden, insbesondere ein Raddrehmoment und bremsanforderungsbezogene Eigenschaften. Alternativ können auch andere Eingangsdaten berücksichtigt werden, die ebenfalls vom Fahrzeugkommunikationsbus abgerufen werden.

Alternativ zu dem rein modellbasierten Ansatz kann zusätzlich ein Temperatursensor St an einer Rückenplatte des Bremsbelags als Eingang für die Machine-Learning-Einheit 33 verwendet werden. Alternativ können auch Daten von einem Bremsscheibentemperatursensor berücksichtigt werden. Aufgrund des Einflusses der Bremsbelagtemperaturmessung ist das das Machine- Learning-Modell 33 in der Lage, die Bremsbelagstärke und damit den Bremsbelagzustand mit höherer Genauigkeit zu messen.

Die Analysekette für Bremsereignisdaten Db umfasst die folgenden Hauptaufgaben: Erstens Ereignisauswahl. Nicht alle Bremsereignisse Bl, B2 qualifizieren sich für die Analyse. Die Datenauswahl kann auf der Grundlage von Kriterien der Datengültigkeit, der Fahrzeugträgheit, der Bremsstärke usw. erfolgen. Zweitens Datenvorverarbeitung. Die Rohdaten werden durch vorbestimmte Operatoren wie Zeitfilterung und die Berechnung von Merkmalen M (min, max, avg, Standardabweichung, Modul, Quantile, usw.) für die Analyse vorverarbeitet. Drittens Datenanalyse. Die vorverarbeiteten Merkmale M werden mit Hilfe des Machine-Learning-Modell 33 analysiert. Viertens Klassifizierung: Die Bremsereignisse Bl, B2 werden basierend auf dem Analyseergebnis, beispielsweise einem durch das Machine-Learning-Modell 33 zugewiesenen Verschleißzustandslabel, klassifiziert. Das Verschleißzustandslabel, das auch als Klassifizierung K bezeichnet wird, entspricht einer Abschätzung des Verschleißzustands des Bremsbelags.

Figur 2 zeigt ein Fahrzeug F mit einer Vorrichtung 100 zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags.

Das Fahrzeug F umfasst neben der Vorrichtung 100 zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags des Fahrzeugs in Form einer elektronischen Steuereinheit 100 einen Fahrzeugcomputer 200 und eine Fahrzeugkommunikationseinheit 300. Die nötigen Zeitreihendaten Dt werden der der elektronischen Steuereinheit 100 entweder über direkte Sensoranbindung, dem Fahrzeugkommunikationsbus ???, oder den Fahrzeugcomputer 200 zur Verfügung gestellt. Der Fahrzeugcomputer 200 kann auch dazu genutzt werden, dem Fahrzeugführer den Zugang zu den Ergebnissen der Bestimmung des Verschleißzustands eines Bremsbelags zu ermöglichen beziehungsweise diese darzustellen. In diesem Fall weist jeder Bremsbelag einen Temperatursensor St auf, der der elektrischen Steuereinheit 100 Temperaturdaten Dtemp zur Verfügung stellt. Außerdem weist das Fahrzeug F eine Fahrzeugkommunikationseinheit 300 auf, die eingerichtet ist,

Bremsereignisdaten Db der elektronischen Steuereinheit 100 zu einer externen Cloud oder Datenbank 400 zu versenden. Die Cloud 400 weist in diesem Fall insbesondere ein Machine-Learning-Modell auf, das eingerichtet ist, den Verschleißzustand der Bremsbelege aus den zur Verfügung gestellten Bremsereignisdaten zu ermitteln. Im Vergleich zu einem Machine-Learning- Modell in der elektrischen Steuereinheit 100, kann in einer externen Cloud 400 ein vergleichsweise komplexeres Machine-Learning-Modell bereitgestellt werden, inklusiv komplexerer Pre- oder Post-Prozessierungsalgorithmen. Die resultierende Klassifizierung der entsprechenden Bremsereignisse, die den Bremsereignisdaten zugeordnet sind, werden dann von der Cloud 400 über die Fahrzeugkommunikationseinheit 300 an die elektronische Steuereinheit 100 zurückgegeben.

Figur 3 zeigt ein Verfahren zur Bestimmung eines Verschleißzustands eines Bremsbelags. In einem ersten Schritt S10 werden Zeitreihendaten Dt erfasst, wobei die Zeitreihendaten Dt eine Zeitreihe von bremsrelevanten Daten des Fahrzeugs F umfasst. In einem zweiten Schritt S20 wird zumindest ein Bremsereignis Bl, B2 in den Zeitreihendaten Dt identifiziert, wobei jedes in den Zeitreihendaten Dt identifizierte Bremsereignis Bl, B2 einem zeitlichen Datenfenster von Bremsereignisdaten Db der Zeitreihendaten entspricht, wobei das Datenfenster mit einem realen Bremsereignis des Fahrzeugs F korreliert. In einem dritten Schritt S30 werden Merkmale M aus den Bremsereignisdaten Db unter Verwendung von vorbestimmten Operatoren für jedes identifizierte Bremsereignis Bl, B2 bestimmt. In einem vierten Schritt S40, wird das zumindest eine Bremsereignis Bl, B2 unter Verwendung der dafür bestimmten Merkmale M bewertet, wobei die Klassifizierung K einem Verschleißzustand des Bremsbelags des Fahrzeugs F zugeordnet ist.

Figur 4 zeigt Zeitreihendaten Dt, die temporär in einem Datenspeicher abgelegt sind. In diesem Fall umfassen die Zeitreihendaten Dt eine Fahrzeuggeschwindigkeit Vveh, einen Bremslichtschalterzustand Swl, Hauptbremszylinderdruckdaten Dp und Reifendrehzahldaten Dd. Die Zeitreihendaten Dt umfassen Daten über 9 Zeitschritte t0-t8, die im gezeigten Speicherabschnitt Platz haben. In anderen Worten umfassen die Hauptbremszylinderdruckdaten Dp mehrere Datensätze DpO, Dpi, Dp2, Dp3, Dp4, Dp5, Dp6, Dp7 und Dp8 über die Zeit. Ebenso umfassen die Reifendrehzahldaten Dd mehrere Datensätze DdO, Ddl, Dd2, Dd3, Dd4, Dd5, Dd6, Dd7 und Dd8 über die Zeit. Die einzelnen Datensätze der Hauptbremszylinderdaten Dp und Reifendrehzahldaten Dd sind hier als Platzhalter dargestellt, da ihre genauen Werte hier unerheblich sind. Ebenso umfasst die Fahrzeuggeschwindigkeit die jeweilige Geschwindigkeit des Fahrzeugs über die Zeit (hier in Metern pro Sekunde). Der Bremslichtschalterzustand Swl gibt mit einem A für aktiv und einem D für inaktiv an, ob in dem jeweiligen Zeitschritt das Bremslicht des Fahrzeugs aktiviert ist oder nicht.

Figur 4 soll das Identifizieren eines ersten Bremsereignis Bl und eines zweiten Bremsereignis B2 aus den Zeitreihendaten Dt erläutern. Zum einen wird der Bremslichtschalterzustand Swl herangezogen. In jedem Zeitschritt, in dem der Wert A gemeldet wird, ist von einem Bremsereignis auszugehen, also hier in den Zeitschriften t0-t2, t4 und t6-t7. Allerdings ist im Zeitschrift t4 die Fahrzeuggeschwindigkeit Vveh nur 3 Meter pro Sekunde und damit unter einem vorher festgelegten Grenzwert für ein Bremsevent. Insofern werden nur die Zeitschritte t0-t2 als erstes Bremsevent Bl und die Zeitschritte t6-t7 als zweites

Bremsevent B2 identifiziert. Folglich werden die jeweiligen Datensätze DpO, Dpi, Dp2 und DdO, Ddl, Dd2 als Bremsereignisdaten Db des ersten Bremsevents Bl identifiziert und die Datensätze Dp6, Dp7 und Dd6, Dd7 als Bremsereignisdaten Db des zweiten Bremsevents B2 identifiziert. Die Bremsereignisdaten Db bleiben solange im Speicher, bis aus ihnen Merkmale M für das Machine-Learning-

Modell 33 bestimmt wurden. Die anderen Datensätze werden verworfen um somit Platz im Speicher für neue Zeitreihendaten bekommen.